Süddeutsche Zeitung

Fußball-EM 2012:"Ein schöner Tag für den polnischen Sport"

Italien galt bereits als sicherer Sieger - doch das Uefa-Exekutivkomitee hat die Fußball-Europameisterschaft 2012 nach Polen und die Ukraine vergeben. In Warschau tanzten Tausende Menschen nach der Entscheidung auf der Straße.

Eigentlich hätten Marek und sein Freund Janek die Schulbank drücken müssen. Doch für die beiden zwölfjährigen Warschauer war es viel wichtiger, mit Fanschal und weiß-roter Nationalfahne zum Warschauer Schlossplatz zu eilen. Mathematik und Polnisch-Unterricht waren für sie Nebensache, als sie die Live-Übertragung aus Cardiff auf einer Großleinwand verfolgten und Uefa-Präsident Michel Platini Polen und die Ukraine wie erhofft zu Gastgebern der Fußball-Europameisterschaft 2012 erklärte.

Tausende hatten sich auf dem Schlossplatz versammelt und bei grauem Himmel und Nieselregen mitgefiebert. Nun kannte der Jubel keine Grenzen. Im westpolnischen Posen, wo wie in Warschau, Breslau und Danzig die EM-Begegnungen ausgespielt werden sollen, regnete Konfetti vom Rathausbalkon, in Breslau ließen Fußball-Fans Sektkorken knallen.

"Mein ganzes Leben war ich Fußball-Fan, und freue ich mich von ganzem Herzen auf die die EM im eigenen Land", sagte ein weißhaariger Rentner freudestrahlend in die Fernsehkameras. Einem stämmigen jungen Mann hatte der freudige Schock hingegen die Sprache verschlagen. "Wir haben sie, wir haben die EM", stammelte er und wischte sich mit dem weiß-roten Schal verlegen Freudentränen aus den Augen.

Die Unterstützung für die EM-Bewerbung war in Polen groß gewesen, aber viele Fußball-Fans hatten befürchtet, die UEFA könnte sich durch die schlechte Infrastruktur des Landes abschrecken lassen. Die EM-Stadien müssen schließlich noch gebaut oder umfassend renoviert werden. Auch der Autobahnbau muss nun beschleunigt werden. "Hier darf es keine Verspätungen gaben", warnte Staatspräsident Lech Kaczynski gleich nach dem ersten Jubel.

Sein Zwillingsbruder, Regierungschef Jaroslaw Kaczynski, hatte während seines Brüssel-Besuchs von EU-Kommissionspräsident José Manuel Barroso die gute Nachricht erhalten. "Wir hatten uns gerade begrüßt, da erfuhr ich vom Vorsitzenden gleich, dass wir die Meisterschaft haben", meinte Kaczynski schmunzelnd vor Journalisten und meinte erfreut: "Ein schöner Tag für den polnischen Sport, ein schöner Tag für Polen." Der Ärger über die jüngste innenpolitische Krise in der Heimat war für diesen Tag erst einmal vergessen.

Doch politische Intrigen und Parteistreitigkeiten waren in der Fußball-Begeisterung zweitrangig. Oppositionsführer Donald Tusk, der lange Kapitän der Fußball-Mannschaft des Parlaments war, freute sich gleich dreifach: "Als Fußball-Fan, als Pole und als Danziger." Ex-Präsident und Friedensnobelpreisträger Lech Walesa, der mit den Kaczynski-Brüdern seit Jahren zerstritten ist, freute sich einfach nur über die "wunderbare Nachricht". Für den einstigen Arbeiterführer ist die Entscheidung der UEFA aber auch dies: "Eine schöne Geste der Solidarität, die zeigt, dass Europa nicht an der Oder aufhört."

Die Gastgeber der EURO 2012 im Stenogramm

Polen Fläche: 312.685 Quadratkilometer Einwohner: 38,5 Millionen Hauptstadt: Warschau Währung: Zloty Verband: PZPN (gegründet 1919) Präsident: Michal Listkiewicz Größte Erfolge: WM-Dritter 1974 und 1982, Olympiasieger 1972

Ukraine Fläche: 603.700 Quadratkilometer Einwohner: 46,5 Millionen Hauptstadt: Kiew Währung: Griwna Verband: FFU (gegründet 1991) Präsident: Grigoriy Surkis Größte Erfolge: Qualifikation für WM 2006

Die zwölf Austragungsorte (je sechs pro Land):

Polen: Danzig (Neubau/44.000 Plätze), Posen (Städtisches Stadion/46.500), Warschau (Neubau/70.000), Breslau (Olympiastadion/45.000), Chorzow (Slaski/60.000), Krakau (Wisla/33.000)

Ukraine: Kiew (Olympiastadion/75.000), Dnjepropetrowsk (Neubau/35.000), Donezk (Neubau/50.000), Lwow (Ukraina oder Neubau/40.000), Odessa (Chornomorets/35.000), Charkow (Matallist/30.000)

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