Fußball:Eine Mannschaft dank der "Lex Kosovo"

Football Soccer - Finland v Kosovo - World Cup 2018 Qualifying European Zone

Fans beim Spiel des Kosovo in Finnland.

(Foto: REUTERS)

Der Kosovo schafft zum Pflichtspiel-Debüt ein 1:1 gegen Finnland. Doch nur eine Spezial-Regel macht eine Nationalmannschaft überhaupt möglich. Spiele gegen manche Nationen sind zudem ausgeschlossen.

Von Johannes Kirchmeier

Valon Berisha wusste um den historischen Moment, als er vor dem Ball stand. Er blickte etwas nervös nach links zum slowakischen Schiedsrichter Ivan Kruzliak, schnaufte durch und wartete dessen Pfiff ab. Dann schaute er schnell hinunter auf den Ball, nahm vier Schritte Anlauf - und drosch den Ball in den linken Torwinkel. "Von diesem Tor habe ich vorher geträumt und war mir sicher, dass ich auch wirklich treffe", sagte der Mittelfeldspieler von RB Salzburg.

Valon Berisha, 23, hat mit seinem Elfmetertor Kosovo offiziell auf die Fußballweltkarte gezeichnet, am Ende sprang in Finnland durch das erste Pflichtspieltor der erste Punktgewinn der acht Jahre alten Republik heraus (1:1). Und da alle drei Partien der WM-Qualifikationsgruppe I 1:1 endeten, führt Kosovo gleich mal gemeinsam mit den restlichen Mitgliedern die Tabelle an. "Ihr seid die Besten", sagte Staatspräsident Hashim Thaci. Regierungschef Isa Mustafa stimmte ihm zu: "Wir haben uns als wertvolles Team bei internationalen Wettbewerben erwiesen."

A-Nationalspieler anderer Nationen dürfen wechseln - und werden offenbar abgeworben

Am Fußball hängt in Kosovo derzeit auch immer die Politik. Denn obwohl der völkerrechtliche Status Kosovos noch sehr umstritten ist - nur 109 der 193 Mitgliedsstaaten der Vereinten Nationen erkennen die Unabhängigkeit der Republik an -, nahm der Fußball-Weltverband Kosovo am 13. Mai als 210. Mitglied auf. Was zum Kuriosum führte, dass Fifa und Uefa beschlossen, bis auf Weiteres zu vermeiden, dass es zu Spielen zwischen Kosovo und seinen Nachbarn Serbien und Bosnien-Herzegowina kommt.

Heißt konkret: Die drei Nationen können bei Auslosungen nicht in die selbe Gruppe gezogen werden. Und mit der Eingliederung in die diesjährigen, bereits zuvor ausgelosten Qualifikationsgruppen beschäftigte sich eine eigens eingerichtete Arbeitsgruppe der Uefa. Neben Kosovos Nachbarn zählen auch Russland und Gruppengegner Ukraine zu jenen Ländern, die die politische Selbständigkeit des jungen Staates ablehnen. Ruhig um den kosovarischen Fußballverband (FFK) dürfte es nach seiner Bestätigung also erst einmal nicht werden.

Was auch an Spielern wie Berisha liegt: Denn mit der Aufnahme des FFK hatte die Fifa mit einer Art "Lex Kosovo" ein Wechselwirrwarr in Gang gesetzt, das eher aus dem Handball oder Basketball bekannt ist, wo immer mal wieder Spieler die Nation wechseln dürfen. Ein Fußballer ist jedoch nur für die Nation spielberechtigt, für die er sein erstes Pflichtspiel in der A-Nationalelf bestritten hat. Kosovo bekommt eine Ausnahmeregelung: Alle Kosovaren, die bei der EM 2016 in Frankreich für kein anderes Land angetreten sind, dürfen sich dem neuen Nationalteam anschließen.

Der FFK hat die Umsetzung der Regelung schnell vorangetrieben, 16 Nationenwechsel hat die Fifa seit Mai gestattet - als letzten den von Torschütze Valon Berisha, der wenige Stunden vor Anpfiff in Turku bestätigt wurde. Berisha hatte zuvor 20 Länderspiele für Norwegen absolviert. Sein jüngerer Bruder, der Fürther Veton Berisha, will weiter für Norwegen kicken. "Wir danken Valon für seine Bemühungen und wünschen ihm alles Gute für seine Karriere in Kosovo", sagte Norwegens Teamchef Per-Mathias Hogmo zum Wechsel.

Es gibt auch deutlich negativere Reaktionen auf die vielen Verbandswechsel, wie jene des Schweizer Fußballverbandes in der vergangenen Woche: "Anstelle eines Aufbaus des kosovarischen Verbandes mit Bedacht und Weitsicht sind seit Wochen Bemühungen seiner Funktionäre erkennbar, Spieler abzuwerben und davon zu überzeugen, in der bald beginnenden WM-Qualifikation für Kosovo zu spielen." Der Punktgewinn durch einen früheren Norweger könnte die Debatte verstärken.

Zudem scheint es so zu sein, als hätten sich die Kosovaren die Dienste eines weiteren Spielers gesichert: Der 39-malige finnische Nationalspieler Perparim Hetemaj verzichtete am Montag auf einen Einsatz gegen sein Geburtsland Kosovo. Vielleicht spielt er daher schon im ersten Heimspiel Kosovos gegen Kroatien am 6. Oktober für die neue Fußballnation. Eine echte Heimpremiere wird es jedoch nicht werden: Weil nicht einmal in der Hauptstadt Pristina ein für internationale Partien zertifiziertes Stadion steht, tritt das Nationalteam im albanischen Shkoder an. Die Fifa macht die nächste Ausnahme.

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