Fußball:Ein Vorschlag, der viel über die Not der Fifa verrät

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Wenn er Pokale verteilt wie hier beim Confed Cup 2017 für die deutsche Elf, ist er beliebt, ansonsten aber eher unbeliebt: Fifa-Chef Gianni Infantino.

(Foto: Markus Ulmer/imago)
  • Fifa-Präsident Gianni Infantino hat bei der Fifa-Council-Sitzung im März in Bogota ein Milliardenangebot aufgetischt.
  • Laut New York Times hatte ein Konsortium aus dem Nahen Osten und Asien 25 Milliarden US-Dollar für zwei Veranstaltungen bezahlen wollen: für die Klub-WM und eine globale Nations League, die noch gar nicht existiert.
  • Irritierender als das Angebot ins Blaue hinein wirkte auf die Fifa-Räte der Auftritt ihres Chefs, der viel über den Zustand des Weltverbandes aussagt.

Von Thomas Kistner

Die Rats-Mitglieder des Fußball-Weltverbandes trauten ihren Ohren nicht, als Fifa-Präsident Gianni Infantino bei der Council-Sitzung im März in Bogotá plötzlich ein Milliardenangebot auftischte: für Veranstaltungen, die es noch gar nicht gibt. Den vagen Inhalt der Offerte enthüllte am Dienstag die New York Times. Ein Konsortium aus dem Nahen Osten und Asien wolle 25 Milliarden US-Dollar für zwei Veranstaltungen bezahlen: für die - dann per Reform auszuweitende - Klub-WM, sowie für eine globale Nations League, die zwar angedacht ist, aber noch gar nicht existiert. Irritierender als das irre Angebot ins Blaue hinein wirkte auf die Fifa-Räte indes der Auftritt ihres Chefs: Infantino, bezeugte am Dienstag ein Teilnehmer des Treffens im Gespräch mit der SZ, habe seinen Vorschlag mit keinerlei Details anreichern können.

Nur so viel: Das mysteriöse Milliardenangebot sei für einen Zeitraum von zwölf Jahren gedacht, und der Weltverband habe nun 60 Tage Zeit, darüber nachzudenken. Auf vielfältige Nachfragen seiner Ratsherren, welche konkreten Rechte die mysteriösen Interessenten aus Asien eigentlich erwerben wollten und vor allem, wer diese potenziellen Käufer überhaupt sind, habe der Fifa-Boss allerdings nur auf eine Verschwiegenheits-Vereinbarung verwiesen, die es zu diesem Sachverhalt gebe.

25 Milliarden? Top secret? Das Council habe geschockt reagiert, heißt es. Das Gremium, dem auch DFB-Präsident Reinhard Grindel angehört, habe Infantinos Vorschlag einhellig abgelehnt. Im Fifa-Leitgremium, dem gegenüber sich der Schweizer Boss als "Retter des Fußballs" bezeichnet haben soll, wird Infantinos autokratischer Führungsstil zunehmend beargwöhnt.

Die diskreten Investoren werden in Saudi-Arabien vermutet - und auch China soll mitmischen

Dazu passt, dass auch die Hintergründe dieses präsidialen Vorstoßes völlig im Dunkeln liegen. Sinn könnten allerdings die Spekulationen ergeben, die im Dunstkreis des Fifa-Councils angestellt werden. Demnach soll es sich bei den rätselhaften Investoren insbesondere um Saudi-Arabien handeln, das unter dem kometenhaft aufgestiegenen Kronprinzen Mohammed bin Salman ja immer öfter Schlagzeilen mit aufsehenerregenden Inititiativen produziert. Riad liegt seit fast einem Jahr zudem im Clinch mit Katar. Eine von Salman angeführte arabische Allianz hat die bisher einzige Fußball-Großmacht der Golf-Hemisphäre, den WM-Ausrichter 2022, sogar mit Boykotten belegt. Will der Kronprinz nun auch den Weltsport Nummer eins, den Fußball, seinem Reformprogramm einverleiben, das er "Vision 2030" getauft hat?

Für die Fifa-Spitzenfunktionäre kommen milliardenschwere Buy-out-Pläne vorläufig nicht in Frage. Sie debattieren stattdessen, ob Infantino hier eine persönliche Vereinbarung mit unbekannten Geldgebern getroffen oder in die Wege geleitet habe. Dass der Präsident mit einem potenziellen Rechte-Geschäftspartner derart geheime Verhandlungen führt, dass der Inhalt nicht einmal dem Vorstandsgremium dargelegt werden kann, dürfte den Erosionsprozess an der Verbandsspitze beschleunigen. Außer Frage steht für viele Beobachter und manches Council-Mitglied auch, dass der Weltverband händeringend nach neuen Geldquellen sucht.

Es muss nun noch mehr aus dem Spiel gepresst werden

Infantino war bei seiner Thronkür 2016 zwar ohne Programm angetreten, dafür aber mit einem klassischen Versprechen: Mehr Geld für alle! Seither stehen jedem Landesverband statt einer Million Dollar im Vierjahres-Turnus vier Millionen zu, was vor allem die Funktionäre von Tonga bis Gibraltar erfreut. Und damit auch die Kleinen (sportpolitisch besehen: das Stimmvieh) von einer WM-Teilnahme träumen dürfen, pumpte Infantino das Event zum Jedermann-Turnier auf: Ab 2026 sind statt 32 Teams 48 am Start.

All das kostet Geld, weshalb nun noch mehr aus dem Spiel gepresst werden muss. Aber nicht nur die Sponsoren halten sich zurück eingedenk des nach wie vor angeknockten Rufes der Fifa unter Infantino. Als Trugschluss erwies sich auch dessen Kalkül, die Fifa könne dank eines um 16 Teams vergrößerten WM-Teilnehmerfeldes eine halbe Milliarde Dollar mehr bei den TV-Sendern abzocken. Im Herbst förderten Staatsanwälte zutage, dass der frühere Generalsekretär Jérôme Valcke schon 2013 unter der Hand Senderechte bis ins WM-Jahr 2030 ausgereicht hatte - wobei er offenbar sein eigenes Auskommen nicht vergaß. Valckes diskrete Rechtedeals in Südosteuropa sind nun Teil von internationalen Korruptionsermittlungen.

In den USA bekam derweil der Sender Fox die WM-Rechte für 2026 nachträglich auf seinen WM-Vertrag für die Turniere 2018/2022 draufgepackt: zu einem Schleuderpreis, weil die späte Verlegung der Katar-WM in den Winter 2022 zur Kollision mit anderen großen US-Sportarten führt. Es dürfte schwierig sein, all diese selbst verschuldeten Defizite über Preistreibereien bei den verbliebenen Großkalibern auf dem TV-Markt auszugleichen. Jedenfalls im Kernmarkt Europa, soweit es öffentlich-rechtliche Sender betrifft.

Viele Werbeplätze bleiben frei

Riesige Löcher klaffen zudem in den Sponsorkategorien für die WM in Russland. Viele Werbeplätze bleiben frei, immer öfter springen Firmen aus China oder Russland ein. Dazu passt, dass hinter Infantinos mysteriösen Milliarden-Anbietern neben den Saudis auch chinesische Investoren vermutet werden.

Zugleich sind die Reserven der Fifa auf 940 Millionen Dollar abgeschmolzen, und die finanziellen Folgen der Korruptionsaffären, die über Jahre aufgearbeitet werden, sind noch gar nicht abzusehen.

Wie zügellos das Bestreben der Infantino-Administration ist, Geld aus immer neuen Formaten zu schürfen, zeigen die Reformideen für die Klub-WM. Geplant war ein Turnier alle vier Jahre mit 24 Teilnehmern, von denen die Hälfte aus Europa und vier aus Südamerika kommen sollen. Der sportive Wert so eines Wettbewerbs erschließt sich ebenso wenig wie die Frage, nach welchen Kriterien die Teilnehmerteams alle vier Jahre selektiert werden sollen. Auch dieses Modell hatte Infantino in Bogotá seinem Rat nicht vermitteln können.

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