Süddeutsche Zeitung

Fußball:Ein Pressschlag kostet das Halbfinale

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Von Ulrich Hartmann, Gelsenkirchen

Schalkes Jubel war schon vor dem Anpfiff groß gewesen - auf der Anzeigetafel. Die Vereinsfilmemacher hatten einen emotionalen Zusammenschnitt relevanter Glücksmomente aus der jüngeren Klub-Historie präsentiert. Und obwohl das anschließende Europa-League-Spiel zwischenzeitlich viel neues Material für künftige Jubelkompilationen geboten hat, schlichen die Schalker am Ende bitter enttäuscht vom Feld. Sie verpassten trotz eines 3:2-Sieges gegen Ajax Amsterdam in der Schlussphase der Verlängerung den Einzug ins Halbfinale, weil Ajax neun Minuten vor dem Ende das entscheidende Auswärtstor schoss. Ajax bejubelte den Halbfinaleinzug.

Schalke komplettierte hingegen die miserable deutsche Europapokalwoche. Am Dienstag die Bayern, am Mittwoch der BVB, am Donnerstag Schalke - die Bundesliga spielt in dieser Saison international keine Rolle mehr.

Für Schalke beginnt am Sonntag gegen Leipzig das Unterfangen, binnen fünf Spielen noch vier Punkte Rückstand zum sechsten Bundesliga-Platz aufzuholen, um wieder im Europacup mitzuspielen.

Trainer Markus Weinzierl hatte personell zusammengekratzt, was ging. Linksverteidiger Sead Kolasinac spielte trotz vorangegangener Adduktorenprobleme, Kapitän und Innenverteidiger Benedikt Höwedes trotz Wadenzwickens. Weil Coke international nicht gemeldet und Kehrer gelbgesperrt war, wäre es ohne die beiden eng geworden mit der Besetzung der Abwehr.

Schalke war nach einer miesen Leistung bei der 0:2-Niederlage im Hinspiel gewillt, die Statistik ebenso wie die eigenen Fans zu versöhnen. Nach 40 Sekunden schob Leon Goretzka eine Kolasinac-Hereingabe knapp vorbei, nach 110 Sekunden traf Max Meyer mit einem Flachschuss nur den Pfosten. Es ging hier auch um die Glaubwürdigkeit des Trainers Weinzierl, der vorher eine engagierte Leistung seiner launischen Fußballer geradezu fest versprochen hatte.

Ajax, in neongrellen Auswärtstrikots vom Farbton des hochgiftigen Pfeilgiftfrosches unterwegs, versprühten ihr Toxikum nur homöopathisch, wurden von Schalkes Offensive dann aber auch nur selektiv bedroht. Schalkes schöner Anfangsschwung verebbte nach einer Viertelstunde derart, dass die gelassen ihren Vorsprung aus dem Hinspiel verwaltenden Niederländer mehr Ballbesitz hatten.

Die Fans feierten nach dem 3:0 schon den Halbfinaleinzug

Zur zweiten Halbzeit wurden die Schalker von ihren Fans zunächst mit routinierter Begeisterung empfangen. Sie konnten froh sein, dass es wegen einer Glanzparade ihres Torwarts Ralf Fährmann nach einem Freistoß von Lasse Schöne kurz nach dem Wiederanpfiff weiter 0:0 stand. Es dauerte danach aber bloß bis zur 53. Minute, ehe Schalke durch das 1:0 von Goretzka plötzlich zurück im Spiel war. In den Jubel hinein brachte Weinzierl seinen niederländischen Stürmer Klaas-Jan Huntelaar für Benjamin Stambouli und setzte mit nun zwei zentralen Stürmern alles auf eine Karte. Obwohl Huntelaar so gut wie keine Rolle spielte, wurde es bald laut: Drei Minuten später egalisierte Stürmer Guido Burgstaller auf Vorlage von Kolasinac das Hinspiel-Ergebnis. Doch Schalke musste aufpassen. Ein Gegentor konnte jederzeit das Aus bedeuten. Ab der 80. Minute in Überzahl, weil Joel Veltman Gelb-Rot gesehen hatte. Eine weitere schöne Kombination brachte Schalke durch Daniel Caligiuri in der 101. Minute das umjubelte 3:0.

Doch als sich die Fans schon aufs Halbfinale freuten, erzielte Nick Viergever in der 111. Minute das 1:3 für Ajax - Nastasic hatte ihm den Ball beim Pressschlag an den Fuß geschossen. Younes erzielte in der 120. Minute noch das 2:3. Selten hat man sich in diesem Traditionsklub so über eine Niederlage gefreut.

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SZ vom 21.04.2017
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