Fußball:Ein Jahr nach Grindels Rücktritt: "Habe auch Fehler gemacht"

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Schließt eine Rückkehr ins Fußball-Geschäft nicht kategorisch aus: Ex-DFB-Präsident Reinhard Grindel. Foto: Boris Roessler/dpa (Foto: dpa)

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Frankfurt/Main (dpa) - Beim nächsten Mal wäre er schlauer. Da ist sich Reinhard Grindel sicher. Ein Jahr nach seinem unfreiwilligen Rücktritt als DFB-Präsident hat der 58-Jährige einen gewissen Abstand gewonnen. Und schließt ein Comeback im Fußball-Business dennoch nicht kategorisch aus.

"Ich habe auch Fehler gemacht, aus denen man lernen kann", sagte Grindel der Deutschen Presse-Agentur. Und fügt mit einem fast schon selbstironischen Unterton an: "Jetzt wüsste ich zumindest, was mich da erwartet. Das war im Amt des Präsidenten nicht immer der Fall. Sonst hätte ich mich besser beschützt."

Am 2. April 2019 hatte der frühere CDU-Bundestagsabgeordnete seinen Posten an der Spitze des Deutschen Fußball-Bundes nach nur knapp drei Jahren wieder räumen müssen. Immer größere Kritik an seiner Amtsführung und vor allem ein Uhren-Geschenk des umstrittenen ukrainischen Funktionärskollegen Grigori Surkis sorgten für sein Aus.

Acht Tage später waren auch die Posten in den Führungszirkeln bei UEFA und FIFA verloren. Beim Fußball-Kontinentalverband war er als zuständiger Mann für gute Unternehmensführung für eine verbissene Haltung gegen jedes moralische Fehlverhalten bekannt. Umso erstaunlicher, dass Grindel über solch ein Fehlverhalten stürzte.

Als DFB-Chef war Grindel förmlich überall. Und das in einer bewegten Zeit. Er duellierte sich mit FIFA-Präsident Gianni Infantino und schüttelte Hände auf vielen Dorfsportplätzen. Er verlängerte den Vertrag mit Bundestrainer Joachim Löw kurz vor dem WM-Desaster 2018 und versuchte sich im ZDF-Sportstudio als Erklärer des Videobeweises. Er machte alles irgendwie zur Chefsache, verzettelte sich und machte sich angreifbar - ganz unabhängig von dem komplett missglückten Krisenmanagement in der Affäre um die Erdogan-Fotos von Mesut Özil und Ilkay Gündogan.

Nach seinem Rücktritt hat sich Grindel zurückgehalten. Der frühere TV-Journalist mied die Öffentlichkeit. Doch zwischen den Zeilen ist auch heute noch aus seinen Worten eine Mischung aus Selbsterkenntnis und Frust zu lesen. "Dass ich wegen eines solchen Vorgangs öffentlich so da stehe, macht mich fassungslos und traurig", hatte Grindel schon in seiner Rücktrittsrede vor einem Jahr gesagt.

Anderen deutschen Fußball-Größen konnten pikante Uhren-Geschenke außer Ungemach mit dem Zoll nichts anhaben. Zur UEFA-Exekutive gehört im Katarer Nasser Al-Khelaifi heute ein Mitglied, gegen den staatliche Ermittlungen laufen. Gegen Grindel wurde nicht einmal ein Verfahren der Ethikinstitutionen des Fußballs eröffnet.

Dass die Indiskretionen gegen Grindel über die nicht unrechtmäßigen aber unmoralisch wirkenden fünfstelligen Aufwandsentschädigungen genau wie die Info über das letztlich fatale Uhren-Geschenk aus dem inneren Machtzirkel des DFB gekommen sein müssen, erscheint logisch.

Der Krisengewinner der Sommermärchen-Affäre, der beherzt zur Macht griff, als nach dem Rücktritt von Verbandschef Wolfgang Niersbach im Herbst 2015 der DFB mächtig in Schieflage geraten war, hatte übersehen, dass es im großen Fußball noch schmutziger zugehen kann als in der großen Politik. Eitelkeiten, Pfründe und viel, viel Geld. Grindel trat auf zu viele Füße und hatte als Quereinsteiger und Schatzmeister weder Stallgeruch noch Instinkt für einen nötigen Interessenausgleich.

Die Arbeit seines Nachfolgers Fritz Keller, der unter anderem von seinen ehemaligen Vizepräsidenten Rainer Koch und Reinhard Rauball zur Wahl auserkoren wurde, beurteilt Grindel öffentlich nicht. Kontakt habe er noch zu UEFA-Präsident Aleksander Ceferin, DFB-Generalsekretär Friedrich Curtius sowie zu einigen Präsidenten der 21 DFB-Landesverbände. "Wenn ich um Rat gefragt werde, gebe ich ihn gerne, aber intern und nicht über die Zeitung", betonte Grindel. Stolz empfinde er, dass in seiner Amtszeit die EM 2024 nach Deutschland geholt und wichtige Sponsorenverträge verlängert wurden.

Dass der Jahrestag des Rücktritts in die Zeit der Corona-Pandemie fällt, relativiert viele negative Erinnerungen. Zum Grübeln über Vergangenes ist es nicht die richtige Zeit. Der Verband müsse "Rahmenbedingungen schaffen, damit die ehrenamtliche Arbeit vor Ort nach der Krise eine gute Zukunft hat", fordert Grindel.

Er selbst orientiert sich nun auch neu. "Nach einer intensiven und für mich wichtigen Familienphase werde ich im Sommer über meine berufliche Perspektive entscheiden", sagte Grindel. Spitzenfunktionär im Verband kann er nicht mehr sein, da gibt es keinen Weg zurück. Aber es gäbe mehrere Optionen, einige auch abseits des Sports.

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