Fußball-Profis trainieren öfter mal mit dem Nachwuchs des Vereins. Meist mit den älteren Jahrgängen, die die Trainingsgruppe auffüllen, wenn wegen Verletzungen oder Länderspielen Profis fehlen. Oft aber auch, um den jungen Fußballern eine Perspektive aufzuzeigen: Sie können es zu den Profis schaffen, können den Traum verwirklichen, den so viele andere Jugendliche träumen. Christian Brand drehte dieses Prinzip neulich um. Der Trainer von Jahn Regensburg ließ seine Profis mit der D-Jugend des Vereins trainieren, mit Kindern um die elf Jahre alt. Damit diese den Erwachsenen eine Perspektive aufzeigen: "Dass man als Fußballer nicht nur sich selbst gegenüber eine Verantwortung hat", sagt Brand. Sondern auch seinem Berufsstand, seinem Verein und dessen Nachwuchs gegenüber. Nur wer das verinnerliche, könne die Haltung aufbringen, die es in dem fast perspektivlosen Abstiegskampf des Jahns in der dritten Liga braucht.
"In den Gesichtern dieser Kinder lag so viel Freude", sagt Brand. Sie hätten beim Training mit den Profis viel Spaß gehabt, viel Positives ausgestrahlt, für sie sind die Fußballer des Jahn Vorbilder, weil sie zu den 56 besten Mannschaften Deutschlands zählen - noch. Einen kurzfristigen Effekt hatte das Kinder-Training für Regensburgs Profis, sie gewannen danach zu Hause gegen Rot Weiß Erfurt. Doch durch die Niederlage bei Holstein Kiel am vergangenen Spieltag weist der Jahn inzwischen neun Punkte Rückstand auf die Nichtabstiegsplätze auf, steht seit Anfang November am Tabellenende. "Trotzdem ist die Gesamtkonstellation eine große Chance für uns, wir haben es immer noch selbst in der Hand", sagt Brand.
Damit spielt er auch auf mögliche Lizenz- oder Punktabzüge für Konkurrenten im Abstiegskampf an. Denn diese Szenarien gehören für ihn nicht zur Gesamtkonstellation, an Entscheidungen am grünen Tisch verschwende er keinen Gedanken, sagt er. Es gehöre für ihn nicht zum Selbstverständnis eines Sportlers, aus der Not anderer einen Nutzen zu ziehen. Regensburgs Trainer will den Klassenerhalt aus eigener Kraft schaffen, "auf Teufel komm raus". Auch mit der Regionalliga beschäftigt er sich nicht, sagt er.
Zwei Niederlagen noch, "dann war's das wohl", sagt Brand
Acht Spiele stehen noch aus, will der Jahn wirklich aus eigener Kraft in der Liga bleiben, muss er sie wohl alle gewinnen. In dieser Phase "entscheiden nur zu 20 bis 30 Prozent taktisch-technische Dinge. Viel wichtiger ist das Mentale, das Gefühl von Freiheit." Deswegen will Brand den Druck von seinen Spielern nehmen, hat ihnen nach der Rückkehr aus Kiel eineinhalb Tage frei gegeben, ihnen klar gemacht, dass sie sich in den Trainingseinheiten der anstehenden Länderspiel-Pause Selbstvertrauen über Zweikämpfe und Spielformen holen sollen. Er hat keine besonderen Maßnahmen angeordnet, will normal trainieren lassen und im Wettkampf-Rhythmus bleiben. Deswegen reist der Jahn für ein Testspiel am Freitag zum österreichischen Bundesligisten SV Ried.
Mut macht dem Trainer die aktuelle Bilanz. Mit drei Siegen, einem Unentschieden und vier Niederlagen im neuen Jahr "würden wir normalerweise um den zehnten Platz spielen". Beim Jahn ist aber durch zwei Trainerwechsel, den Austausch der fast kompletten Mannschaft und dem sportlichen Absturz lange nichts mehr normal. "Wir müssen die Bürde aus dem Vorjahr aus den Köpfen kriegen", sagt Brand. Der Jahn steht daher vor drei richtungsweisenden Wochen. Nach der Länderspiel-Pause empfangen die Oberpfälzer in zwei Heimspielen nacheinander erst den SV Wehen Wiesbaden, dann den VfL Osnabrück. "Diese Spiele entscheiden, wo unsere Reise hingeht", sagt Brand. "Verlieren wir beide und unsere Konkurrenten gewinnen, war's das für uns wohl."
In vier Wochen veranstaltet der Jahn übrigens einen Sichtungstag, sucht unter Neun- und Achtjährigen nach den größten Fußballtalenten Ostbayerns. Er will ihnen auch eine Perspektive bieten. Als einer der besten 56 Vereine Deutschlands - auch langfristig.