Süddeutsche Zeitung

3. Liga:Gemeinsam ohne Trainer

Der Drittligist Türkgücü München entlässt nach einer Niederlagenserie wenig überraschend Chefcoach Peter Hyballa. Geschäftsführer Max Kothny appelliert nun an den Zusammenhalt im Team.

Von Christoph Leischwitz

Die vierte Cheftrainer-Verabschiedung bei Türkgücü München binnen eineinhalb Jahren kam wenig überraschend, man musste auch nicht lange nach Gründen suchen für den Rauswurf von Peter Hyballa. Schon in seiner ersten Pressekonferenz für den Münchner Drittligisten hatte der Neue klargemacht, dass er genau wisse, wie sehr man beim Durchstarterklub am Erfolg gemessen werde. Neben ihm saß Geschäftsführer Max Kothny und bestätigte: Der Trainer wird am Erfolg gemessen, ganz klar. Es ging bei Türkgücü noch nie um etwas anderes als den Aufstieg, seit Hasan Kivran 2015 Präsident wurde. Und als Hyballa dann am vergangenen Samstag nach der 0:2-Niederlage bei Eintracht Braunschweig als Ziel, jawohl: den Klassenverbleib ausrief und er auf die Frage, wie lange er wohl noch Trainer sei, "ist mir egal" antwortete, war klar, dass sein Rauswurf bevorstand. Am Dienstag wurde es offiziell: Hyballa ist erstaunlich schnell gescheitert.

Wieder einmal, könnte man sagen. Bei seiner vorigen Station, dem dänischen Zweitligisten Esbjerg FB, war sogar noch schneller Schluss, nach vier Partien und einer Menge Ärger mit den Spielern. Diesmal waren es immerhin acht Pflichtpartien. In der dritten Liga hatte der 45-Jährige zweimal knapp gewonnen und fünfmal verloren, im Verbandspokal schied Türkgücü beim Viertligisten Aubstadt aus. Am Montagabend sei die Entscheidung gefallen, erklärt Kothny auf Nachfrage, am Dienstagvormittag verabschiedete sich Hyballa von der Mannschaft. Die Co-Trainer Alper Kayabunar und Nicolas Masetzky übernehmen nun interimsweise. Die Frage ist allerdings, ob Hyballa überhaupt eine faire Chance hatte auf Erfolg.

Die Spieler von Türkgücü sind dafür bekannt, bei Rückstand nicht viel Gegenwehr zu zeigen

Reiner Maurers Vertrag war nicht verlängert worden, obwohl der Verein vergangenes Jahr in der Corona-Pause als Regionalliga-Spitzenreiter aufstieg. Alexander Schmidt wurde im vergangenen Februar beurlaubt, als der Verein auf Tabellenplatz sieben stand. Petr Ruman musste gehen, da war Türkgücü Zehnter. Jetzt steht die Mannschaft auf dem 16. Platz, ganz knapp vor den Abstiegsrängen. Es ist also ein klarer Abwärtstrend erkennbar, der durch keinen Trainerwechsel aufgehalten werden konnte - und ergo kaum durch die Leistung eines einzelnen Trainers zu erklären ist.

Spricht man mit Fußballern, die im Laufe der Saison gegen Türkgücü gespielt haben, wird vor allem eines deutlich: Die Mannschaft ist in der Liga dafür bekannt, nicht viel Gegenwehr zu zeigen, wenn sie erst einmal in Rückstand gerät. Ein Spieler sagt, auf dem Platz wirke es so, als wäre in einer misslichen Lage jeder mit sich selbst beschäftigt. Umso bemerkenswerter war es, dass sich Hyballa trotz teils schwacher Leistungen immer wieder vor die Mannschaft stellte. Dabei gilt der Deutsch-Niederländer als Schleifer, der dem Vernehmen nach angesichts seines harten Trainingsstils und der Tabellensituation auch mit manchem Fußballer aneinandergeraten sein soll - aber auch das wäre angesichts der Schere zwischen Anspruch und Realität keine große Überraschung.

Dass nur der Trainer gehen muss, ist ein Vertrauensbeweis für Geschäftsführer Max Kothny und Kaderplaner Roman Plesche

Dass Hyballa nun gehen muss, ist deshalb auch ein Vertrauensbeweis des Präsidenten Kivran an die sportliche Leitung: Geschäftsführer Kothny und Kaderplaner Roman Plesche stehen offenbar weiter nicht in der Kritik. Kothny ist im Gegenteil derjenige, der in der offiziellen Verlautbarung eine Kampfansage macht: "An dieser Stelle appelliere ich auch an die Mannschaft und das gesamte Umfeld des Vereins: Wir müssen uns GEMEINSAM der Brisanz der aktuellen sportlichen Situation bewusst sein und auch GEMEINSAM eine Reaktion zeigen, uns herauskämpfen und wieder Punkte holen." Auf Nachfrage versicherte der 24-Jährige, auch selbstkritisch zu sein: "Natürlich will ich dazulernen. Wenn ich alles richtig gemacht hätte, würden wir jetzt sicher nicht auf Rang 16 stehen." Man wolle nun vor allem den Teamgeist groß schreiben.

Überraschender als die Tatsache, dass Hyballa nicht mehr Trainer ist, ist die Tatsache, dass kein Nachfolger feststeht. Das war bei der jüngsten Trainerentlassung schneller gegangen. Kandidaten habe es am Dienstagabend noch nicht gegeben, sagte Kothny, denn die Entscheidung sei vergleichsweise spontan gefallen.

Am kommenden Montag empfängt Türkgücü im Olympiastadion den FSV Zwickau. Die entscheidende Frage, die man sich gestellt habe, war: "Können wir mit Peter Hyballa gegen Zwickau gewinnen?", sagte Kothny. Die Antwort sei negativ ausgefallen. "In den kommenden Tagen werden wir uns intensive Gedanken über die Marschroute der anstehenden Wochen und Monate machen, um so einen geeigneten Nachfolger präsentieren zu können", teilte der Geschäftsführer in der Erklärung mit. Das klang tatsächlich fast so, als wolle man zumindest einmal darüber nachdenken, sich selbst zu hinterfragen.

Bestens informiert mit SZ Plus – 4 Wochen kostenlos zur Probe lesen. Jetzt bestellen unter: www.sz.de/szplus-testen

URL:
www.sz.de/1.5471607
Copyright:
Süddeutsche Zeitung Digitale Medien GmbH / Süddeutsche Zeitung GmbH
Quelle:
SZ/sewi/toe/lib/and
Jegliche Veröffentlichung und nicht-private Nutzung exklusiv über Süddeutsche Zeitung Content. Bitte senden Sie Ihre Nutzungsanfrage an syndication@sueddeutsche.de.