Süddeutsche Zeitung

3. Liga mit Elversberg:Fußballverrückt im Idyll

Die SV Elversberg wollte als Aufsteiger eigentlich nur die Klasse halten. Doch nun hat der souveräne Drittliga-Führende aus dem 13 000-Einwohner-Ort beste Chancen, die ewige saarlandfreie Zeit in der zweiten Liga zu beenden.

Von Ulrich Hartmann

Es geht ja nicht nur um Elversberg. Es geht auch ums ganze Saarland. "Das Saarland", sagt Nils-Ole Book, "war schon immer fußballverrückt." Der Sportdirektor der SV Elversberg weiß das, obwohl er aus dem Münsterland kommt und noch ein Kind war, als das Saarland letztmals in der Bundesliga spielte. Als ehemaliger Profifußballer bei LR Ahlen, dem MSV Duisburg und der SV Wehen Wiesbaden kann der 36-Jährige Euphorie aber ganz gut einschätzen und erlebt sie nun besonders intensiv als Manager in Elversberg.

Nach fast 17 Jahren, in denen keine saarländische Mannschaft mehr in der ersten oder zweiten Bundesliga vertreten war, setzt die dritte Liga am Wochenende ihre Saison fort mit dem Tabellenführer SV Elversberg und dem Zweiten 1. FC Saarbrücken. Elversberg hat acht Punkte Vorsprung und ist damit die Nummer eins des Bundeslandes. Die ehemaligen Größen, der FC 08 Homburg (Regionalliga) und Borussia Neunkirchen (sechste Liga), sind abgeschlagen. Das kleine Elversberg, einer von zwei Ortsteilen der 13 000-Einwohner-Gemeinde Spiesen-Elversberg, schickt sich also an, die Ehre des ehemals stolzen Fußballstandortes zu retten.

Als 1963 die Bundesliga gegründet wurde, war das Saarland noch ein relevanter Bestandteil. Saarbrücken als Gründungsmitglied, danach Neunkirchen und später Homburg vertraten es. Doch 1993 stieg Saarbrücken letztmals aus der höchsten Klasse ab und 2006 letztmals aus der zweiten Liga. Seitdem sind die beiden höchsten Spielklassen saarlandfrei. Das könnte sich bald ändern.

Elversberg bekommt es an den nächsten Spieltagen mit den drei ärgsten Verfolgern zu tun

"Unser Erfolg hat große Bedeutung für die Stadt und die Region", sagt Book. In der Winterpause vor einem Jahr stand Elversberg noch auf dem vierten Platz der Regionalliga Südwest, im Sommer feierte man den Aufstieg und jetzt ist der Klub, als Aufsteiger eigentlich bloß mit dem Ziel Klassenverbleib in die Saison gestartet, sogar Tabellenführer.

Wichtige Spieler sind der Torjäger Luca Schnellbacher (einst A-Jugend Eintracht Frankfurt), Flügelstürmer Jannik Rochelt (von 2019 bis 2021 beim FC Bayern II), Abwehrmann Robin Fellhauer (vorher SC Freiburg II) - oder auch Mittelfeldspieler Thore Jacobsen (vorher Werder Bremen II). Für manchen Ehemaligen aus der Zweitvertretung eines Bundesligaklubs entpuppt sich Elversberg gerade als idyllische Alternativroute in höhere Etagen.

Die WM-bedingte lange Winterpause kam ihnen nicht gelegen. Jetzt müssen sie zurückfinden in die Form. Dazu bekommen sie es an den nächsten vier Spieltagen sogleich mit den drei ärgsten Verfolgern zu tun: am Samstag auswärts mit dem Dritten Wehen Wiesbaden, eine Woche später daheim mit dem Vierten FC Ingolstadt und zwei Wochen darauf auswärts mit dem Zweiten Saarbrücken.

"Ich hoffe, dass die Jungs schnell wieder in die Spur finden", sagt der Trainer Horst Steffen. Er ist der Vater des Erfolgs. Der 53 Jahre alte Krefelder ist über die Trainerstationen Borussia Mönchengladbach (A-Jugend), Stuttgarter Kickers, Preußen Münster und Chemnitzer FC nach Elversberg gekommen. Die vergangenen zwei Engagements dauerten nur wenige Monate, aber in Elversberg ist er nun schon im fünften Jahr. Es passt. Sportchef Book sagt: "Unser Erfolg ist geprägt von kontinuierlicher Arbeit, einer ruhigen Atmosphäre und großem Zusammenhalt." In dem Städtchen 15 Kilometer nordöstlich der Landeshauptstadt Saarbrücken lässt es sich weitgehend unbehelligt arbeiten, mit der maßgeblichen finanziellen Unterstützung des Saarbrücker Unternehmens Ursapharm des früheren Fußballprofis Frank Holzer. Der 69-Jährige ist bei der SV Elversberg Vorsitzender des Aufsichtsrats. Sein Sohn Dominik, 40, ist der Präsident.

Mit der Qualität des Fußballs in Elversberg wachsen auch die Zuschauerzahlen

Dass Elversberg in seiner zweiten Drittliga-Saison (nach 2013/2014) mit 41 Zählern an den ersten 17 Spieltagen so viele Punkte erspielt hat wie nie zuvor ein Team in dieser Liga, liegt auch daran, dass der Trainer eine Mannschaft kontinuierlich entwickeln konnte. Mehrmals knapp am Aufstieg in die dritte Liga gescheitert zu sein, entpuppt sich jetzt fast schon als Vorteil. Als erst vierter Klub nach RB Leipzig (2014), den Würzburger Kickers (2016) und Jahn Regensburg (2017) könnte Elversberg durch die dritte Liga direkt hindurchrauschen.

"Wir wollen möglichst nahtlos an die Leistungen der Hinserie anknüpfen", sagt der mit neun Treffern beste Drittliga-Torschütze Schnellbacher. "Ich weiß aber, dass es auch schnell in die andere Richtung gehen kann, wenn man mal drei Spiele nicht erfolgreich ist - das wollen wir unbedingt vermeiden." Auch der Trainer Steffen weiß um die vielfältigen Gefahren, die in den verbleibenden 21 Partien noch lauern. "Wichtig ist, dass wir dauerhaft eine hohe Intensität in unserem Spiel haben", sagt er. "Die Jungs sollen wissen, dass ich ganz genau hinschaue, kritisch bleibe und keine Ruhe gebe; jeder soll sich weiter verbessern."

Derweil wachsen mit der Qualität des Fußballs in Elversberg auch die Zuschauerzahlen. Im Schnitt kommen 4800 pro Heimspiel, das sind zwar weniger als die gut 9000, die regelmäßig nach Saarbrücken gehen - aber für Elversberg, das lange im Schatten der Traditionsvereine stand, ein Erfolg. "Ich habe zwar keine repräsentative Umfrage gemacht", witzelt Sportchef Book, "aber ich habe das Gefühl, dass der Stolz schon relativ groß ist in unserer kleinen Stadt." Denn auch wenn es darum geht, das Saarland wieder in den beiden höchsten Spielklassen zu repräsentieren: Zuallererst geht es natürlich mal um Elversberg.

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