Fußball:Draxler in der Sackgasse

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Musste angeblich zum "Rapport": Julian Draxler, der vergangene Saison für fünf Jahre in Wolfsburg unterschrieb, forcierte offensiv seinen Wunsch, wieder gehen zu wollen. (Foto: dpa)

Der Fall Julian Draxler ist für die Bundesliga zu einer Frage der Ehre geworden. Viele Manager zeigen sich solidarisch mit dem VfL Wolfsburg - auch der FC Bayern.

Von Javier Cáceres, Berlin

Am Donnerstagvormittag ist der VfL Wolfsburg nach Schweden aufgebrochen, am Abend stand dort ein Testspiel beim schwedischen Erstligisten Malmö FF an. Beim Check-in am Flughafen fehlte der Mann, um den sich beim VfL im Moment alles dreht: der abwanderungswillige deutsche Nationalspieler Julian Draxler.

Da er ohnehin noch Trainingsrückstand habe und zudem die Patellasehne zwicke, solle er in Wolfsburg individuell trainieren, hieß es einerseits; andererseits trafen sich die Umstände auch ganz gut. Denn der Gesprächsbedarf der Wolfsburger Funktionäre nach dem Aufsehen erregenden Interview vom Mittwoch, in dem Draxler den Anspruch formulierte, Wolfsburg Adieu zu sagen, war noch nicht gesättigt.

"Bei mir ist es so, dass ich mich nach der EM gegenüber Trainer Dieter Hecking klar geäußert habe, dass ich den VfL Wolfsburg verlassen möchte", hatte Draxler der Bild -Zeitung gesagt und sich damit einen Termin bei dem starken Mann des VfL eingehandelt: Francisco Javier García Sanz, Aufsichtsratsvorsitzender der VfL Wolfsburg-Fußball GmbH und vor allem Vorstandsmitglied der Volkswagen AG.

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War es ein "Rapport"?

Wie der VfL Wolfsburg bestätigte, nahm auch Manager Klaus Allofs an dem Gespräch teil, ehe er gemeinsam mit Draxler nach Malmö nachreiste. Von einem "Rapport" war umgehend die Rede, und auch wenn das beim VfL relativiert wurde, darf wohl davon ausgegangen werden, dass Draxlers mediale Offensive deutlich missbilligt wurde. Schon ein Artikel im Spiegel, der während der EM erschienen war, hatte in Wolfsburg für massive Verärgerung gesorgt, Draxler hatte da unter anderem erklärt, das Beste an Wolfsburg sei die ICE-Strecke nach Berlin.

Nun hat auch die VW-Vorstandsetage ein paar Dinge fabriziert, die der Außendarstellung des Konzerns und der Stadt Wolfsburg eher abträglich waren, es gab Fälle von Industriespionage, Schmiergeldzahlungen, Lustreisen für Betriebsräte oder frisierte Abgaswerte. Umso willkommener dürften Anlässe sein, bei denen man publikumswirksam klare Kante zeigen kann - so wie jetzt bei einem 22-jährigen Fußballer, der vor einem Jahr einen gut dotierten Fünfjahres-Vertrag unterschrieben hatte und sich nun in die Rolle eines verwöhnten, undankbaren, wortbrüchigen Schnösels in der Sackgasse manövriert hat.

Am Mittwochabend hatte der VfL sehr eindeutig auf Draxlers Rebellionsversuch geantwortet: "Der VfL Wolfsburg wird Julian Draxler in der aktuellen Transferperiode nicht transferieren", hieß es in einer Mitteilung. Bestritten wurde darin auch Draxlers Behauptung, er habe die Zusage erhalten, bei einem lukrativen Angebot den Verein sozusagen zu jedem Zeitpunkt verlassen zu dürfen: "Dies unterstreicht auch eine bei Vertragsschluss gemeinschaftlich mit Julian Draxler und seinem Management festgelegte Ausstiegsklausel, die erstmals im Sommer 2017 Wirksamkeit erlangen wird."

Sie liegt, wie in Wolfsburg zu hören ist, sogar über der 75-Millionen-Euro-Marke, die in Bild genannt wurde; Insider halten die Summe, mit der die Wolfsburger Allgemeine aufwartete, für realistisch: 100 Millionen. Wohlgemerkt: Es wäre die Summe, für die Draxler 2017 die Freiheit hätte zu wechseln. In diesem Sommer wäre ergo ein Betrag fällig, der obszön genug wäre, um die VW-Konzernspitze im Falle einer Ablehnung in den Verdacht des geschäftsschädigenden Verhaltens zu bringen.

Zudem ist der Fall Draxler zu einer Frage der Ehre für die Liga geworden. Zahlreiche Manager haben sich mit dem VfL und Allofs solidarisiert, etwa Bayern-Chef Karl-Heinz Rummenigge ("man muss Spieler hin und wieder daran erinnern, dass es nicht nur Rechte, sondern auch Pflichten gibt").

Mit anderen Worten: Draxler und Wolfsburg müssen sich wohl darauf einstellen, eine Saison miteinander weiterzuarbeiten. Daher ging Vorstand García Sanz auch nicht vollends auf Konfrontation, sondern versicherte dem Profi, wie sehr sein Talent geschätzt werde. Auch Trainer Hecking fand versöhnliche Töne. "Wir hatten ein vernünftiges und konstruktives Gespräch, auch von Julians Seite. Das muss man betonen, dass er dieses Gespräch wirklich professionell geführt hat. Wir erwarten, dass er zur Professionalität zurückkehrt", sagte Hecking bei Sky.

© SZ vom 05.08.2016 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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