Fußball-Dramolett:"Sicherlich, ich bin ein Unterschreiber!"

Jahresrückblick 2015 - WM 2006 in Deutschland

Die Tatort-Kommissare hätten ein paar Fragen: Blatter (links) und Beckenbauer

(Foto: dpa)

Wie kam das Sommermärchen nach Deutschland? Franz Beckenbauer kann sich schlecht erinnern - und Sepp Blatter denkt nur an seine Unsterblichkeit. Eine satirische "Tatort"-Folge aus gegebenem Anlass.

Von Thomas Hahn

Die Beckenbauer-Villa bei Salzburg. Der gesperrte Fifa-Präsident Sepp Blatter ist zu Besuch. Er hat einen gewissen Redebedarf. Franz Beckenbauer sitzt neben ihm. Man weiß nicht, ob er zuhört oder weghört.

Blatter: . . . und dann hab' ich zur Angela Merkel gesagt, Angela, hab' ich gesagt, wenn der Lennart Johansson einen Bundesverdienstkreuz bekommt, will ich auch einen. Wo kämen wir denn da hin?

Beckenbauer: Ja gut. Wohin?

Blatter: Und dann hab' ich ihr noch gesagt: Angela, du bist so gemein, oder? Ich meine, was war der Lennart Johansson denn? Ein Regionalfußball-Chef war er. Ein schwedischer noch dazu. Uefa-Präsident hätt' ich fünf Mal werden können, wenn ich gewollt hätte. Dafür brauch' ich keinen Bundesverdienstkreuz. Aber ich bin ja der Fifa-Präsident, also praktisch ein König über die ganze Welt. Da muss es dem Bundesverdienstkreuz doch eine Ehre sein, mich auszuzeichnen.

Beckenbauer: Ja gut, schau'n mer mal.

Blatter: Da hat sie aber geschluckt, die Angela, und dann hat sie natürlich so einen Kreuz rausgerückt. Ja. Das ist es eben. Bescheidenheit ist gut, aber man darf es nicht übertreiben damit.

Beckenbauer: Ja gut, sicherlich . . .

Blatter: Und deshalb sag' ich auch, diesen Dings, diesen Friedensnobelpreis, den hol' ich mir auch noch, das wäre ja noch schöner. Stell dir das vor, den hat im vergangenen Jahr ein Kind gewonnen. Ein Kind! Aus Pakistan! Und dieses Jahr so eine tunesische Gang für Meinungsvielfalt. Seit wann bekommt man einen Friedensnobelpreis für Meinungsvielfalt? Frieden hast du doch bloß, wenn es nur eine Meinung gibt!

Beckenbauer: Ja gut . . .

Es klingelt.

Beckenbauer: Ja, was ist denn des? (öffnet die Tür)

Leitmayr: Grüß Gott, Leitmayr, Kripo München. Mein Kollege Batic. Herr Beckenbauer?

Beckenbauer: Ja gut, äh, sicherlich.

Leitmayr: Können wir kurz reinkommen? Wir hätten ein paar Fragen.

Beckenbauer: Ja gut, ich hab' doch der Süddeutschen schon alles gesagt.

Batic: Es dauert nicht lange.

Beckenbauer: Ja gut. Mei.

Leitmayr: Sie haben Besuch?

Beckenbauer: Ja gut, das ist der Sepp.

Blatter: Joseph S. Blatter, Fifa-Präsident, König, Religionsführer.

Beckenbauer: Aber g'sperrt isser.

Blatter: Sperren können die mich gar nicht! Keiner sperrt den Fußballgott!

Batic: Schönes Anwesen haben Sie hier. Nicht ganz billig, stimmt's?

Beckenbauer: Ja gut, äh . . .

Blatter: Sie sollten mal meines sehen!

"Mei. Wir haben so eine Gaudi gehabt da"

Leitmayr: Was machen Sie beruflich, Herr Beckenbauer?

Beckenbauer: Ja gut, dies und das. Ich berate. Ich gewinne Weltmeisterschaften. Ich kommentiere. Ich unterschreibe.

Leitmayr: Was unterschreiben'S denn so?

Beckenbauer: Ja gut, das ist ein weites Feld. Zu unterschreiben gibt's immer was.

Es klingelt.

Beckenbauer: Entschuldigung (öffnet).

Lieferant: Grüß Gott. Ihre Hosen wär'n da.

Beckenbauer: Ja gut, äh. Hosen?!

Lieferant: Fünf Mal 10 000 Stück Feinripp Spezial, Modell . . . äh (er liest) Nachtschwärmer. Gesäßverstärkt, extraweiche Einstiegsleiste, wattierter Frontschlitz. Sie sind doch Beckenbauer, Franz, oder?

Beckenbauer: Ja gut, schon, aber . . .

Lieferant: Und das ist doch Ihre Unterschrift hier (zeigt einen Vertrag).

Beckenbauer: Ja gut. Aber die Menge überrascht doch.

Lieferant: Das kann schon mal passieren. Macht 49 999,99 Euro bittschön. Inklusive Rabatt. Bar? Karte?

Beckenbauer: Moment (nimmt sein Handy, wählt). Fedor? . . . Servus . . . Du . . . hier ist ein freundlicher Herr. Bringst du mir für den bittschön 55 000 Euro? Danke (legt auf). Kommt gleich.

Beckenbauer geht zurück ins Haus. Blatter redet. Man weiß nicht genau, ob Leitmayr und Batic zuhören oder weghören.

Blatter: . . . der Gründungsmythos der Bundesrepublik Deutschland geht auf die Fußball-WM 2006 zurück, die ich damals statt an Südafrika an Deutschland vergeben hab'. Folgerichtig bekam ich anschließend den Bundesverdienstkreuz.

Beckenbauer: So, Herrschaften. Jetzt hammer's. Wollt's noch was von mir?

Blatter: Meine Verdienste sind unbestritten. Meine Unsterblichkeit übrigens auch.

Batic: Herr Beckenbauer, entschuldigen Sie die indiskrete Frage. Hatten Sie je Kontakt zu einer terroristischen Vereinigung.

Beckenbauer: Ja gut. Nicht dass ich wüsste.

Leitmayr: Aber Sie haben doch mal zu einem Terror-Akt aufgerufen.

Beckenbauer: Ja gut, da ging's ums Münchner Olympiastadion. Da hab' ich wohl mal gesagt, irgendein Terrorist wird sich schon finden, dass er das in die Luft sprengt. Ja. Gut. Was man halt so sagt als Kaiser. He, he. Schnee von gestern. Außerdem hat sich dann kein Terrorist gefunden. Leider.

Batic: Wirklich nicht? Kennen Sie diesen Mann? (zeigt ihm ein Foto).

Beckenbauer: Nie gesehen. Ehrenwort. Warten'S. Doch. Des ist doch der Coffee.

Blatter: Sie könnten mich jetzt auch mal wieder etwas fragen.

Leitmayr: Das ist Hassan Sindbad bin- Kofajani al-Haruf, auch genannt der katarische Elefant. Wegen seiner Herkunft und Körperfülle.

Blatter: Ich bin immerhin Fifa-Präsident, ein Oberhaupt, ein Gigant.

Beckenbauer: Sag' ich doch, der Coffee. Ja gut, der Coffee, das ist ja ein Adliger, ein nahöstliches Blaublut, ein Scheich, wie er im Buche steht. Der Coffee, mein Gott. So ein freundlicher, patenter Mensch, irgendwie - wie soll ich sagen . . . vertrauenswürdig. Wennst zu dem kommst, ist überall Gold, und der hat ein Schloss mit tausend Zimmern. Und im Keller, da hat er ein Schwimmbad für Krokodile. Mei. Wir haben so eine Gaudi gehabt da. Ist irgendwas mit dem Coffee?

Leitmayr: Haben Sie mit Herrn al-Haruf auch Geschäfte gemacht?

Beckenbauer: Ja gut. Im Land vom Coffee, da bezahlst du ja alles nur mit Kamelen. Wennst keine Kamele dabei hast, kannst praktisch keine Geschäfte machen. Ohne Kamel kannst nicht mal ein Duplo kriegen beim Coffee.

Batic: In diesem Vertrag hier geht's allerdings nicht um Kamele (legt ein Schriftstück auf den Tisch).

Blatter: Ich bin der Anfang des Spiels, der Tore, der Weltmeister.

Beckenbauer: Ja gut. Was hat das mit mir zu tun?

"Danke mir. Bete mich an"

Blatter: Auch dein Mythos, Franz, ist mein Geschöpf. Danke mir. Bete mich an.

Leitmayr: Das würden wir gerne von Ihnen wissen, Herr Beckenbauer.

Batic: Ihre Fingerabdrücke sind auf dem Vertrag. Und Ihre Unterschrift ist es im Übrigen auch.

Leitmayr: Herr Beckenbauer, wo waren Sie am 24. September 2005 zwischen 13 und 15 Uhr?

Beckenbauer: Ja gut, ich bin 70 Jahre alt. Mein Gedächtnis ist nicht mehr das beste. Aber ich glaube, ich war in München. Im "Vier Jahreszeiten".

Batic: Zeugen?

Beckenbauer: Ja gut, sicherlich. Der Coffee war da. Und der Fedor auch. Der Fedor Radmann, mein Berater, mein Freund, mein Gewissen, ein unglaublich freundlicher, patenter Mensch - außerdem vertrauenswürdig. Wir haben ein bisserl was gegessen und getrunken. Wir haben über die WM in Deutschland geratscht. Ja gut. Und vielleicht hammer auch ein bisserl was unterschrieben.

Leitmayr: Vielleicht auch diesen Vertrag, der festlegt, dass 6,7 Millionen Euro vom Deutschen Fußball-Bund an ein mysteriöses Unternehmen auf den Cayman Inseln mit dem Kürzel IS fließen? Reden Sie endlich, Herr Beckenbauer! Wen hat das WM-Organisationskomitee unterstützt?!

Beckenbauer: Ja gut, das schaut alles ein bisserl blöd aus jetzt. Da habt's Ihr recht. Ich möchte mit meinem Fedor sprechen.

Batic: Bitte.

Beckenbauer: (nimmt sein Handy, wählt) Fedor . . . Servus . . . Ich noch mal . . . Du, hier sind zwei sehr freundliche Herren von der Polizei . . . Die zeigen mir diesen Vertrag, den wir damals mit dem Coffee . . . Ja, genau . . . Keine Ahnung, wo die den her haben . . . Ja gut, ist doch wurscht, oder? . . . Nicht ganz wurscht, ach so . . . Warum? . . . Will ich nicht wissen, hast recht . . . Ja gut. . . Dann wie immer . . . Reg' dich nicht auf . . . Und kannst du nachher mal vorbeischauen? Im großen Bad tropft schon wieder der Wasserhahn von der Fußdusche. Servus.

Blatter: Manchmal sehe ich die Sonne, und dann denke ich: Sonne, du bist so strahlend und schön wie ich.

Leitmayr: Und?

"Ja gut, IS, International Schuhplattling"

Beckenbauer: Ja gut, äh, das ist ein Vertrag, den kenn' ich schon, aber ich weiß gar nicht, was drinsteht.

Batic: Sie haben diesen Vertrag unterschrieben!

Beckenbauer: Ja gut, ich unterschreibe viel, wenn der Tag lang ist. Was meinen Sie, was ich in meinem Leben schon alles unterschrieben habe. Karten, Fußbälle, Trikots, Brüste. Da ist halt dann auch mal ein Vertrag dazwischen. Du hast ja auf dieser Welt so viele Verträge, die ich unterschreiben soll. Wenn ich da alle Verträge lesen würde, dann würd' ich nur noch Verträge lesen. Das macht alles der Fedor für mich. Dem Fedor vertraue ich. Wenn der mir einen Vertrag hinlegt, unterschreib' ich den. Blanko. Ehrensache. Und dem Coffee vertraue ich auch. Das ist ein Freund. Als der sich zum Präsidenten vom IS geputscht hatte, hat der ein Fest gemacht, und da war ich auch eingeladen. Das war einwandfrei. Spitze. Wahnsinn im Grunde.

Leitmayr: Al-Harun ist Präsident des IS?!

Batic: Warum haben Sie das nicht gleich gesagt?!

Beckenbauer: Ja gut, IS, International Schuhplattling, Weltverband für bayerisches Brauchtum. Den Coffee brauchst einfach, wennst eine WM-Eröffnungsfeier in Deutschland machst, weil du ja praktisch keinen Schuhplattler oder Goaßlschnalzer mehr bekommst, der nicht vom Coffee und seinen Leuten in Katar lizenziert ist.

Leitmayr: Ach.

Batic: Wusste ich gar nicht.

Beckenbauer: Ja gut, das ist Fedor- Wissen. Ohne den Fedor würd' ich 80 Prozent weniger Verträge unterschreiben.

Batic: Sie unterschreiben gern, nicht wahr?

Beckenbauer: Ja gut, was heißt gern. Die Leute wollen deine Unterschrift, die lechzen geradezu danach. Diese Autogrammisierung von Prominenz hab' ich mir ja nicht ausgedacht, und irgendwann kannst nicht mehr anders. Wenn du der Fußball-Kaiser bist, die Lichtgestalt, der Weltmeister aller Klassen, dann unterschreibst sogar in deiner Freizeit was, signierst auch mal beim Spazierengehen einen Baum oder was dir sonst so hingehalten wird. Sicherlich, ich bin ein Unterschreiber. Ich unterschreibe schnell und gut. Aber manchmal geht auch was schief. Dann erwischst statt einem Bierfilzl einen Vertrag, und plötzlich bist du statt Fußballer Schlagersänger oder statt Privatier Teamchef. Alles schon vorgekommen.

Leitmayr: Ist diese Unterschreiberei auf Dauer nicht auch sehr teuer?

Beckenbauer: So kann nur einer denken, der kein Geld hat.

Blatter: Ich möchte jetzt auf einer goldenen Sänfte woanders hin getragen werden.

Batic: Wir packen's auch.

Beckenbauer: Herrschaften, es war mir eine Freude. Wenn Ihr wieder mal einen Vertrag von mir habt, kommt's einfach vorbei. Würd' mich fast wundern, wenn da nicht noch ein bisserl was im Umlauf wäre.

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