Fußball:Die Frustration bei 1860 München steigt rasant

TSV 1860 München - 1. FC Heidenheim

Frustrierende Gesamtsituation: 1860-Profis Michael Liendl (links) und Marius Wolf

(Foto: dpa)

Von Markus Schäflein und Philipp Schneider

Die Idee war nicht schlecht. Womöglich war es sogar die beste Idee, die einer der unzähligen Funktionäre beim TSV 1860 München erdachte, seit Hasan Ismaik vor vier Jahren 60 Prozent der Anteile am Klub erstand und ihn so vor der Insolvenz rettete. Die Idee war, dass Ismaik erstmals einen seriösen Repräsentanten in München haben sollte, einen Vertrauten, der glaubwürdig vermitteln konnte zwischen Ismaiks Interessen und denjenigen des Vereins: Im vergangenen Sommer zog Ulrich Bez, der ehemalige Vorstandsvorsitzende des Automobilherstellers Aston Martin, als Stellvertreter Ismaiks ein in die entscheidungsbefugten Gremien der Fußball-KGaA von 1860, in Aufsichtsrat und Beirat.

Dort saß der Unternehmer und Ingenieur allerdings nur bis zu diesem Donnerstag. Nach SZ-Informationen ist Bez von beiden Ämtern zurückgetreten. Offenbar weil er, wie es in solchen Fällen oft heißt, keine Basis für eine vertrauensvolle Zusammenarbeit mit Ismaik mehr sah.

Und das, obwohl sich Bez und Ismaik lange kannten und sich bestens verstanden - bis sie nun in Sachen Sechzig wohl keine gemeinsame Linie mehr fanden.

Nachdem der Jordanier bei seinem letzten Besuch in München vor drei Wochen noch eine durchchoreographierte Image-Kampagne veranstaltet hatte (Besuch in der Arena, Besuch im Grünwalder Stadion, Besuch beim Oberbürgermeister), sind am Mittwoch und Donnerstag die Gespräche mit den Vereinsvertretern eskaliert. Zu einer KGaA-Hauptversammlung, die am Mittwoch vor der 0:2-Niederlage im Pokal gegen den VfL Bochum abgehalten werden sollte, erschien Ismaik schlichtweg nicht. Als sich sein Bruder Abdelrahman Ismaik eine Vollmacht ausstellen lassen wollte, damit die Veranstaltung überhaupt beschlussfähig gewesen wäre, soll Ismaik äußerst ungehalten reagiert haben.

Er befürchtete offenbar, dass die Umwandlung von Darlehen in Genussscheine, die mal wieder zur Verhinderung einer Geldstrafe im mittleren sechsstelligen Bereich durch die Deutsche Fußball-Liga nötig wäre, auf einer Versammlung hinter seinem Rücken vollzogen werden sollte. Bis dahin hatte sich Ismaik nämlich standhaft geweigert, bei diesem Finanztrick, der in den vergangenen Jahren zum Standard bei Sechzig geworden war, erneut mitzuspielen. Er hatte stets dazu gedient, eine strafbare Erhöhung des negativen Eigen- kapitals zu vermeiden.

Der sportliche Absturz ist atemberaubend

Im Zuge der Ernennung von Ulrich Bez zum Aufsichtsrat hatte es im Sommer bei Sechzig weitere Umstrukturierungen gegeben: Noor Basha wurde zum Geschäftsführer befördert, seither rauscht der Klub mit einem Tempo in die sportliche Tiefe, das atemberaubend ist. Aus Ismaiks Sicht war zum damaligen Zeitpunkt der berufliche Aufstieg seines Cousins Basha so etwas wie die letzte Hoffnung, dass er sein Investment 1860 - in das er seit 2011 fast 50 Millionen Euro investiert hat - noch einmal flott bekäme. Ismaik trug daher auch alle folgenden Personalentscheidungen mit, die ihm Basha und die Vereinsvertreter nahegelegt und die ihn viel gekostet haben: Der Vertrag mit Sportchef Poschner wurde aufgelöst, Trainer Fröhling entlassen, Trainer Möhlmann eingestellt und noch Sportdirektor Oliver Kreuzer.

Und als neues Konzept wurde erdacht, künftig verstärkt auf kostengünstige Talente aus dem eigenen Nachwuchs zu setzen. Was auch immer Ismaik also versprochen wurde: Mit Sicherheit ist nahezu das Gegenteil eingetreten. Dass nun Möhlmann und Kreuzer mit gutem Grund auf erfahrene Winterzugänge pochen, um den näher rückenden Abstieg noch irgendwie zu vermeiden, dürfte Ismaik irritieren. "Alle wollen neue Spieler. Nur wissen sie noch nicht, wie das gehen soll", sagte Möhlmann am Donnerstag.

Ismaik soll sehr frustriert sein

Die Lage sei "frustrierend", merkte 1860-Präsident Peter Cassalette an: "Jetzt muss man sehen, wie er darauf reagiert. Ob er frustriert ist und nix macht. Oder ob er frustriert ist und einsieht, dass er was machen muss." Zu diesem Zeitpunkt und auch am Donnerstagnachmittag liefen zwar noch "mehrere Gespräche" zwischen Ismaik und Vereinsvertretern, sagte Cassalette. Aber nach Lage der Dinge war Ismaik bereits so frustriert, dass er beschlossen hatte, nichts mehr zu machen.

Für den Fall, dass Ismaik ohne Investitionsversprechen wieder abreisen sollte, sagte Cassalette noch, habe der Klub glücklicherweise mehrere Pläne zur Auswahl. "Es gibt einen Plan B und es gibt sogar einen Plan C." Worin diese Pläne bestehen sollten, erklärte der Präsident allerdings nicht. Es besteht bei 1860 ja weiterhin die Doktrin, dass es nur mit Ismaik gehe oder ohne ihn, aber nicht gegen ihn. Es ist eine schöne Doktrin. Allein die praktische Umsetzung gestaltet sich schwierig.

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