Süddeutsche Zeitung

Fußball:Die Chinesen kommen

  • Um den Fußball im eigenen Land konkurrenzfähig zu machen, tourt Chinas U 20 durch die deutsche Regionalliga.
  • Drei Regionalligsten treten nicht gegen sie an, unter anderem weil sie sich vom DFB unter Druck gesetzt fühlen.
  • Staatspräsidenten Jinping fördert seinen Lieblingssport seit Jahren massiv. Er will, dass China spätestens 2050 Weltmeister wird.

Von Sebastian Fischer

Das Abenteuer, eines Tages den Weltfußball zu dominieren, beginnt in einem staatlich anerkannten Erholungsort des Freistaates Thüringen. Teistungen, rund 2500 Einwohner, nahe der Grenze zu Niedersachsen: Dort sind am Freitag 30 chinesische Fußballer in ein Vier-Sterne-Hotel auf einem alten Klostergelände eingezogen. 30 Sportler, die bei den Olympischen Spielen in Tokio 2020 ihr Land würdig vertreten sollen und mit denen die glorreiche Zukunft für Chinas Fußball beginnen könnte, geht es nach ihrem Staatspräsidenten Xi Jinping. 30 Fußballer, die vielleicht gar nicht wissen, dass sie damit in Deutschland Protest auslösen.

"Das Thema mit der chinesischen U 20", so hat es DFB-Präsident Reinhard Grindel in dieser Woche gesagt, sei "eine prima Sache". Vom kommenden Samstag an bestreitet die chinesische U 20-Nationalmannschaft nun Woche für Woche jeweils ein Freundschaftsspiel gegen die 16 der 19 Mannschaften aus der Regionalliga Südwest, die im Sommer den Plänen des DFB zugestimmt haben. Die Chinesen spielen außer Konkurrenz gegen den jeweils spielfreien Klub. 15 000 Euro erhält jeder Verein dafür. Der erste Gegner, der TSV Schott Mainz, freut sich schon - vor allem über das Geld. "Wir sind ein kleiner Verein und froh über jede Möglichkeit für Einnahmen", sagt Till Pleuger, der Geschäftsführer des Aufsteigers.

Doch nicht jeder findet das Thema nur prima. Es ist, um genau zu sein, eines der umstrittensten Projekte in der jüngeren Geschichte des deutschen Fußballs.

Drei Regionalligisten haben sich entschieden, nicht gegen die Chinesen anzutreten: Waldhof Mannheim, die Stuttgarter Kickers und TuS Koblenz. Sportliche Argumente hätten dagegen gesprochen. Aber auch andere Gründe spielten eine Rolle, Kritik an der Planung des DFB zum Beispiel. "Wir hatten das Gefühl, dass wir vor vollendete Tatsachen gestellt wurden", sagt Niels Wiechmann, Präsidiumsmitglied der TuS Koblenz: "Friss oder stirb." Der DFB, heißt es außerdem, habe Fakten nur spärlich bekanntgegeben. Ein anderer Manager wirft dem Verband vor, indirekt Druck ausgeübt zu haben: Indem Verantwortlichen verschiedener Klubs vorgeworfen worden sei, sie seien jeweils die einzigen mit Vorbehalten. Der DFB weist die Kritik zurück. "Jeder Verein nimmt auf freiwilliger Basis an der Testspiel-Serie teil", sagt der DFB-Vizepräsident und Vorsitzende der Gesellschafterversammlung der Regionalliga Südwest, Ronny Zimmermann. Den Vereinen sei vor der entscheidenden Tagung im Juli rund ein Monat Bedenkzeit gestattet worden.

Natürlich nutzt die Gunst der Chinesen auch Bundesligisten

Doch die erbittertsten Gegner dieser Kooperation, die Fans, wollen sich damit nicht zufrieden geben. Ein Bündnis aus Anhängern mehrerer Regionalliga-Klubs hatte im Sommer einen offenen Brief an Zimmermann verfasst, sie warfen dem Verband neben fehlender Transparenz vor, ausgerechnet mit einem autoritären Staat zusammenzuarbeiten. Und das nur, so der Vorwurf, um damit Geld zu verdienen. Es soll demnächst ein Treffen der Fans mit Zimmermann stattfinden.

Der DFB erklärte bereits im Sommer, er würde nicht davon profitieren, dass Chinas Nachwuchs nun gegen deutsche Regionalligisten antritt. Daran würden allein die Regionalligisten verdienen. Doch natürlich nutzt die Gunst der Chinesen den Bundesligisten, die den asiatischen Markt erschließen wollen. Die Fans sahen ihre Vorwürfe bestätigt, als Dietmar Hopp, Mitbegründer des Software-Unternehmens SAP und Mäzen der TSG Hoffenheim, deren Reserve in der Regionalliga Südwest spielt, in der FAZ sagte: "SAP hat in China vielversprechende Aufträge im Sport." Dass die U 20 im Südwesten spiele, habe "auch mit den Standorten der TSG und SAP zu tun".

DFB und DFL haben 2016 eine Kooperation mit dem chinesischen Fußballverband und dem chinesischen Bildungsministerium beschlossen, als Teil einer Vereinbarung auf Staatsebene, offenbar auf Wunsch aus dem Kanzleramt. Fußball ist nun mal ein Thema, über das man mit dem Fußballfan Jinping, einem der mächtigsten Männer der Welt, ins Gespräch kommt. Jinping fördert seinen Lieblingssport bekanntlich seit Jahren massiv. Er will, dass China spätestens 2050 Weltmeister wird.

Zurzeit hakt der Plan noch etwas. Die Nationalmannschaft scheiterte in der Qualifikation zur WM 2018 als Gruppenfünfter hinter Usbekistan und Syrien, die Liga wurde nur bedingt stärker durch wahnwitzig teuer bezahlte Ausländer. Der Argentinier Carlos Tevez, der bei Shanghai Shenua mehr als 500 000 Euro in der Woche verdienen soll, könnte den Klub nach nur einer Saison wieder verlassen. Tevez, 33, schoss in 13 Einsätzen nur drei Tore und sagte in einem Interview mit dem französischen TV-Sender SFR: "Sie können einfach nicht Fußball spielen." China werde auch in 50 Jahren nicht wettbewerbsfähig sein.

Stürmer Anthony Modeste, der im Sommer den 1. FC Köln für rund 35 Millionen Euro verließ, traf für Tianjin Quanjian immerhin siebenmal in acht Spielen. Uli Stielike bewahrte Tianjin Teda vor dem Abstieg. Und Felix Magath schrieb nach dem Saisonende vor einer Woche auf Facebook voller Stolz, er habe sich mit seinem Klub Shandong Luneng um acht Plätze verbessert, auf Rang sechs. Magath gilt zwar nicht als Deutschlands fortschrittlichster Trainer, sondern eher als der strengste. Doch scheint sich der Transfer hiesiger Expertise auszuzahlen, zumal der DFB in China auch bei der Ausbildung von Trainern und Talenten hilft. Und deshalb kommen die Chinesen nun eben nach Deutschland, auf Bildungsreise nach Stadtallendorf oder Völklingen. Viermal spielen sie bis zur Winterpause, dann wollen sie umziehen, näher an ihre Spielorte in Baden-Württemberg, Hessen, Rheinland-Pfalz und im Saarland.

Wer verstehen will, wie Tests gegen deutsche Regionalligisten dem Fortschritt eines fußballerischen Entwicklungslandes dienen sollen, der muss Marco Pezzaiuoli fragen. Der frühere Hoffenheimer Bundesligatrainer ist seit drei Jahren Jugendleiter beim Serienmeister Guangzhou Evergrande. Es sei eines der Probleme, die den Ambitionen im Weg stehen, dass junge Spieler weder regelmäßig auf hohem Niveau trainieren noch Spielpraxis sammeln könnten, sagt er. In der Jugend müssten sie oft wochenlang für Auswahlmannschaften ihrer Provinzen auflaufen, außerdem gibt es kein echtes Ligasystem. Im Männerfußball angekommen, hätten sie dann kaum Chancen in den bis zu 50 Spieler großen Kadern der Erstligisten.

Die chinesische Delegation wird vom früheren Bundesligaprofi Jiayi Shao angeführt

Zwar versucht der Verband mit Sonderabgaben für Millionentransfers, die Vereine auch zur Nachwuchsförderung zu zwingen. Pezzaiuoli hatte jedoch eine andere Idee, die etwas verzweifelt klingt, aber funktioniert habe, sagt er. Er fuhr mit den Jugendspielern ins Trainingslager nach Europa - monatelang. Geld spielte keine Rolle: Das werde ja in Chinas Fußball ohnehin "viel zu viel" ausgegeben, sagt er.

Zuletzt war er mit Jugendspielern zehn Wochen lang in La Manga in Spanien, wo auch Europas Topklubs ihr Trainingslager beziehen. Niemand lenkte die Spieler ab, in Testspielen kam jeder zum Einsatz. Die jungen Chinesen sahen den Europäern im Kraftraum bei Übungen zu, schliefen länger, aßen gesünder, lernten schnell, gingen härter in die Zweikämpfe, so erzählt es Pezzaiuoli. "Ich kann als Trainer noch so viel sagen" - die Spieler müssten selbst sehen, wie es funktioniert.

Die Chinesen hätten, heißt es, den Stab ihrer U 20, den der frühere Bundesligaprofi Jiayi Shao als Koordinator anführt, gerne mit einem deutschen Trainer ergänzt, doch zunächst fand sich wohl niemand. Trainer des Teams ist Sun Jihai, 40, der zwischen 2002 und 2008 130 Mal für Manchester City spielte. Er war ein harter Verteidiger. Und als Trainer scheint er Realist zu sein. In einem Interview mit dem Magazin Newsweek sagte er im Februar: "Wir haben gewaltig viel Arbeit vor uns."

Der Spielplan der chinesischen U-20-Auswahl

Sa., 18.11.17, 14 Uhr: TSV Schott Mainz

Sa., 25.11.17, 14 Uhr: FSV Frankfurt

Fr., 1.12.17, 18 Uhr: TSG Hoffenheim II

Sa., 9.12.17, 14 Uhr: Wormatia Worms

Sa., 10.2.18, 14 Uhr: TSV Steinbach

Sa., 17.2.18, 14 Uhr: FC-Astoria Walldorf

Sa., 24.2.18, 14 Uhr: SSV Ulm 1846

Sa., 3.3.18, 14 Uhr: *

Sa., 10.3.18, 14 Uhr: KSV Hessen Kassel

Sa., 17.3.18, 14 Uhr: Eintr. Stadtallendorf

Sa., 24.3.18, 14 Uhr: SV Elversberg

Mi., 28.3.18, 19 Uhr: *

Sa., 31.3.18, 14 Uhr: SV Röchling Völklingen

Sa., 7.4.18, 14 Uhr: 1. FC Saarbrücken

Sa., 14.4.18, 14 Uhr: SC Freiburg II

Sa., 21.4.18, 14 Uhr: VfB Stuttgart II

Sa., 28.4.18, 14 Uhr: *

Sa., 5.5.18, 14 Uhr: Kickers Offenbach

Sa., 12.5.18, 14 Uhr: 1. FSV Mainz 05 II

* Für die Termine, an denen die drei Klubs spielfrei sind, die nicht an der Testspiel-Serie teilnehmen, stehen die Gegner noch nicht fest.

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Quelle:
SZ vom 11.11.2017/ska
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