Fußball:Die anderen Schwaben

Fußball: Ein in allen Wetterlagen des Fußballs erprobter Routinier: Augsburgs Daniel Caligiuri machte dank seiner Erfahrung auch gegen Bielefeld (hier im Zweikampf mit Masaya Okugawa) den Unterschied aus - und erzielte zwischendurch den so wichtigen 1:0-Endstand.

Ein in allen Wetterlagen des Fußballs erprobter Routinier: Augsburgs Daniel Caligiuri machte dank seiner Erfahrung auch gegen Bielefeld (hier im Zweikampf mit Masaya Okugawa) den Unterschied aus - und erzielte zwischendurch den so wichtigen 1:0-Endstand.

(Foto: Ulrich Hufnagel/Imago)

Der FC Augsburg nimmt den Abstiegskampf in der Fußball-Bundesliga wörtlich und tritt in Stuttgart auch wegen seiner erfahrenen Spieler als Gegenentwurf zum VfB an.

Von Maik Rosner

Daniel Caligiuri langte gleich mehrfach hin, und als er nach gerade einmal 21 Minuten die gelbe Karte wegen eines weiteren Foulspiels sah, sprach viel für einen frühen und unfreiwilligen Dienstschluss. Caligiuri aber blieb bis zur 87. Minute auf dem Platz - und leistete als sogenannter Schienenspieler auf der rechten Seite nicht nur viele wertvolle Beiträge für den FC Augsburg, indem er weiter rackerte und sich den gegnerischen Flügelspielern robust in den Weg stellte, ohne aber eine weitere Verwarnung in den Zweikämpfen zu riskieren. Der 34-Jährige fand zwischendurch auch noch Zeit, jenes 1:0 gegen Arminia Bielefeld zu erzielen, das dem FCA einen sehr hilfreichen Sieg im Abstiegskampf bescherte.

Dass Caligiuri das Tor im Fallen gelungen war, mit einem als Grätsche getarnten Torschuss, fügte sich ins Bild eines in allen Wetterlagen des Fußballs erprobten Routiniers, der an diesem Märzabend dank seiner Erfahrung den Unterschied ausmachte. "Dass wir auch ein unangenehmer Gegner sein können, das weiß die Bundesliga", sagte er danach und ergänzte mit einem Schulterzucken: "Nur so geht's für den FCA."

So wie zuletzt in Bielefeld stellen sich die Augsburger das auch an diesem Samstag beim VfB Stuttgart vor. Wieder treffen sie auf einen Aufsteiger von 2020 und direkten Konkurrenten, und erneut wollen sie ihre reiche Erfahrung im Abstiegskampf nutzen, um sich der angestrebten Versetzung in ihr zwölftes Bundesligajahr weiter anzunähern. Der Auftritt auf der Alm wird dafür zum Vorbild für den gesamten Abstiegskampf erhoben. "Es gilt, da anzuknüpfen, wo wir in Bielefeld aufgehört haben. Das war eine gute Leistung, eine sehr präsente Leistung. Die brauchen wir wieder", gab Trainer Markus Weinzierl nun in Auftrag, "wir müssen die individuelle Qualität des Gegners bekämpfen und selbst mit Nadelstichen und unserer Qualität da sein." Wie mit jener von Caligiuri.

Der FCA verfügt mit 25,8 Jahren über das dritthöchste Durchschnittsalter der Bundesliga. Der VfB hat mit 22,7 Jahren den mit Abstand jüngsten Kader

Tatsächlich treten die Augsburger in diesem Vergleich unter Schwaben auch als eine Art Gegenentwurf zu den Stuttgartern an. Der aus Villingen-Schwenningen stammende Deutsch-Italiener Caligiuri steht dafür als prominentestes Beispiel. Mit 351 Bundesligaeinsätzen verfügt er über die größte Erfahrung und ist doch nur einer von acht Profis im Augsburger Kader mit mehr als 100 Spielen in Deutschlands höchster Liga. Gefolgt von etlichen jungen Kollegen, die die Dreistelligkeit bald erreichen können. Beim VfB gibt es dagegen gerade einmal zwei Profis mit mehr als 100 Einsätzen, was auch daran liegt, dass sie im württembergischen Stuttgart eine fast schon konträre Kaderpolitik verfolgen im Vergleich zu den anderen Schwaben im bayerischen Augsburg. Die Mannschaft des FCA verfügt mit 25,8 Jahren nach den Teams von Union Berlin und Bochum über das dritthöchste Durchschnittsalter der Bundesliga. Der VfB stellt mit durchschnittlich 22,7 Jahren dagegen den mit Abstand jüngsten Kader aller 18 Mannschaften.

Auch sportlich fallen markante Unterschiede auf. Beim FCA nehmen sie den Abstiegskampf wörtlich. Sie vertrauen auf ihre körperbetonte und wuchtige Spielweise, die von Zweikämpfen und schnellen Kontern nach Ballgewinnen geprägt wird. Auch dafür stand das Spiel in Bielefeld und die Entstehung von Caligiuris Tor exemplarisch. Diese 90 Minuten könnten fast als ungeschnittenes Lehrvideo für den Abstiegskampf herumgereicht werden in der Bundesliga, zumindest aber als Lehrvideo dafür, wie die Augsburger den Abstiegskampf interpretieren.

Ihre Äußerungen danach fügten sich ins Bild, als sie von einem "brutal wichtigen Spiel und brutal wichtigen Sieg" (Weinzierl) sprachen oder von einer "brutalen Qualität" und "brutalen Erfahrung", wie Torwart Rafal Gikiewicz in seiner Laudatio auf den Kollegen Caligiuri. Beim VfB haben sie zuletzt zwar durchaus ebenfalls Elemente dieser kantigen und zuweilen auch harten Vorgehensweise gezeigt. Doch der spielerische Ansatz überwiegt bei den Stuttgartern nach wie vor. Es wird spannend zu beobachten sein, inwieweit sich diese unterschiedlichen schwäbischen Modelle miteinander vertragen.

Die Augsburger hoffen, dass ihre Herangehensweise auch in Stuttgart zum vollen Ertrag führt. "Wir wollen endlich mal zwei Spiele am Stück gewinnen", sagte Weinzierl vor seiner Rückkehr zum VfB, den er zwischen Oktober 2018 und April 2019 trainiert hatte - bis zu einer 0:6-Niederlage in Augsburg. Ein wesentlicher Schlüssel für den FCA war schon damals eines der ältesten Erfolgsrezepte im Fußball, und dieses brachten sie auch zuletzt in Bielefeld zur Anwendung, als sie den schmächtigen Flügelspielern der Arminia den berühmten Schneid abkauften. "Das hat Augsburg auf seine Weise geregelt", sagte der Bielefelder Trainer Frank Kramer danach, "da sind ganz schön die Fetzen geflogen." Auf ähnliche Komplimente hoffen die Augsburger nun auch in Stuttgart.

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