Trainingsphilosophie beim FußballverbandDFB-Reformen sollen auch den Spätgeborenen helfen

Lesezeit: 2 Min.

Verfechter fairer Ausbildungsbedingungen: DFB-Direktor Hannes Wolf.
Verfechter fairer Ausbildungsbedingungen: DFB-Direktor Hannes Wolf. (Foto: Jürgen Kessler/dpa)

Laut einer neuen Studie verlieren deutsche Fußballklubs Millionen Euro im Nachwuchs, weil wegen des „Relative-Age-Effect“ der Geburtstag bei der Auswahl von Talenten zu stark ins Gewicht fällt. DFB-Direktor Hannes Wolf will auch diesem Trend entgegensteuern.

Von Felix Roche

Wenn in diesem Sommer die Karriere von 2014-Weltmeister Mats Hummels endet, verliert der deutsche Fußball nicht nur einen ebenso talentierten wie streitbaren Verteidiger, sondern auch ein Paradebeispiel. Hummels, 36, ist in der Geschichte des DFB der bekannteste und erfolgreichste Nationalspieler, der im Dezember geboren wurde – und einer von lediglich sieben insgesamt seit dem Jahr 2010.

Grund dafür ist der sogenannte RAE, der Relative-Age-Effect. Der bewirkt, dass in den Nachwuchs-Mannschaften des deutschen Fußballs der Anteil jener Kinder, die gegen Ende eines Kalenderjahres zur Welt kamen, viel kleiner ist als der Anteil derjenigen, die am Anfang eines Jahres geboren wurden. Anders gesagt: Januar-Kinder sind im Durchschnitt körperlich meist schon weiter als Dezember-Kinder, weshalb sie von vielen Klubs eher ausgesucht und aufgestellt werden. Weil Talent aber unabhängig vom Geburtsmonat ist, fliegen durch den RAE auch zahlreiche sehr fähige Kinder unter dem Radar – und werden am Ende wegen fehlender Förderung im Juniorenalter nicht zu Profis. Dadurch, das zeigt eine neue Studie zu diesem Thema, entgeht den Nachwuchsleistungszentren der deutschen Vereine viel Geld.

MeinungFC Bayern
:Diese Meisterschaft des FC Bayern lebt vom Misserfolg der Vorsaison

SZ PlusKommentar von Sebastian Fischer

Mario Mechtel, Professor der Leuphana-Universität aus Lüneburg, sagt zwar über den RAE, das Thema sei „ein alter Schuh“. Die wirtschaftlichen Folgen allerdings waren bislang unerforscht. In seiner Studie fand er nun heraus, dass die Vereine die Marktwerte ihrer Jugendspieler um ein bis zwei Drittel erhöhen könnten, wenn es ihnen gelänge, den RAE auszublenden. Im Durchschnitt wären das pro Jahrgang zehn bis zwanzig Millionen Euro.

Der Wert beruht auf einer etwas komplexeren Berechnung, bei der die Studie den durchschnittlichen Wert eines Jugendspielers auf etwa 1,2 Millionen Euro taxiert. Dabei gingen die Autoren der Studie davon aus, dass aus ungefähr 20 Jugendspielern eines Jahrgangs einige wenige herausragen, während es in der Regel mehrere schaffen, ihre Karriere in der dritten Liga oder in der Regionalliga fortzuführen.

Wolfs nächster Reformansatz: Eine Stunde Sport pro Schultag - wie in Skandinavien verpflichtend!

Der Sportwissenschaft ist der RAE schon länger ein Dorn im Auge, Lösungsmöglichkeiten werden seit Jahren diskutiert, etwa die Quotierung von Quartalen, um spätgeborene Fußballer besser zu fördern. In jeder Nachwuchsmannschaft müssten demnach aus jedem Quartal mindestens zwei Spieler mittrainieren. Eine weitere Möglichkeit: statt Jahrgänge künftig Halbjahrgänge einzuteilen, sodass der Unterschied zwischen den Früh- und den Spätgeborenen nur halb so schwer ins Gewicht fiele.

Beim Deutschen Fußball-Bund (DFB) sind sie überzeugt davon, dem Problem mit einer anderen Idee begegnen zu können: der in den vergangenen Jahren eingeführten neuen Trainings- und Spielphilosophie im Kinderfußball. Hannes Wolf, seit 2023 Direktor Nachwuchs, Training und Entwicklung beim DFB, sagt, dass es vor der Reform „eine Scheinpartizipation“ gegeben habe. „Das heißt: Die Kinder sind da, aber sie haben den Ball nicht.“ Inzwischen spielen die Kinder im Training und in den Spielen auf Kleinfeldern im Drei-gegen-drei oder Vier-gegen-vier. Durch die kleineren Gruppen haben die Kinder mehr Ballkontakte und Aktionen – und so werden die Kleinfelder laut Hannes Wolf zu Orten, „wo sich Spät- und Früh-Entwickler gut entwickeln können“.

Ganz gelöst sieht er das Problem damit noch nicht, es gebe „keinen Zauberstab“, um Weltklasse-Spieler auszubilden, betont Wolf. Aber immerhin würden jetzt mehr Kinder die Chance dazu bekommen. Wobei Wolf schon die nächsten Reformen fordert: eine tägliche Stunde Sport in der Schule wie in Skandinavien, am besten mit einem polysportiven Drei-gegen-drei. Das wäre ein Quantensprung für die Gesellschaft. Mehr Talente und mehr Geld für die Klubs, das wäre dann ein schöner Nebeneffekt für den deutschen Fußball.

© SZ - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
Zur SZ-Startseite

Lesen Sie mehr zum Thema

Jetzt entdecken

Gutscheine: