Süddeutsche Zeitung

Olaf Scholz beim DFB:Der Kanzler trifft ein paar wunde Punkte

Beim Besuch auf dem DFB-Campus erneuert Bundeskanzler Scholz seine Forderung nach "Equal Pay" bei den Nationalteams - der Verband formuliert vorsichtige Zugeständnisse.

Von Sebastian Fischer, Frankfurt

Olaf Scholz sah auf gepflegte Rasenplätze im Sonnenschein, dahinter die Skyline von Frankfurt. Er ließ sich noch etwas erklären, dann ging die Besichtigungstour weiter, durch eine Tür mit der Aufschrift "Regeneration". Für den Bundeskanzler gibt es dieser Tage wohl unangenehmere Termine als einen Besuch der neuen Akademie des Deutschen Fußball-Bundes, DFB-Campus genannt.

Allerdings war der Anlass ein durchaus umstrittenes Thema, wie DFB-Präsident Bernd Neuendorf und Scholz später in einem gemeinsamen Statement erklärten, während hinter ihnen im Foyer der Akademie ein Bild des deutschen Frauen-Nationalteams leuchtete, das vor neun Tagen auf dem Frankfurter Römer für den zweiten Platz bei der Europameisterschaft gefeiert wurde. Es ging am Dienstag um die Forderung, dass der DFB seinen Fußballerinnen und Fußballern die gleichen Prämien bezahlt. Und es gab ein paar vorsichtig formulierte Neuigkeiten zu berichten.

"Ich bin zumindest bereit, in unseren Gremien darüber zu diskutieren, ob unser über Jahrzehnte gewachsenes Prämiensystem noch zeitgemäß ist", sagte Neuendorf. "Ich finde, das ist etwas Politisches, anders als Gehaltsverhandlungen", sagte Scholz: "Deshalb macht es schon Sinn, dass man über gleiche Prämien diskutiert".

Der Hintergrund für den Besuch war eine überraschende Äußerung von Scholz während der Europameisterschaft - ein Turnier, das ihn aufgrund des Erfolgs des deutschen Teams "tief berührt" habe, wie er sagte. Nach dem verlorenen Finale in Wembley hatte er das Team in der Kabine besucht. Und vor dem Gruppenspiel gegen Spanien hatte er getwittert: "Wir haben 2022. Frauen und Männer sollten gleich bezahlt werden. Das gilt auch für den Sport, besonders für Nationalmannschaften. Spanien hat da die Nase vorn."

Bei der Männer-EM gab die Uefa 331 Millionen Euro an die Verbände weiter, bei der Frauen-EM 16 Millionen

Die gleiche Honorierung von Männern und Frauen war eines der Begleitthemen der EM. Acht von 16 Nationen beim Turnier, darunter Spanien, hatten zuvor jeweils eigene Regelungen dafür ausgearbeitet, die Prämien für einen möglichen Turniersieg für Männer und Frauen anzugleichen. Überraschend war die Aussage von Scholz, weil die deutschen Fußballerinnen sich in der Sache zuvor etwas differenzierter geäußert hatten. "Ich lade ihn gern mal ein. Dann kläre ich ihn ein bisschen besser über die Zahlen auf", erwiderte Oliver Bierhoff in der ARD.

Die deutschen Spielerinnen hatten sich durchaus zufrieden gezeigt mit der im Vergleich zur vorangegangen EM von 37 500 auf 60 000 Euro erhöhten Rekord-Prämie, die sie jeweils für einen Turniersieg bekommen hätten - obwohl die Männer 400 000 Euro für einen EM-Sieg 2021 erhalten hätten. Für Rang zwei bekamen die Frauen letztendlich 30 000 Euro. Auch in Spanien allerdings, von Scholz als Beispiel herangezogen, bekommen die Fußballerinnen nur prozentual den gleichen Anteil an den erwirtschafteten Einnahmen. Zum Vergleich: Bei der Männer-EM gab die Uefa 331 Millionen Euro an die Mannschaften weiter, bei der Frauen-EM 16 Millionen.

Wahrscheinlich waren das die Zahlen, über die Bierhoff aufklären wollte. Der DFB-Geschäftsführer begleitete den Kanzler beim Termin am Dienstag genauso wie Celia Sasic, Vizepräsidentin für Gleichstellung und ehemalige Nationalspielerin. Beide, berichtete Neuendorf, hätten dem Bundeskanzler dargelegt, wie sich die Bedingungen für die Nationalspielerinnen verbessert hätten. Die Prämien, sagte er, seien "auf der Grundlage des wirtschaftlichen Erfolges eines Wettbewerbes definiert" und "keineswegs rückständig", sondern im internationalen Vergleich "bemerkenswert".

Und trotzdem traf Scholz ganz offensichtlich ein paar wunde Punkte. Es spreche prinzipiell nichts gegen gleiche Prämien, sagte jüngst Bundestrainerin Martina Voss-Tecklenburg: "Aber dann bitte bei den Männern ein bisschen weniger und bei uns ein bisschen mehr, denn ich finde es immer noch überdimensioniert."

Ob Scholz damit richtig liegt, wenn er sagt, dass Prämien eine große Rolle dabei spielen, mehr Mädchen für den Fußball zu begeistern?

Dass man darüber sprechen werde, ob man das Prämiensystem "gegebenenfalls anpassen" müsse, sagte nun Neuendorf. Beispiele, wie das funktionieren kann, gibt es in Europa durchaus: In Norwegen verzichten die Männer seit 2017 freiwillig auf Sponsoring-Einnahmen, um die Nationalmannschafts-Prämien anzugleichen, die für hochbezahlte männliche Fußballprofis ohnehin eine nachrangige Rolle spielen dürften.

Vor allem, das betonte auch die Bundestrainerin am Wochenende nochmals in Interviews im ZDF-Sportstudio und im BR, gebe es aber jenseits der Prämienzahlungen weiter Nachteile für Frauen: "Equal play" vor "equal pay", so lautete schon in den vergangenen Wochen die Formulierung. Voss-Tecklenburg forderte "bessere Strukturen" und "dass alle Mädchen Fußball spielen können". Konkreter: Dass Talente in Nachwuchsleistungszentren der großen Vereine aufgenommen und die Grundgehälter in der Bundesliga angehoben werden sollen. Derzeit müssten "bestimmt 50 Prozent" der Bundesligaspielerinnen einem Beruf nachkommen, um ihre Existenz zu sichern.

"Klar haben wir auch gesprochen über die Frage, wie man das weiter unterstützen kann, dass noch mehr Mädchen und Frauen sich für den Fußball begeistern", sagte Scholz. Ob er damit richtig liegt, wenn er sagt, dass dafür "die Prämien bei solchen Turnieren eine große Rolle" spielen? Jedenfalls soll demnächst weiter gesprochen werden, bei einem Termin von DFB-Präsident Neuendorf im Kanzleramt im nächsten Monat. Am Dienstag musste Scholz nach rund eineinhalb Stunden dann auch erst mal wieder weiter.

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