Almuth Schult in der DFB-Elf:1165 Tage harte Arbeit

Lesezeit: 3 Min.

Nicht mehr die Nummer 1 auf dem Trikot, aber endlich wieder ein Länderspiel: Torhüterin Almuth Schult. (Foto: Anton Uzunov/Getty)

Im WM-Qualifikationsspiel gegen Bulgarien feiert Almuth Schult ihre emotionale Rückkehr als Nationaltorhüterin - und liefert eine Comeback-Blaupause für andere Profifußballerinnen.

Von Anna Dreher, Plowdiw/München

Almuth Schult hatte die Handschuhe ausgezogen und stand ein paar Meter vor ihrem Tor. Ganz in Ruhe entfernte sie das weiße Tape von ihren Fingern. Gerade war das abschließende Qualifikationsspiel für die Weltmeisterschaft 2023 in Australien und Neuseeland abgepfiffen worden, 8:0 hatte die deutsche Auswahl gegen Bulgarien gewonnen. Weiter vorne beglückwünschten sich ihre Mitspielerinnen, aber Schult hatte keine Eile, zu den anderen oder in die Kabine zu gehen. Sie war beschäftigt mit ihren Emotionen. Das hier war ein besonderes Spiel für sie gewesen, ihr erstes im Nationaltrikot seit 1165 Tagen.

Nach und nach waren ihr Tränen gekommen, zu viele, um sie zurückzuhalten. Auch als die 31-Jährige den Platz längst verlassen hatte, füllten sich ihre Augen mit Wasser. Auf der Pressekonferenz am Dienstagabend im Lokomotiv-Stadion von Plowdiw lachte und weinte Schult bisweilen gleichzeitig. "Ich bin emotional aufgewühlt, weil es eine sehr, sehr lange Zeit war und ein sehr, sehr langer Kampf, wieder ein Länderspiel zu machen", sagte Schult und wischte sich Tränen aus dem Gesicht. Vielen im Team sei gar nicht bewusst gewesen, wie lange ihre Pause gedauert habe, sie ist ja schon wieder eine Weile dabei. Aber es sei nun mal etwas anderes, zum Kader zu gehören oder selbst zu spielen. Sie habe sich gefühlt, wieder alles neu erkämpfen müssen: "Ein Länderspiel ist sehr viel wert."

SZ PlusFußballerin Almuth Schult
:Weit über das Spiel hinaus

TV-Expertin, Nationaltorhüterin, einzige Mutter der Bundesliga, sportpolitisch aktiv: Wie Almuth Schult in einem Jahr zur bekanntesten deutschen Fußballerin wurde - und zur wichtigsten Stimme für Geschlechtergerechtigkeit im Profibereich.

Von Anna Dreher

Am 29. Juni 2019 hatte Schult beim 1:2 gegen Schweden im WM-Viertelfinale im Tor gestanden. Danach folgte eine Operation an der Schulter und im April 2020 die Geburt von Zwillingen. Seit 2013 war sie beim VfL Wolfsburg und seit 2015 beim deutschen Nationalteam zur Stammkeeperin aufgestiegen, ihr Weg dorthin hatte schon Ausdauer und Wille erfordert, nun musste sie sich den Platz zwischen den Pfosten wieder hart erarbeiten. Im Oktober 2020 kehrte sie zurück ins Wolfsburger Mannschaftstraining, im Januar 2021 gab sie in einem Test gegen Eintracht Frankfurt ihr Comeback - und nun nach drei Jahren, zwei Monaten und acht Tagen auch wieder beim Deutschen Fußball-Bund (DFB).

Schult liefert die Blaupause für andere Fußballerinnen

"Ich bin sehr dankbar, dass meine Familie das ermöglicht hat, das war immer das Ziel", hatte Schult vor der Pressekonferenz am ARD-Mikrofon gesagt. Wahrscheinlich könne ihre Lage niemand nachvollziehen, der sich nicht selbst in den Leistungssport zurückgekämpft habe und Türen habe aufstoßen müssen. Für Schult hatte es ja keine Vergleiche, erprobte Pläne und feste Ansprechpartner in der Bundesliga oder beim DFB gegeben. Sie hat dafür gesorgt, dass es bei ihrem Verein und beim Verband eine Blaupause für Profifußballerinnen für die Rückkehr nach einer Geburt gibt. Schult ist zur Vorkämpferin und zum Vorbild geworden. Und wie viel Druck nach ihrem ersten Länderspiel als Mutter abgefallen ist, war ihr deutlich anzumerken.

"Es ist halt als Torwart noch mal umso beschissener, man kommt nicht rein für zehn Minuten. Wenn man seinen Platz verloren hat, dann bekommt man ihn auch nicht so leicht zurück", sagte Schult. Ihr 65. Länderspiel hätte sie womöglich schon früher absolviert, wären nicht Blessuren und Corona dazwischengekommen. Gegen Bulgarien trug sie ein Trikot mit der Nummer 12. Die Nummer 1 gehört inzwischen Merle Frohms, die 27-Jährige hat sich etabliert, an ihr vorbeizukommen, wird schwer. Nicht zuletzt bei der Europameisterschaft im Juli hielt sie überragend und zeigte auf dem Weg ins Finale gegen England teils spektakuläre Paraden. Natürlich hätte Schult diesen Platz gerne wieder, aber für sie stand erst einmal etwas anderes im Fokus: "Es ging um das Spiel an sich, um zu sagen, ich habe wieder ein Länderspiel gemacht."

Nach der EM war Schult in die USA gewechselt, ihr Debüt für Angel City FC steht noch aus. Dort regelmäßig zu spielen, wäre auch mit Blick auf die WM 2023 wichtig - vor der Martina Voss-Tecklenburg Einsatzchancen für Schult sieht. "Es war ein klares Statement unsererseits an Almuth", sagte die Bundestrainerin. "Wir haben ja gesagt, wir wollen bis zur WM noch einige Spiele bestreiten und schauen, dass wir unsere Torhüterinnen auch gegen bessere Gegnerinnen sehen können. Davon ist sie ein Teil." Am 7. Oktober spielt ihr Team in Dresden gegen Frankreich, im November ist eine Partie bei den Weltmeisterinnen in den USA geplant. Almuth Schult will all das auf sich zukommen lassen. Ein großes Ziel hat sie seit Dienstag schon erreicht.

© SZ - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
Zur SZ-Startseite
00:53

SZ PlusMeinungDeutsches Nationalteam nach der EM
:Da kommt noch was

Kommentar von Anna Dreher

Lesen Sie mehr zum Thema

Jetzt entdecken

Gutscheine: