Süddeutsche Zeitung

Fußball: DFB:Der amtsmüde Dr. Zwanziger

Wirft der DFB-Chef hin? Theo Zwanziger gibt sich amtsmüde und spricht von einer "Sehnsucht nach Privatem". Zugleich legt er aber im Streit mit Löw und Bierhoff nach.

Johannes Aumüller

Formal hat der Fußball Sommerpause, doch an Ruhe ist derzeit nicht zu denken. Es sind aber nicht etwa furiose und überteure Spielerwechsel, welche die spielfreie Zeit prägen - sondern die Kapriolen der Funktionäre, allen voran die desjenigen, der ganz oben steht in der Hierarchie: Theo Zwanziger, 65, Präsident des Deutschen Fußball-Bundes (DFB).

Über Wochen irritierten die Hängepartie und der Zickzackkurs rund um die mögliche Vertragsverlängerung von Bundestrainer Joachim Löw und Nationalmannschaftsmanager Oliver Bierhoff die Nation. Demnächst rückt die fahrlässige Rolle des Verbandspräsidenten in der Schiedsrichteraffäre wieder stärker in den Blickpunkt. Und nun deutet Zwanziger, via Gespräch mit der heimischen Rheinzeitung aus Koblenz, eine neue Volte an. Er sei amtsmüde, teilte der DFB-Boss mit, und verspüre eine tiefe Sehnsucht nach dem Privaten. Ausdrücklich ließ er offen, ob er beim Bundestag im Oktober noch einmal kandidieren wolle.

Amtsmüdigkeit ist in diesen Tagen ja keine Seltenheit - siehe Ole von Beust. Doch im Fall von Zwanziger überrascht die Aussage, denn anders als der Regierende Bürgermeister von Hamburg hatte in den vergangenen Wochen und Monaten nichts auf eine Amtsmüdigkeit hingedeutet. Vielmehr hatte Zwanziger vor der WM noch angekündigt: "Ich habe noch eine Menge zu tun, und meine Aufgabe als DFB-Präsident macht mit weiter viel Spaß. Deshalb habe ich noch nicht vor, mich komplett auf das Altenteil zurückzuziehen und nur in der Hängematte zu liegen."

Doch diese Haltung hat sich offenbar gewandelt. Die scharfen persönlichen Angriffe gegen ihn, vor allem im Zuge der Schiedsrichteraffäre, führte Zwanziger als Argument an. Dazu kommt sicherlich auch, dass er während und nach der WM in der Causa Löw/Bierhoff massiv in die Defensive gedrängt wurde. "Hat Löw Sie jetzt in der Hand?", fragte selbst die Zwanziger meist wohlgesonnene Bild Ende voriger Woche.

Schließlich dürfte dem DFB-Chef klar sein, dass die Kandidatur von Uli Hoeneß für den Posten des Ligachefs und dessen markiger Antrittsworte ("Ich glaube, wir hätten jetzt nicht die Problematik mit der Vertragsverlängerung von Löws Team, hätte ich diese Position schon innegehabt") auf eine neue Machtstatik im deutschen Fußball hindeuten. Prominenten Bayern ist es bekanntlich egal, wer unter ihnen in Bonn respektive Frankfurt das Sagen hat.

So nutzte Zwanziger nun die Reise in die rheinländische Heimat, zum Verbandstag des dortigen Fußballverbandes und zum Gespräch mit der Rheinzeitung, um die Amtsmüdigkeit zu verkünden - aber auch, um sein Verhalten in der vergangenen Zeit zu rechtfertigen. So unterstrich er mit Blick auf das Durcheinander rund um Löws Vertragsverlängerung beispielsweise noch einmal: "Den Handschlag hat's gegeben." Ein angebliches Arrangement zwischen Zwanziger und Löw, das im Winter für viel Aufsehen sorgte und von dem der Bundestrainer später nichts mehr habe wissen wollen.

Auch widersprach er heftig der Vermutung, er beziehungsweise seine Mitstreiter selbst hätten den Boulevard stets mit den neuesten Wendungen zu Löw und Bierhoff versorgt. "Das kommt nicht von uns, das ist alles erstunken und erlogen. Der Verband macht das nicht, das ist nicht unsere Art." Im Umfeld von Trainer und Manager, sagte Zwanziger, "da tummeln sich drei oder vier Berater, die die Medien steuern mit irgendwelchem dummen Zeug".

Frage nach den Alternativen

Zudem sprach er selbst - erstmals in dieser Deutlichkeit - von einem Zwist zwischen den Nationalmannschaftsverantwortlichen und dem DFB-Sportdirektor. "Es ist ja bekannt, dass das Verhältnis von Löw und Bierhoff auf der einen und Sportdirektor Matthias Sammer auf der anderen Seite nicht eben harmonisch ist", sagte er. "Aber ich möchte gern alle behalten, also muss ich sie aus dem Hintergrund so führen, dass es funktioniert. Da mag ich in der Vergangenheit manchmal zu naiv oder zu großzügig gewesen sein, hätte früher sagen müssen: Leute, lasst doch die Kirche im Dorf."

Nicht nur amtsmüde, sondern auch ein bisschen reumütig gab sich der DFB-Chef also. Doch es bleibt die Frage, ob er das auch tatsächlich ist oder ob der clevere Populist und Ex-CDU-Politiker Zwanziger hier nur eine Chance wittert, ein wenig Druck von sich zu nehmen und von den inhaltlichen Debatten abzulenken.

Denn er weiß auch, dass er sich in den stürmischen Zeiten der Schiedsrichteraffäre unter anderem deshalb im Amt halten konnte, weil seine Gegner keinen guten Gegenkandidaten aufbauen konnten. Selbst der FAZ fiel damals nur Franz Beckenbauer als Alternative ein. Auch jetzt ist (noch?) niemand in Sicht, der Zwanziger im Oktober beerben könnte. Und einmal blitzte zwischen all der Amtsmüdigkeit bei seinem Heimataufenthalt auch der bekannte Zwanziger durch - als er nämlich sagte: "Wenn ich gewählt werden will, dann werde ich auch gewählt."

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