Süddeutsche Zeitung

Doku in der BBC:Unterhalten sich Fußballer und ein Prinz über Depression

  • Ein Film in der BBC zeigt, warum der Fußball sich so schwer tut mit psychischen Erkrankungen bei Profis.
  • Englands Nationaltrainer Gareth Southgate und Nationalspieler Danny Rose erzählen in dem Interview von ihren Erfahrungen.
  • Auch Prinz William gibt Einblicke, wie es ihm nach dem Tod seiner Mutter Diana ging.

Von Jonas Beckenkamp

Es ist eine ziemlich ungewöhnliche Runde, aber ihr Gesprächsthema ist umso wichtiger: Depression im Fußball. In einem viel beachteten Video der BBC sind dieser Tage Menschen zu sehen, die man so nicht unbedingt in einer Umkleidekabine zusammen erwartet hätte. Unter dem Titel "A Royal Team Talk - Tackling Mental Health" versammeln sich aktuelle und ehemalige englische Nationalspieler, der Nationaltrainer, ein Ex-Weltmeister und kein Geringerer als Prinz William, um über Trauer, Verlustängste und Gefühle zu sprechen.

Dabei gibt es bewegende Erkenntnisse, die weit über den Sport hinausreichen. Speziell von William, der sich zu diesem speziellen Anlass mit Jermaine Jenas, Peter Crouch, Thierry Henry, Gareth Southgate und Danny Rose getroffen hat. "Ich habe viel darüber nachgedacht, und versuche zu verstehen, warum ich so fühle, wie ich fühle", erklärt der 36-jährige Duke of Cambridge über den Tod seiner Mutter Diana. Damals war er 15. "Aber ich denke, wenn man sehr jung ist und einen solchen Verlust erleben muss - eigentlich immer, aber besonders in jungen Jahren (...) - dann, spürt man einen Schmerz wie kein anderer."

Der Prinz, mittlerweile Vater von drei Kindern und Nummer zwei in der Thronfolge, erinnert sich zurück: "Du weißt, dass dir in deinem Leben wohl kein schlimmerer Schmerz mehr begegnen wird." Es ginge vor allem in der Männerwelt Fußball darum, sich zu öffnen und ein Bewusstsein zu schaffen, um psychische Probleme zu enttabuisieren. "Wir brauchen mehr Vorbilder, die ihre Erfahrungen teilen", sagt William in Richtung Rose, 28, der als einer der wenigen aktiven Profis offen über seinen Umgang mit Depression berichtet hat.

Danny Rose zog sich zurück, er konnte nicht schlafen

Der Tottenham-Außenverteidiger schildert seinen inneren Rückzug, als er wegen einer Verletzung lange aussetzen musste und "Verärgerung und Frust" über einen sehr langen Zeitraum verspürte. "Ich verließ das Haus nicht mehr, wollte nichts unternehmen, konnte nicht mehr schlafen", erzählt der 26-fache Nationalspieler, der sich schließlich in Behandlung begab und Medikamente nahm. Der Suizid seines Onkels habe bei ihm eine Krise ausgelöst. Kurz vor der WM 2018 in Russland bekam er auf ein offenes Interview vor dem Testspiel gegen Costa Rica so überwältigendes Feedback, dass sogar zwei Spieler des Gegners sich bei ihm für seinen Mut bedankten. In der Halbzeitpause.

"Wir hatten vor der WM über deine Situation gesprochen", richtet sich Nationaltrainer Southgate im Film an Rose. Für ihn sei Transparenz im Umgang mit Depression kein Schwäche-Eingeständnis, sondern vielmehr ein Zeichen von Stärke. "Vermutlich war dir gar nicht klar, was du mit deiner Stimme bei den Menschen für einen positiven Einfluss hast." Trotzdem hat der Fußball aus Sicht von Rose im Umgang mit psychischen Erkrankungen noch viel zu lernen.

Just als er im vergangenen Jahr erstmals öffentlich über seine Depression gesprochen hatte, bekam er dafür auch negative Konsequenzen zu spüren. In einem Transfer-Gespräch mit einem anderen Verein habe man zu ihm gesagt: "Der Klub würde dich gerne treffen, nur um zu überprüfen, dass du nicht verrückt bist", berichtet der Linksverteidiger, der in Kürze mit den Spurs gegen Liverpool die Champions League gewinnen könnte.

"Ich war beschämt. Was auch immer ich durchgemacht habe, beeinflusst mich doch nicht in der Ausübung meines Jobs", so Rose. "Ich weiß nach wie vor, dass ich immer 100 Prozent gebe." De facto ist Rose seit Jahren einer der besten Außenverteidiger der Premier League, auch der FC Schalke soll vergangenes Jahr Interesse an ihm gehabt haben. Sein Nationaltrainer Southgate spricht in der Talkrunde schließlich über mentalen Druck im Sport. Dieser wirkt sich nach Ansicht des 48-Jährigen oft massiv auf Fußballer aus. "Ich habe beunruhigte Mannschaften gesehen, die das Erlebnis nicht mehr genossen haben und ich habe gefühlt, dass es wichtig ist, eine Umgebung zu kreieren, in der Spieler Dinge ausprobieren und ihre Fähigkeiten zeigen können."

Und je länger man Southgate zuhört, desto mehr wird klar, wie es ihm einst selbst ergangen ist. Nachdem er 1996 als Spieler im EM-Halbfinale gegen Deutschland mit seinem Elfmeter an Andreas Köpke scheiterte und England ausgeschieden war. Tagelang habe er sich in seinem Haus "vergraben", um der Aufmerksamkeit der Medien zu entgehen.

"Wir müssen lernen, genauer hinzuschauen", folgert Ex-Nationalspieler Jermaine Jenas, 36, der den jungen Danny Rose in Tottenham erlebte - und dessen Zurückgezogenheit damals als Heimweh missinterpretierte. Und so zeigt sich am Ende auch: Spieler wie Rose kämpfen schon lange mit dieser Art der Erkrankung. Aber ein befreienderes Zeichen als solche Offenheit kann man sich kaum vorstellen.

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