Fußball: Lizenzierungsverfahren der DFL:Prinzip Glücksspiel

Der Fall des insolvenzbedrohten Zweitligisten TSV 1860 München zeigt, dass die Lizenzprüfung der Deutschen Fußball Liga offenbar betrugsanfällig ist. Auch andere Klubs leben das Von-der-Hand-in-den-Mund-Prinzip.

Klaus Ott

Die nötigen Punkte für den Klassenerhalt hat der TSV 1860 München seit langem zusammen. Nun fehlt noch das Geld, um weiter in der zweiten Bundesliga spielen zu dürfen. Auch das soll kein Problem sein. Der arabische Investor Hasan Ismaik will einsteigen und für 13 Millionen Euro 49 Prozent der Anteile erwerben, die noch offenen Punkte müssten sich diese Woche erledigen lassen.

TSV 1860 München - SpVgg Greuther Fürth

Gedreht und gewendet hat sich der TSV 1860, um die Lizenz für die zweite Liga zu bekommen. Jetzt fliegt so einiges auf. 

(Foto: dpa)

Am Dienstag traf sich die 1860-Geschäftsführung in Frankfurt mit Vertretern der Deutschen Fußball Liga (DFL), um deren Bedenken gegen den Kooperationsvertrag mit Ismaik auszuräumen. Zwar gelang das auch diesmal nicht, aber die Rettung des mit 14 Millionen Euro verschuldeten Klubs scheint immer noch möglich zu sein.

Wie auch immer die Sache ausgeht, das Thema 1860 ist längst nicht erledigt. Es bedarf noch der Aufklärung, wie sich der Klub vor einem Jahr unter einer anderen Vereinsführung womöglich die Lizenz für die aktuelle Spielzeit 2010/2011 erschlichen hat. Und ob deshalb nicht generelle Änderungen des Zulassungs-Verfahren vonnöten sind, um neue Fälle dieser Art auszuschließen. Die DFL hat den Münchner Klub zwar bereits für falsche Angaben mit zwei Punkte Abzug bestraft. Doch solchen Aktionen genügen nicht für eine gesunde Liga. Das weiß die DFL, und sie reagiert: Der Ligavorstand hat bereits eine Kommission zur Verschärfung der Regularien eingesetzt.

Das Lizenzierungs-System der DFL, der die 36 Erst- und Zweitligisten angehören, ist ganz offenbar betrugsanfällig. Das zeigen einige Blicke in Akten des Traditionsvereins 1860. Um die Lizenz zu erhalten, ist ein Finanz-Nachweis für die jeweils kommende Saison nötig. Es muss genug Geld da sein, um alle und alles bezahlen zu können.

Als die Sechziger im Frühjahr 2010 ihre neue Zulassung beantragten, spielte das Internationale Bankhaus Bodensee (IBB) eine wichtige Rolle. Von der IBB waren vier Millionen Euro für die Saison 2010/11 eingeplant. Die Bodensee-Bank sollte Werbe- und Sponsoren-Verträge für die Saison 2011/12 vorab auszahlen und sich von den betreffenden Geschäftspartnern des TSV später das Geld zurückholen.

Als "Bevorschussung" künftiger Erlöse bezeichnet der damalige 1860-Geschäftsführer Manfred Stoffers diese Vorgehensweise. Die Einnahmen von morgen werden also heute schon ausgegeben - und fehlen dann morgen. Stoffers räumt ein, dass dies eigentlich Unsinn ist: "Ein solches Konstrukt ist kaufmännisch nicht gewünscht." Vor einem Jahr sei es aber nicht anders gegangen, da erhoffte Transfereinnahmen nicht zustande gekommen seien.

Stoffers sagt, der DFL seien derartige Finanzierungs-Modelle nicht unbekannt. Auch andere Klubs, darunter Erstligisten, praktizieren das Von-Hand-in-den Mund-Prinzip, das ist bekannt. Der hoch verschuldete Pokalfinalist Schalke 04 etwa konnte im Herbst 2009 angeblich Zahlungsverpflichtungen nur erfüllen, indem an einer Stelle Löcher gestopft wurden - und anderswo im Gesellschafts-Geflecht des Vereins wieder neue entstanden.

Die Löwen sind kein Einzelfall

Als 1860 München wenige Wochen nach Beginn der Saison 2010/11 das erste Geld von der Bodensee-Bank abrufen wollte, kam aber nichts. Die IBB konnte nichts auszahlen, weil die Bedingungen nicht erfüllt waren. Das Bankhaus traf keine Schuld: Es lagen einfach nicht genügend Werbe- und Sponsorenverträge für die Saison 2011/12 als ausreichende Sicherheit vor. Die Sechziger standen kurz vor der Pleite - wie später beinahe jeden Monat in dieser Saison - und mussten etliche Geschäftspartner um Zahlungsaufschub bitten. Darunter auch die Berater ihrer Spieler, die vom Klub regelmäßige Honorare erhalten.

Die DFL schaltete sich ein, prüfte den Sachverhalt und kam zu eindeutigen Ergebnissen: Wegen Verstößen gegen die Lizenz-Auflagen wurden 1860 zwei Punkte abgezogen. Der TSV habe, so die DFL, während des Lizenzierungs-Verfahrens mehrmals schriftlich zugesichert, die vier Millionen Euro der Bodensee-Bank seien verfügbar. Das Geld werde auf alle Fälle kommen, dadurch ergebe sich ein "zusätzliches Finanzierungs-Volumen", hätten die Löwen mitgeteilt. Auf diese Zusage hin sei die Lizenz erteilt worden; und diese Zusage sei eben falsch gewesen, notierte die DFL in ihrer "Vertragsstrafen-Vereinbarung" mit dem TSV.

Wäre dem so gewesen, hätte 1860 unter ihrem Geschäftsführer Stoffers die DFL angeschwindelt. Dem widerspricht Stoffers, der die Löwen Mitte 2010 verließ und heute als "Referent für Grundsatzfragen" bei Deutschlands größtem Glücksspielkonzern arbeitet, der Gauselmann AG.

Die Vermutung, er habe schon bei 1860 Glücksspiel betrieben, weist Stoffers zurück. Unter seiner Geschäftsführung habe der Klub bei der DFL nicht behauptet, die Kreditlinie der Bodensee-Bank über vier Millionen Euro sei sicher. "Es wurden keine falschen Lizenzangaben gemacht." Man habe der DFL vielmehr mitgeteilt, dass die vier Millionen erst kämen, wenn 1860 der IBB die Forderungen aus künftigen Sponsoren- und Werbeverträgen als Sicherheit verkaufe.

Damit unterstellt Stoffers seinen Nachfolgern bei den Löwen indirekt, nicht die Grundlage für den Geldfluss der IBB geschaffen zu haben. Im Aufsichtsrat der Sechziger wird das zurückgewiesen. Stoffers habe ein Chaos hinterlassen; und irgendwann habe sich herausgestellt, dass manche Sponsoren- und Werbeverträge gar nicht mehr als Sicherheit für die IBB hätten genutzt werden können - weil sie schon anderweitig verpfändet gewesen seien.

Stoffers wiederum wirft der Vereinsführung vor, sich bei Spielerverkäufen quergelegt und so dringend nötige Erlöse verhindert zu haben. Aufklären lassen wird sich das wohl nicht mehr. Die heutige TSV-Führung dürfte kein Interesse haben, in der Vergangenheit zu wühlen, sollte der Klub alsbald endgültig gerettet sein.

DFL bleibt hart

Die DFL bleibt bei ihrer bisherigen Erkenntnis, 1860 habe vor einem Jahr "offensichtlich unzureichende Informationen" vorgelegt. In Zukunft dürfte das für 1860 kein Problem mehr sein, sofern die Millionen des arabischen Investors fließen. Aber es wird dann wohl andere Klubs geben, die Probleme der DFL bereiten. Zumindest so lange, wie es über Schlupflöcher weiterhin erlaubt ist, ungesund zu wirtschaften. Die Löwen sind kein Einzelfall.

Dem Einstieg eines arabischen Investors bei Fußball-Zweitligist 1860 München stehen weiterhin Bedenken der Deutschen Fußball-Liga im Weg. Sie hatte 1860 mitgeteilt, der Kooperationsvertrag mit dem Jordanier Hasan Ismaik müsse wegen zu großer Einflussnahme des Investors nachgebessert werden. Am Dienstag reiste deshalb 1860-Geschäftsführer Robert Schäfer zur DFL nach Frankfurter - doch die vorgelegten Korrektur-Ansätze wurden dort als nicht annähernd ausreichend bewertet. Neben dem DFL-Veto droht Ismaiks Einstieg auch an 1860-Vermarkter IMG zu scheitern; Ismaik will den Klub selbst vermarkten, doch die IMG lehnt offenbar eine Ablöse oder immerhin eine Vertragsänderung zu Laufzeit und Provision ab.

(abur)

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