Fußball:Das hat Paris mit Tuchel und Neymar vor

Hamburger SV v 1. FSV Mainz 05 - Bundesliga

„Thomas Tuchel – Maître du Jeu“, der Meister des Spiels: Das Fachblatt L’Equipe widmete dem deutschen Trainer wieder eine Titelgeschichte.

(Foto: Dennis Grombkowski/Getty Images)
  • Am Sonntag könnte PSG offiziell Meister werden - dann könnten sie auch jenes Geheimnis lüften, das auf dem besten Weg ist, kein Geheimnis mehr zu sein.
  • Thomas Tuchel soll bald als neuer Trainer verkündet werden.
  • Tuchel sei in mehreren Gesprächsrunden zugesichert worden, dass Neymar auch in der kommenden Saison in Paris spielen wird.

Von Christof Kneer

Am Sonntag treffen sich Paris Saint-Germain und AS Monaco zum Spitzenspiel in der französischen Liga. Es ist ein Spitzenspiel, wie man es auch aus der deutschen Bundesliga kennt, es sind im Grunde zwei Tabellenführer, die hier aufeinandertreffen. Die einen - Paris - führen die offizielle Tabelle an, die mit allen Klubs. Und die anderen - Monaco - führen die inoffizielle Tabelle an, jene, aus der man Paris mit seiner lästigen Überlegenheit schon raus gerechnet hat. PSG ist in Frankreich ungefähr das, was der FC Bayern in Deutschland ist: eine Mannschaft, die immer noch am Wettbewerb teilnimmt, weil niemandem bisher eine andere Lösung eingefallen ist. Der wahre Wettbewerb ist inzwischen aber mehr so ein interner, es geht nur noch darum, ob man sieben oder fünf Spieltage vor Schluss Meister wird.

Es ist im Grunde rührend, dass Teams wie Paris oder München sich immer zieren, Glückwünsche entgegenzunehmen - so lange, bis auch der allerletzte Mathematiker nichts mehr dagegen rechnen kann. Am Sonntag könnte PSG aber offiziell Meister werden - dann könnten sie auch jenes Geheimnis lüften, das auf dem besten Weg ist, kein Geheimnis mehr zu sein. Sie könnten dann offiziell erklären, was sie - unter anderem - vom Dauersieger aus München unterscheidet: dass sie jenen Trainer verpflichtet haben, den die Münchner genau deshalb nicht mehr haben können.

Thomas Tuchel, 44, wird Trainer von Paris Saint-Germain werden, aber er selbst wird das im Moment noch nicht bestätigen. Der Rhythmus wird in solchen Fällen immer vom Klub vorgegeben, und auch das ist ja niedlich bis rührend: dass man mit solchen Verlautbarungen so lange wie möglich wartet, um den aktuellen Trainer nicht zu nerven, zu kränken oder zu einer lame duck zu machen, dem die Profis auf dem Schnabel rumtanzen. Als wüsste das Trainer Unai Emery nicht selbst, dass seine Zeit in Paris zu Ende geht; als wüssten das nicht auch die obszön teuren VIP-Spieler wie Neymar, Kylian Mbappé oder Marco Verratti, die durch Berater und Beratersberater so gut vernetzt sind, dass sie von den Umtrieben in der Szene mitunter mehr Kenntnis besitzen als die Beteiligten selbst.

Am liebsten wäre es den Verantwortlichen von Paris Saint-Germain - dem Sportdirektor Antero Henrique, dem Präsidenten Nassr al-Khelaifi oder, genau genommen, dem Emir von Katar -, wenn sich die offizielle Verkündung des neuen Trainers noch bis in den Mai hinein verzögern ließe, am besten bis hinters französische Pokalfinale, das am 8. Mai zur Austragung kommt. Zwei Titel soll Unai Emery wenigstens noch in Ruhe nach Hause bringen dürfen, nachdem er es wieder nicht geschafft hat, in der Champions League weiter als bis in dieses lächerliche Achtelfinale vorzudringen. Aber an diesem Dienstag erschien die Sportzeitschrift L'Équipe bereits ein zweites Mal binnen weniger Wochen mit diesem deutschen Trainer auf der Titelseite, "Thomas Tuchel - Maître du Jeu", stand dort, Thomas Tuchel, Meister des Spiels.

Leipzigs Co-Trainer könnte Tuchel zu PSG folgen

Mal unabhängig davon, ob es einem Trainer, der mal in Mainz war, gefallen kann, so wuchtig begrüßt zu werden: Der mediale Druck ist inzwischen so groß, dass der niedlich bis rührende Plan nicht mehr aufgehen dürfte. Womöglich wird PSG also sehr bald dies bekannt geben: dass dieser junge Deutsche, den sie künftig Tüschääl nennen werden, neuer Trainer des 222-Millionen-Spielers Neymar wird.

Das, so ist zu hören, sei Tuchel in mehreren Gesprächsrunden zugesichert worden: dass Neymar ebenso bleiben wird wie Mbappé (die Zukunft des Neymar-Rivalen Edinson Cavani ist hingegen offen). Die Namen Neymar und Mbappé genügen wohl auch als Erklärung: Tuchel ist im Grunde seines Herzens zwar ein Ultra, ihm sind die Traditionsklubs näher als die internationalen Großprojekte, aber so ein ultraehrgeiziger Mann kann am Ende dann doch nicht widerstehen, wenn man ihm jene Spieler, die als legitime Nachfolger von Messi & Ronaldo gelten, zum Trainieren anbietet.

Antero Henrique, Sportdirektor in Paris seit vorigem Sommer, hat vor etwa fünf Wochen einen bis dahin eher losen Kontakt zu Tuchel verschärft und dem Trainer das Gefühl vermittelt, er sei der Wunschkandidat des ganzen Klubs inklusive aller hochrangigen Funktionäre - weshalb Tuchel zumindest mit einiger Ruhe jene Gerüchte aus Frankreich studiert, wonach Henrique einen anderen Kandidaten favorisiert habe. In den Gesprächen mit dem Portugiesen hat Tuchel eher den Eindruck gewonnen, dass sie - ausdrücklich gemeinsam - eine anspruchsvolle Aufgabe haben.

Kaderzusammenstellung mit Geldquellen aus Katar

Henrique, der seit seiner Zeit beim FC Porto als Experte für harmonisch komponierte Teams gilt, hat sich vorgenommen, den rein nach dem protzigen Heldenprinzip zusammengebauten Kader künftig strategischer zusammenzustellen - unter unveränderter Zuhilfenahme unergründlicher Geldquellen aus Katar sowie neuerdings eines Trainers, dem nach Paris der Ruf vorauseilt, gleichermaßen innovativ wie streng zu sein. Und bei PSG haben sie natürlich auch verfolgt, dass Tuchel in Dortmund mit Stars wie Aubameyang und Dembélé besser konnte als mit Ur-Borussen wie Sahin, Schmelzer oder Aki Watzke.

Noch sind nicht alle Details des neuen Jobs geklärt, offen ist etwa noch, ob Tuchel seinem ewigen Assistenten Arno Michels vertraut oder ob er versuchen wird, in Leipzig den von ihm geschätzten Co-Trainer Zsolt Löw abzuwerben. Löw sei nicht zu haben, hat Leipzigs Ralf Rangnick bereits ausrichten lassen, und das zumindest ist für die Herren in Paris und Katar ungewohnt: dass ein anderer Klub ihr schönes Geld nicht braucht.

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