Dänische Fußballer:Ein Streik, der an der Ehre Dänemarks kratzt

Slowakei - Dänemark

Plötzlich auf der großen Bühne: Dänemarks Amateurspieler vor dem Freundschaftsspiel in der Slowakei.

(Foto: dpa)
  • Dänemark verliert ein Freundschaftsspiel in der Slowakei, das Besondere: Die dänische Elf bestand aus Amateurkickern und Futsal-Spielern.
  • Grund ist, dass sich die regulären Nationalspieler im Streit mit dem dänischen Verband befinden.
  • Mit welcher Mannschaft Dänemark am Sonntag zum Start der Nations League auflaufen wird, ist offen.

Von Felix Haselsteiner

Der Tag, an dem sich John Jensen zum ersten Mal in die Geschichtsbücher des dänischen Fußballs eintrug, war der 26. Juni 1992. Jensen, der zentrale Mittelfeldspieler in der legendären Danish-Dynamite-Mannschaft, erzielte im Finale der Europameisterschaft gegen Deutschland in der 18. Minute das 1:0 und ebnete damit den Weg zum größten fußballerischen Triumph des Landes. In den darauf folgenden 26 Jahren ist Jensen, 53, etwas in Vergessenheit geraten, er arbeitete bis Juni 2018 als Trainer beim Zweitligisten Fremad Amager, seitdem ist er vereinslos. Am Mittwochabend änderten sich vorübergehend zwei Dinge in Jensens Leben: Erstens war er für kurze Zeit nicht mehr vereinslos und zweitens konnte sich Jensen ein weiteres Mal in die Geschichtsbücher eintragen.

Das Freundschaftsspiel zwischen Dänemark und der Slowakei, das am Mittwoch in Trnava, rund 40 Minuten außerhalb von Bratislava, ausgetragen wurde, war in jedem Fall geschichtsträchtig. Auch wenn es diesmal für Jensen und den dänischen Fußball nicht um den EM-Titel ging, sondern erst einmal um das Fortbestehen als glaubwürdiger Fußballverband. Mit 0:3 verlor eine von Jensen betreute dänische Mannschaft, die sich aus Drittligakickern und Futsal-Spielern zusammensetzte, Letztere spielen normalerweise in der Halle.

Ein ehrenwertes Ergebnis gegen die slowakische A-Nationalmannschaft, die unter anderem mit ihrem besten Spieler Marek Hamšík vom SSC Neapel antrat. "Das war eine starke Leistung", sagte Stürmer Christian Offenberg im dänischen Fernsehen: "0:3 ist ein sehr ordentliches Ergebnis." Offenberg erzielt normalerweise Tore für den Boldklubben Avarta in der dritten Liga, eigentlich hätte er gestern im Pokalwettbewerb antreten sollen. Die kurzfristige Reise war dann doch wichtiger, wie oft bekommt man als Drittligaprofi schon die Gelegenheit, für sein Land aufzulaufen? Mittelfeldspieler Rasmus Johansson von Hellerup IK, aktuell Sechster der dritten dänischen Liga, Gruppe 2, sah das ähnlich: "Natürlich ist es eine seltsame Situation, in der wir gelandet sind, aber es ist immer noch etwas, wovon ich immer geträumt habe."

Der Verband pocht auf die Verträge

Die "seltsame Situation", in der sich ein zusammengewürfelter Haufen unterklassiger dänischer Fußballer in der slowakischen Provinz vor etwa 6000 Zuschauern wiederfand, war aus einem Streit zwischen Spielern und Verband entstanden, der im Streik endete, in dem es in erster Linie um Werbeverträge geht. Die besten Fußballer des Landes, bei der Weltmeisterschaft in Russland im Achtelfinale an Kroatien gescheitert, wollen sich Rechte zur Eigenvermarktung sichern und individuelle Sponsorenverträge abschließen, selbst wenn diese Konkurrenten des Teamsponsors sind.

Der dänische Verband DBU hingegen pocht auf die Einhaltung der bisherigen Kontrakte, die Situation eskalierte. "Wir hatten gehofft, die Spieler würden zusagen, wenn wir ihnen dieselbe Gage bezahlen, einen Bonus, die Versicherung und zudem bessere Bedingungen bei den Flügen, im Bereich der Ernährung und der Behandlung bieten", sagte DBU-Geschäftsführer Claus Bretton-Meyer und gab den Streikenden die Schuld.

Die Spieler wollen sich damit jedoch nicht abfinden. "Die DBU erzählt eine Geschichte, in der wir so erscheinen, als hätten wir nichts anderes als unseren Geldbeutel im Sinn", verteidigte Christian Eriksen von Tottenham Hotspur der dänischen Zeitung Ekstrabladet den Streik, in dem es offenbar auch um Sparmaßnahmen bei Länderspielreisen zulasten der Spieler geht.

"Lasst uns wie Erwachsene miteinander reden"

Die Fronten zwischen Verband und Spielergewerkschaft sind aktuell verhärtet, in dänischen Medien wird den Verhandlungsführern eine schlechte Chemie nachgesagt. Dennoch appellieren Akteure wie Dortmunds Thomas Delaney an die Streitparteien. "Können wir nicht nur einen Monat verlängern? Ehrlich, DBU - lasst uns wie Erwachsene miteinander reden", wird Delaney in einer Pressemitteilung der Spielergewerkschaft zitiert. Er deutet damit eine mögliche kurzfristige Lösung an: Die aktuellen Verträge könnten übergangsmäßig für kurze Zeit verlängert werden, die Spieler ihren Streik somit beenden und später langfristige Verträge aushandeln. Theoretisch könnte das bis Sonntag der Fall sein.

Dann geht es für Dänemark beim Heimspiel gegen Wales in der Nations League nämlich um mehr als den Auf- und Abstieg aus der Gruppe. Dass beide Spiele stattfinden, ist für den Verband von großer Bedeutung: Eine ähnliche Auseinandersetzung mit der Frauen-Nationalmannschaft hatte im vergangenen Jahr zur Absage eines WM-Qualifikationsspiels geführt. Damals sprach die Uefa eine Geldstrafe in Höhe von 20 000 Euro aus, bei Wiederholung drohe eine Sperre, möglicherweise sogar ein Ausschluss für die kommende Europameisterschaft. Dazu könnte es jedoch auch kommen, wenn beide Spiele stattfinden. Ob der slowakische Fußballverband SFZ bei der Uefa eine Beschwerde einlegen wird, ist derzeit noch unklar. Im Vorfeld hatte sich der SFZ in einer Mitteilung entrüstet als "Opfer des Streits" geäußert, die Tickets für das Spiel etwa mussten rückerstattet werden - es ging ja nur gegen ein "Team von geringer Qualität".

Dieses Team hat sich nun überraschend gut präsentiert. Fast schon überrascht titelte die Boulevardzeitung BT "Heroisch gekämpft", Ekstrabladet schrieb, das Team "habe die Ehre gewonnen". Ob die tapfere Elf am Sonntag noch einmal auflaufen wird, entscheidet sich in den kommenden Tagen. Nach dem Spiel am Mittwoch äußerten sich Experten wie der angesehene Fernsehkommentator Flemming Toft: Es sei das "schwärzeste Kapitel der dänischen Fußballgeschichte", man müsse nun Lösungen finden. Toft forderte medienwirksam den Rücktritt der verantwortlichen Unterhändler, über den schon seit einigen Tagen spekuliert wird.

Die Spieler, die am Mittwoch ihr Debüt feierten, werden die Diskussionen aufmerksam verfolgen, immerhin geht es auch für sie um einiges. Sollten Stürmer Offenberg und Mittelfeldspieler Johansson nicht noch einmal einspringen müssen, würden sie sich auf dem Platz gegenüberstehen: Am Sonntag trifft in der dritten Liga der Boldklubben Avarta auf Hellerup IK.

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