Fußball: Copa America:Im Auftrag der Nation

Mit dem neuen Nationaltrainer Sergio Batista will Argentinien nach Jahren ohne Titel zu Hause die Südamerika-Meisterschaft gewinnen. Dafür muss ihr Bester Lionel Messi endlich so spielen wie beim FC Barcelona - oder gleich wie Maradona.

Peter Burghardt, Buenos Aires

Argentinien denkt gerne an die Vergangenheit, dort lagern ruhmreiche Momente. Vor 100 Jahren war die junge Republik mit ihren Kuhweiden und Kornkammern reich, nachher ging es bergab bis zum Staatsbankrott 2001/2002. Vor 25 Jahren wurde die argentinische Fußball-Auswahl zum zweiten und bisher letzten Mal Weltmeister, 3:2 am 29. Juni 1986 in Mexikos Aztekenstadion gegen Deutschland. Beim dritten Treffer lief Jorge Burruchaga seinem Verfolger Hans-Peter Briegel davon, die Zeitungen gedachten dem Ereignis gerade wieder.

Copa America 2011

Im Trikot der Nationalelf noch ohne bedeutenden Titel: Lionel Messi.

(Foto: dapd)

Passgeber Diego Maradona hatte zuvor gegen die Engländer sein Jahrhundertsolo absolviert und die Hand Gottes eingeweiht. "Der Pokal in meinen Händen", schrieb Maradona in seinen Memoiren, "ich schüttelte ihn, hob ihn, küsste ihn." Jetzt soll wenigstens mal wieder die Copa América her. Ohne Maradona.

Sein Experiment als Trainer der weißblauen Riege endete beim 0:4 gegen die Deutschen bei der WM 2010 in Südafrika, auch das unvergessen. Inzwischen zog Maradona ins arabische Exil zum Klub Al-Wasl von Dubai. Er schimpft gerne auf Nachfolger Sergio Batista, bärtiger Kumpan der WM-Helden von 1986, was den jedoch nicht weiter stört.

Bisher jedenfalls, denn Batista hat bis zum 25.Juli 2011 nur eine Aufgabe: Er muss daheim in Argentinien diese Südamerika-Meisterschaft gewinnen, die Copa América, die seit 1916 ausgespielt wird und älter ist als die WM. Seit 1993 hat die Albiceleste auch diesen Titel verpasst, letzter Höhepunkt war der Olympiasieg 2008. Damals in Peking stand Batista an der Linie, und auf dem Feld zauberte ein kleiner Künstler, der nun endgültig Maradonas Erbe übernehmen soll: Lionel Messi.

Mit dem FC Barcelona hat das Wunderkind aus Rosario sämtliche Trophäen erbeutet, mit Argentinien nur die U20-WM 2005 und Gold in China. Er ist 24 und lebt seit 13 Jahren in Katalonien - länger als zuvor in der Heimat, der ihr bester Mann oft fremd vorkommt. Vor ein paar Tagen hieß es sogar, er sei vor einem Restaurant in Rosario von einem Hooligan des Vereins Central bedrängt worden, Erzfeind seines Heimatklubs Newell's.

Man erzählt sich außerdem von Partys in seinem Apartment im Hafenviertel Puerto Madero von Buenos Aires, womit er immerhin das argentinische Nachtleben erreicht hätte. "Ich war in der Auswahl immer sehr umstritten", sagt Messi, Kosename La Pulga, der Floh. "Ich habe mit Barcelona alles gewonnen, die Welt schätzt mich, aber mir fehlt Argentinien. Hoffen wir, dass alles gut ausgeht."

40 Millionen Menschen hoffen auf Messi

40 Millionen Landsleute hoffen mit, besonders für ihn geht es um die Ehre. Der beste Fußballer der Welt will sich endlich auch im Auftrag der Nation frei spielen. Unter Maradona schoss Messi drei Tore in 16 Partien, unter Batista vier in sieben. Er ist in die Sturmspitze gerückt, begleitet von einem Heer an Offensivkräften.

Um einen Platz neben ihm bewerben sich Volksheld Carlos Tevez von Manchester City, Ezequiel Lavezzi aus Neapel, Gonzalo Higuain von Real Madrid, Maradonas Schwiegersohn Sergio Agüero von Atlético Madrid und Inter Mailands Diego Milito. Dazu in der Defensive ordnende Haudegen wie die Mailänder Esteban Cambiasso und Javier, die Maradona vergessen hatte. Batista berief außer Ersatztorwart Carrizo von Absteiger River Plate nur Profis aus Europa.

An diesem Freitag beginnt für die argentinischen Legionäre die Mission Amerika, gegen Bolivien, 21.45 Uhr Ortszeit im neuen Stadion von La Plata bei Buenos Aires. Im bolivianischen La Paz war Argentinien vor gut zwei Jahren bei der WM-Qualifikation 1:6 untergegangen, auch Messi ging in der Höhe die Luft aus, ein Tiefpunkt der Ära Maradona.

Die Rivalen um die Copa indes sind andere. Vorneweg Brasiliens runderneuerte Belegschaft von Trainer Mano Menezes mit den Angreifern Neymar und Ganso von Weltpokalsieger FC Santos. Vielleicht auch Chile, wo der Argentinier Claudio Borghi seinen Landsmann Bielsa beerbte und Stürmer Alexis Sánchez seinen Preis für den FC Barcelona weiter nach oben treiben will. Oder Uruguay mit Diego Forlán, der Attraktion der WM.

Gespielt wird mitten im südamerikanischen Winter quer durch Argentiniens Provinz. In Mendoza, Córdoba, San Juan oder Santa Fé, wo die Arena "Friedhof der Elefanten" genannt wird. Die Veranstalter wollen das Riesenreich öffnen, die Regierung lässt die Begegnungen im öffentlichen Fernsehen übertragen und Flachbildschirme mit Raten bezahlen.

Nur das Finale findet in Buenos Aires statt: im Estadio Monumental, wo am Wochenende River Plate in die zweite Liga abgestürzt ist und das Argentinien Batistas und Messis in drei Wochen die Copa América erobern will.

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