Süddeutsche Zeitung

Homosexualität im Fußball:Ein besonders wertvolles Coming-out

Der englische Fußball-Profi Jake Daniels outet sich als homosexuell - mit gerade einmal 17 Jahren. Es ist ein wichtiger Schritt auch für den Sport.

Kommentar von Volker Kreisl

Das gängige Ideal eines erfolgreichen Leistungssportlers hat sich schon länger nicht mehr sonderlich geändert. Es beschreibt einen Athleten oder eine Athletin, die etwas aushalten kann. Er oder sie zeichnet sich aus durch Stärke und Ausdauer, aber auch durch Leidensfähigkeit und Überzeugung, Zielstrebigkeit und Verantwortungsdenken fürs Team. Diese Qualitäten haben zu tun mit einem gesunden Selbstbewusstsein, das entsteht, wenn man dazu imstande ist, sich selber zu spüren.

Wie soll einer, der nicht nur Befehle befolgen will, sondern vorhat, wirklich sein ganzes Talent zu entfalten, Erfolg haben, wenn er sich selber nicht spüren kann, weil es die Gesellschaft offen oder auch nur vermeintlich verbietet? Dies hat der junge englische Profifußballer Jake Daniels dieser Tage endgültig begriffen, und zum Segen vieler, die in seiner Situation stecken, auch offen erklärt. Jake Daniels ist schwul, und er meinte, es sei nun endlich an der Zeit, dass es alle auch wissen sollen. Der wohl wichtigste Teil seiner Begründung: "Ich habe jetzt das Gefühl, dass ich bereit dafür bin, ich selbst zu sein."

Mit 17 lassen sich viele von den Normen der Gruppe leiten - auch deshalb ist das Beispiel wertvoll

Weil Daniels erst 17 Jahre alt ist, in einem Alter, in dem sich viele noch von den Normen der Gruppe leiten lassen und nicht vermeintlich unangenehm auffallen wollen, ist sein Beispiel besonders wertvoll für ihn und andere Betroffene. Zudem hat er auch einiges Aufsehen erregt, wohl auch wegen seines Alters. Gratuliert haben Daniels zu seinem Schritt: seine Familie, sein Klub, der Zweitligist Blackpool FC, zahlreiche englische Spitzenklubs, die Uefa, die Fifa und Boris Johnson, der englische Premierminister, der Jake für seinen Mut dankte.

Vermutlich dachte Daniels aber weniger an irgendeine Vorbildwirkung für andere als ganz einfach an sich selbst. Er habe es gehasst, erklärte Daniels, sich immer zu verstellen, zu lügen und ständig das Gefühl zu haben, "mich anpassen zu müssen". In gewisser Weise ist er jetzt also frei, und ja, er ist auch er selber und hat als solcher die Möglichkeit geschaffen, sich immer weiter zu entwickeln, hin zu einem selbstbewussten und kompletten Fußballer, der alle seine Qualitäten entfaltet.

Das war der psychologisch wichtige Grund dafür, sich mit 17 Jahren allen zu erklären. Darüber hinaus war da vielleicht auch noch ein banaleres, aber ebenso nachvollziehbares Argument fürs Daniels' Coming-out: Lange genug hat er sich bremsen lassen, Fußballerkarrieren dauern aber auch nicht ewig, warum also kostbare Zeit verschwenden?

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