Fußball: Champions League:Van Gaals Gladiatoren

Nach einer denkwürdigen Partie und einem Traumtor von Arjen Robben ziehen die Bayern ins Viertelfinale der Champions League ein. Sie müssen aber zwei schlechte Nachrichten verkraften.

Johannes Aumüller

Noch zu Wochenbeginn hatte Bayern-Trainer Louis van Gaal für viele Diskussionen und für viel Schmunzeln gesorgt, als er in einem Interview mit dem Fachblatt Kicker eine Reihe an Regeländerungen für den Fußball vorschlug - unter anderem die Abschaffung des Elfmeterschießens und die Einführung eines sogenannten Gladiatorenspiels. Seine Idee: Kommt es in einer Partie zu einer Verlängerung, soll es nicht Elf gegen Elf weitergehen, sondern sich die Spieleranzahl sukzessive reduzieren. Alle fünf Minuten müsse der Trainer einen Akteur vom Feld nehmen. "Viele werden müde, die Gladiatoren bleiben übrig. Was das für taktische Finessen erfordert! Jetzt gewinnt die bessere Mannschaft", schwärmte der Niederländer.

Nun hat Louis van Gaal sein Gladiatorenspiel bekommen. Schneller als erwartet und anders als von ihm erhofft. Denn dieses Spiel seiner Münchner in Florenz, diese 2:3-Niederlage, die ihnen nach dem 2:1 im Hinspiel vor zwei Wochen reichte, um ins Viertelfinale einzuziehen - es hatte etwas von einem ganz großen Spektakel.

Die Zuschauer sahen kein hochklassiges Spiel, aber ein extrem spannendes. Wie sich zwei Mannschaften bei extrem widrigen äußeren Bedingungen, bei Wind, ja sogar bei Sturm, 90 Minuten lang beharkten und bekämpften. Wie sich bei den Akteuren beider Mannschaften dilettantische Schnitzer und großartige fußballerische Momente abwechselten.

Wie die Bayern nach Toren von Vargas (28.) und Jovetic (54.) am Boden schienen. Wie sie in Gestalt von Robben in geradezu spätrömischer Dekadenz eine Riesenchance ungenutzt ließen (31.). Wie sie sich wieder aufrafften und durch van Bommel zum 1:2 kamen (60.). Wie sie nach Jovetics zweitem Treffer wieder am Boden schienen (64.), wie sie sich sofort wieder aufrafften und durch Robben zum 2:3 kamen (65.). Und wie sich die Münchner freuen durften, dass der Schiedsrichter an diesem Abend Herr Mallenco hieß und in der 77. Minute bei einem Tor von Florenz-Angreifer Gilardino, zu Recht, auf Abseits entschied - aber wer weiß, wie Herr Övrebö entschieden hätte?

"Ich hätte mir natürlich einen geruhsameren Abend gewünscht", sagte Sportdirektor Christian Nerlinger, dessen Gesichtszüge zwischenzeitlich ähnlich ratlos aussahen wie die von Trainer van Gaal an der Seitenlinie und die der Bayern-Bosse Uli Hoeneß und Karl-Heinz Rummenigge oben auf der Tribüne. Denn das Achtelfinale der Champions League ist für die Bayern so etwas wie Neros Daumen im alten Rom. Vorher ausscheiden geht gar nicht, im Achtelfinale ausscheiden ist hart an der Grenze des Akzeptablen, aber ab dem Viertelfinale gilt eine Saison auf europäischem Parkett als gelungen. Die Fußball-Welt kennt manchmal keine oder nur sehr marginale Differenzierungen.

Es fehlte ja nicht viel, ein Traumtor von Robben weniger, ein Abseitstreffer von Gilardino mehr, und die Situation wäre eingetreten. Das traditionelle Bankett nach dem Spiel wäre zwar nicht so tränenreich ausgefallen wie im Vorjahr nach dem 0:4 in Barcelona, als Alt-Trainer Udo Lattek weinte, und auch nicht so laut wie 2000/01 nach dem 0:3 in Lyon, als Franz Beckenbauer seine berühmte Wutrede ("Uwe-Seeler-Traditionsmannschaft", "Altherrenfußball") hielt. Aber es hätte zu Diskussionen geführt, über den Trainer, über den Kader, über alles, wie das halt so ist beim FC Bayern.

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Doch so durften die Bayern trotz einer unglaublich wackeligen Abwehr, trotz einiger schwerer individueller Patzer und trotz ihrer ersten Niederlage nach 17 ungeschlagenen Pflichtspielen in Serie jubeln. Und so gibt es zunächst keine Diskussionen über Trainer, Kader und alles, obwohl ob der Abwehr-Leistung die eine oder andere angebracht wäre, sondern stattdessen ein paar Heldennotizen zu erzählen.

Zuvorderst natürlich die von Arjen Robben, der mit einem fulminanten Schuss den Treffer zum Weiterkommen erzielte, der nach seiner vertanen Großchance in der ersten Hälfte noch aufgedrehter und spritziger und noch dribblingvernarrter spielte als normalerweise, sofern bei Robben und den Adjektiven aufgedreht, spritzig und dribblingvernarrt ein Komparativ überhaupt möglich ist.

Oder die von Kapitän Mark van Bommel, der sich so oft anhören muss, er sei nur der Aggressive Leader, der rustikale Zerstörer und lauffaule Dirigent, der mit einem platzierten Flachschuss das zwischenzeitliche 1:2 erzielte und auch ansonsten zu überzeugen wusste. Oder die von David Alaba, dem erst 17-jährigen Linksverteidiger, der nie zuvor in der Bayern-Anfangsformation gestanden und der noch nie zuvor Linksverteidiger gespielt hatte - und eine starke Leistung ablieferte, zumal sein Flügel-Kompagnon Franck Ribéry auf die Abwehrarbeit weitestgehend verzichtete und Alaba defensiv für zwei arbeiten musste.

"Er hat mein Vertrauen nicht enttäuscht", lobte van Gaal. Es kann also gut sein, dass der Österreicher auch in der nächsten Champions-League-Runde in der Startelf steht, wenn unter Umständen Brocken wie Chelsea, Barcelona oder Real Madrid drohen, denen Philipp Lahm im Viertelfinale noch "aus dem Weg gehen" will. Kapitän Mark van Bommel gab sich optimistisch: "Das Viertelfinale war unser Mindestziel. Das haben wir geschafft, aber wir sind noch nicht fertig. Wir haben noch einiges vor, ohne jetzt große Sprüche rauszuhauen"

Doch daneben hatten die Bayern auch zwei schlechte Nachrichten zu verkraften. Angreifer Mario Gomez musste in der 30. Minute verletzungsbedingt das Feld verlassen. Wegen eines Muskelfaserrisses in der Wade fällt er nun zwei bis drei Wochen aus. Der Nationalstürmer zeigte zuletzt zwar keine überzeugenden Leistungen, doch immer noch bessere als sein Ersatzmann Miroslav Klose.

Zudem spielt in den nächsten Wochen auch Bastian Schweinsteiger in den Plänen von Louis van Gaal eine weniger bedeutende Rolle als zuletzt. Der Mittelfeldspieler verletzte sich zwar nicht, kassierte aber nach einer völlig unnötigen Aktion (Schlag mit dem Arm in Jovetics Gesicht in der 22. Minute, dafür haben Schiedsrichter auch schon Rot gegeben) die dritte gelbe Karte des Wettbewerbs und muss nun im Viertelfinalhinspiel (30./31. März) zuschauen. Zuvor hatte er im Bundesligaspiel gegen Köln die fünfte gelbe Karte in der Meisterschaft gesehen und muss auch im nächsten Liga-Spiel pausieren.

"Gott sei Dank gibt es noch den DFB-Pokal" witzelte Schweinsteiger. Am 24. März muss der FC Bayern im Pokal-Halbfinale beim FC Schalke 04 antreten. Durchaus vorstellbar, dass es dann nicht zu einem Gladiatorenspiel, sondern zu einem Elfmeterschießen kommt.

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