Fußball-Champions-League:Nur kurz wie die Königlichen

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Nach äußerst beherztem Beginn erlahmen den Spielern des FC Schalke 04 gegen den FC Barcelona die Kräfte - und sie unterliegen unglücklich mit 0:1.

Das Publikum in Barcelona ist manchmal schwer zu verstehen. 73 Minuten gespielt, der FC Barcelona führte 1:0 im Viertelfinal-Rückspiel der Champions League gegen Schalke 04, alles sah nach der Qualifikation fürs Halbfinale aus, da Barcelona auch das Hinspiel in Schalke 1:0 gewonnen hatte. Das Publikum aber pfiff und winkte mit weißen Taschentüchern, was in Spanien ein Ausdruck des Unmuts ist. Trainer Frank Rijkaard hatte es gewagt, den Publikumsliebling Bojan auszuwechseln, und das verzieh ihm das Publikum nicht.

Barcelonas Torschütze Toure jubelt, Schalkes Torwart Neuer kann es kaum fassen, wie der Treffer gefallen ist. (Foto: Foto: AP)

Dass da noch eine andere Mannschaft auf dem Platz stand, interessierte das Gros der gut 80000 Zuschauer kein bisschen. Sie pfiffen nun, und als eine Viertelstunde später die Partie beim Stand von 1:0 (1:0) beendet wurde, war die Stimmung immerhin ein wenig besser. Ziel erreicht, Pflicht erfüllt gegen dieses - wie hießen die nochmal? Ach richtig, Schalke. "Es ist schade, wir haben mit dem 0:1 kurz vor der Pause einen richtigen Nackenschlag erhalten. Der letzte Zentimeter hat gefehlt", sagte Schalkes Trainer Mirko Slomka ein wenig betrübt.

Und wenn es nun doch - entgegen alle Erwartung - die Schalker geschafft hätten? Dann wäre ein wichtiges Ritual zu einer herkulischen Aufgabe geworden: das Werfen der Trikots zu den Fans. Die aus Deutschland angereisten Zuschauer saßen im vierten Rang, das ist im riesigen Nou Camp so weit, als verfolge man ein in Gelsenkirchen laufendes Spiel aus Dortmund. Das Geschehen auf dem Platz ließ sich aus dieser Entfernung mit einem guten Fernglas immerhin erahnen, und zu sehen war, dass Schalke zunächst beherzt angriff.

Ganz in Weiß war die Mannschaft gekleidet. Das ist so üblich bei Auswärtsspielen, wenn der Klub nicht in Königsblau antreten kann, aber es hatte in Barcelona eine besondere Note: So weiß tritt für gewöhnlich der große Rivale des FC Barcelona auf, Real Madrid. Nun hat Schalke mit Real so viel gemein wie ein Kohlebergwerk mit einer Goldmine, aber von oben, vom vierten Rang des Nou Camp, sah es anfangs tatsächlich so aus, als seien die Königlichen aus Madrid angereist. Denn die Weißen zeigten keinen Respekt vor dem Gegner.

Das heißt: ein bisschen Respekt vielleicht insofern, als dass sie es oft mit Fernschüssen versuchten. Das kann daran gelegen haben, dass die Schalker sich nicht weiter nach vorne trauten, oder aber daran, dass vielleicht der hauseigene Spähdienst Informationen über Barcelonas Torwart Victor Valdes übermittelt hat: Manchmal hält er bei Fernschüssen den Ball nicht fest.

Asamoah, Altintop und Kuranyi vergeben Chancen

Gerald Asamoah machte nach fünf Minuten den Anfang, er schoss aus 18 Metern am Tor vorbei. Drei Minuten später ließen die Schalker den Ball flüssig durchs Mittelfeld laufen, als seien sie die Kombinationself und der FC Barcelona die wuchtige Arbeitsmannschaft. Fabian Ernst fügte der Kombination einen schönen Pass auf Halil Altintop hinzu, der aus 20 Metern aufs Tor schoss, nicht präzise, aber hart. Und tatsächlich: Valdes konnte die Kugel nur abklatschen, sie rotierte wie ein Brummkreisel durch die Luft, fast schien sie zu stehen. Dann wischte Valdes den Ball zur Seite, die Gefahr war gebannt, und das alles sah so spannend aus, dass Stürmer Kevin Kuranyi in sicherer Entfernung verharrte und beinahe reglos zuschaute. Gebannt.

Gut, er hätte nachsetzen können, und ein bisschen sah er in diesem Moment so aus wie der Kuranyi des Hinspiels, der nach 60 Minuten wegen Lethargie ausgewechselt worden war. Aber es war nur ein kurzer Moment, von dem abgesehen Kuranyi rackerte und lief und erkennbar zeigen wollte, dass er bereit ist, alles zu geben für seine Mannschaft. In der 14. Minute hatte er sich tollkühn in eine Flanke von Rafinha geworfen. Der Ball segelte knapp am Tor vorbei, Kuranyis Kopf dafür ganz genau gegen den des Abwehrspielers Gianluca Zambrotta. "Wir haben gefightet um jeden Meter, aber es fehlt dann die Erfahrung, selbst das Ding reinzumachen", sagte Slomka.

Wenig später hätte Kuranyi vielleicht an eine Flanke von Jermaine Jones kommen können, wenn er mit alle Macht geradeaus gesprungen wäre. Dort stand allerdings der Pfosten, und da kein Mensch bei Verstand mit voller Wucht gegen einen Pfosten springt, sprang Kuranyi knapp am Pfosten vorbei und verfehlte den Ball um Haaresbreite. Es war zu sehen: Schalke will, Schalke hat die Chancen, aber Schalke nutzt die Chancen nicht. Das ist das Thema der Elf in dieser Saison. "Wir haben viel investiert", befand Torwart Manuel Neuer, "aber das Glück hat gefehlt." So kann man es auch sagen.

Barcelona sah lange völlig ungefährlich aus. Es brauchte schon einige Hilfe der agilen Männer aus Gelsenkirchen für einen Treffer. Nach einer Flanke von Bojan schlug Marcelo Bordon den Ball gerade in die Luft. Mladen Krstajic musste auf der Linie retten, er köpfte den Ball ins Feld zurück, wo Yaya Touré die Kugel erfreut erblickte und ins Tor drosch. Es war die 43. Minute, in der Sprache des Fußballs also: ein psychologisch äußerst ungünstiger Zeitpunkt.

Davon erholte sich Schalke nicht. In der zweiten Halbzeit schien der starke Glaube, der die Mannschaft zunächst beseelt hatte, verschwunden zu sein. Barça kontrollierte jetzt die Partie, ohne dabei sonderlich beeindruckend aufzutreten. Es passierte nicht mehr allzu viel, Kuranyi rackerte wacker, Barcelona vergab einige Chancen, die Partie - sie strebte ereignislos dem Abpfiff entgegen. "Wir konnten offensiv nichts mehr zusetzen", sagte Manager Andreas Müller. Am Ende suchten die Schalker Spieler ihre Fans und fanden sie schließlich in der Ferne des vierten Rangs. Artig schickten sie einen Dank in diese unendliche Ferne.

© SZ vom 10.04.2008 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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