Fußball: Champions League:Königliches Bayern

Selbstbewusst, dominant und mit einem überragenden Drei-Tore-Stürmer: Mit einem beeindruckenden 3:0 bei Olympique Lyon erreichen die Münchner das Champions-League-Finale.

Es gibt Torchancen, die hat man normalerweise nicht so oft in einem Champions-League-Halbfinale. Man bekommt sie, wenn man geduldig ist, vielleicht in der 80. Minute, und dann muss man sie nutzen. Im Stade Gerland in Lyon waren noch keine drei Minuten gespielt, als Ivica Olic plötzlich zu Thomas Müller passte, der überrascht einen halben Meter vorbeischoss. Schlimm? Nicht schlimm.

FC Bayern, AP

Mit einer überzeugenden Leistung ist der FC Bayern ins Finale eingezogen.

(Foto: Foto: AP)

Es war nur der Beginn einer herausragenden Vorstellung des FC Bayern, der mit einem beeindruckenden 3:0 (1:0) bei einer allerdings enttäuschenden Elf von Olympique Lyon zum ersten Mal seit neun Jahren wieder ein Champions-League-Endspiel erreichte. Und diesmal ging's auch ohne Geniestreiche von Arjen Robben: Robben heißt jetzt Olic, der Kroate erzielte alle drei Tore. Am 22. Mai steigt das Finale in Madrid, an einem für den FC Bayern passenden Ort - zurzeit spielen die Münchner so erhaben und königlich, wie es der im Bernabeu-Stadion ansässige Klub namens Real gerne täte.

"Was wir heute Abend hier erlebt haben, das war fast Fußball in Vollendung", schwärmte Präsident Uli Hoeneß hinterher, "ich habe den FC Bayern in einem wichtigen Spiel lange, lange nicht mehr so gut gesehen." Louis van Gaal, der Architekt dieses Erfolges, dachte weniger in historischen Kategorien, er dachte auch hinterher noch wie ein Sportlehrer. "Wir haben ein sehr, sehr gutes Pressing gespielt", lobte der Niederländer, "dieses Pressing war zu viel für Lyon." - "Noch ein Spiel, dann treffen wir uns" - eine SMS dieses Inhalts hatte van Gaal nach dem Hinspiel an José Mourinho geschickt, den Coach von Inter Mailand. Mourinho muss sich aber erst noch qualifizieren, van Gaal ist schon da.

Müllers frühe Chance hatte schnell den Tonfall dieser Partie vorgegeben. Louis van Gaals Spieler hatten sich erkennbar vorgenommen, van Gaals Spieler zu sein - sie wollten "die Ordnung halten", wie ihr Chef das nennt, sie wollen auf kontrollierte Art Dominanz ausüben. Van Gaal ist ja keiner, der einen 1:0-Erfolg im Hinspiel zum Anlass nimmt, seiner Elf einen Defensivstil einzureden. Abwarten und den Gegner kommen lassen, so was machen van-Gaal-Teams nicht.

Die Bayern - mit dem rechtzeitig fit gewordenen van Buyten, aber ohne den angeschlagenen Demichelis - überstürzten nichts, aber sie machten dem Gastgeber von der ersten Sekunde an auf eine ziemlich einleuchtende Weise klar, dass sie da sind. Vorne störte der lästige Olic Lyons Abwehrspieler schon bei den Grundzügen des Spielaufbaus, er nervte sie mit ständigem Pressing, und Nebenmann Müller tat das, was er am besten kann: Er schlenderte unauffällig an den Nahtstellen entlang, um womöglich jene Bälle zu erwischen, die der lästige Olic stibitzt.

Diese Spielweise trug dazu bei, dass Lyon von Beginn an nicht zur Ruhe kam. Auch die Franzosen hatten ja eigentlich keinen Grund zur Hektik, ein 0:1-Rückstand muss ja nicht in den ersten zehn Minuten aufgeholt werden. Aber die Münchner gaben ihnen keine Gelegenheit, ein Gespür für dieses Spiel zu entwickeln. Zwar wirkten die Gastgeber in der ersten Viertelstunde leicht überlegen, aber das war nur eine optische Täuschung.

Mon Dieu!, dachten die Franzosen

Die Bayern hatten die Partie im Griff, die Franzosen spielten kaum einen Angriff zu Ende. Und je mehr Nadelstiche die Münchner in der Offensive platzierten, um so mehr wuchs der Respekt der Franzosen. Es war ihnen fast anzusehen, wie sie bei jeder Aktion dachten: Bloß nicht den Ball verlieren, nicht dass diese ballsicheren Bayern gleich wieder einen Konter über diesen verrückten Olic fahren!

In der 26. Minute geschah das, was Lyon womöglich die ganze Zeit befürchtet hatte: Sie kassierten jenes Tor, das ihnen ihre ordentliche Ausgangsposition verdarb. Und Bayerns Treffer tat ihnen besonders weh, weil er eine Demonstration war. Die Münchner schafften es, aus einem stehenden Ball eine flüssige Kombination zu machen: Altintops Einwurf kam zu Müller, der schob den Ball rüber zu Robben und sprintete in die Gasse, dort fand ihn Robbens Pass, und Müllers Hereingabe landete beim wilden Olic, der sich gekonnt um Cissokho drehte und den Ball ins Tor schoss. So sieht das also aus, wenn aus Ordnung Kreativität wird.

Aber die Bayern merkten auch, dass Ordnung nur mit Arbeit funktioniert. Ein bisschen lässiger wurden sie jetzt, prompt kam Lyon zur ersten großen Chance. Eine Flanke erwischte die Münchner in einem unsortierten Moment, Bastos kam vor dem ebenfalls vorübergehend unsortierten Lahm an den Ball und schoss knapp vorbei (31.) - auch dies eine Chance, wie man sie in einem Champions-League-Halbfinale nicht oft bekommt.

Lyon vergab sie - und bald hatten die Bayern ihre alte Sicherheit wieder gefunden. Manchmal sind es ja die kleinen Dinge, die einen Gegner wahnsinnig machen können: In der 41. Minute klärte Mark van Bommel im eigenen Strafraum mit einem Hackentrick, der direkt einen Gegenangriff über Altintop einleitete. Mon Dieu!, dachten die Franzosen und retteten sich in die Halbzeit.

Lyons Coach Claude Puel blieb nichts anderes übrig, als seine Mannschaft offensiver aufs Feld zurückzuschicken. Bafetimbi Gomis kam, ein Angreifer, und die ganze Elf bemühte sich, weiter vorne zu verteidigen. Das brachte gleich ein paar Chancen ein, Gomis' Volleykracher übers Tor (50.) taugte als Warnschuss. Aber allzu lange durften die Franzosen nicht hoffen: Kurz darauf verpackte Abwehrchef Cris seinen Frust in ein Foul mit anschließender höhnischer Kommentierung der gelben Karte - Schiedsrichter Busacca befreite ihn mit Gelb-Rot von der bayerischen Dominanz.

Lyon war nicht nur frustriert, sondern auch verwirrt. Cris überreichte seine Kapitänsbinde: niemandem. So erlebten die Franzosen auch offiziell führungslos das bayerische 2:0. Altintops Steilpass erreichte - wen sonst? - Ivica Olic, dessen Schuss ins Tor so leicht aussah wie Bayerns ganzes Spiel. Ebenso schwerelos fiel das 3:0 gegen einen nun komplett resignierenden Gegner: Lahms Flanke lenkte (wer sonst) Olic mit dem Ohr ins Tor.

Nun warten die Münchner also erstens auf ihren Finalgegner und zweitens auf die anstehende Entscheidung, wie lange Franck Ribéry nach seiner roten Karte aus dem Hinspiel gesperrt wird. Ribéry fehlte übrigens in Lyon.

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