Champions League:Ajax glänzt unter grauem Schleier

Champions League: Galt als Meister des Transfergeschäfts: Marc Overmars, 48, war als Sportdirektor von Ajax Amsterdam nicht mehr zu halten. Vereinsangestellte erhielten anzügliche Text- und Bildnachrichten von ihm.

Galt als Meister des Transfergeschäfts: Marc Overmars, 48, war als Sportdirektor von Ajax Amsterdam nicht mehr zu halten. Vereinsangestellte erhielten anzügliche Text- und Bildnachrichten von ihm.

(Foto: Pro Shots/imago)

Sportlich läuft es für das Team aus Amsterdam blendend. Doch diverse Themen sorgen für schlechte Stimmung - unter anderem das Aus für Sportchef Overmars nach pikanten Vorwürfen.

Von Ulrich Hartmann

Eigentlich könnte die Stimmung bei Ajax Amsterdam gerade hervorragend sein. Die Mannschaft ist klarer Tabellenführer der heimischen Ehrendivision, sie steht standesgemäß im niederländischen Pokal-Halbfinale, und sie ist mit sechs Siegen in sechs Gruppenspielen glorios und erstmals seit drei Jahren ins Achtelfinale der Champions League eingezogen. Zum Hinspiel gastiert Amsterdam an diesem Mittwoch durchaus aussichtsreich bei Benfica Lissabon. Doch die Stimmung bei Ajax ist schlecht.

Kürzlich ist der Sportdirektor Marc Overmars, 48, zurückgetreten, weil er nicht gewusst haben will, dass weibliche Vereinsangestellte keine anzüglichen und frivolen Text- und Bildnachrichten von ihm auf ihr Smartphone bekommen mögen. Erst vor zweieinhalb Monaten - da soll über seine Übergriffe intern bereits gemunkelt worden sein - hatte der Klub den Vertrag mit dem früheren Nationalspieler bis 2026 verlängert. Overmars galt als Meister des Transfergeschäfts. Seit er 2012 ins Amt kam, verkaufte er Ajax-Spieler im Gesamtwert von mehr als 600 Millionen Euro. Doch als sein unangemessenes Verhalten nun öffentlich wurde, war er nicht mehr zu halten.

Neben dieser heiklen Angelegenheit trübt die Stimmung bei Ajax auch das Schicksal des ehemaligen Spielers Abdelhak Nouri. Der heute 24-Jährige hatte vor fünf Jahren während eines Testspiels einen Herzstillstand erlitten - und durch eine offenbar unzureichende medizinische Akutversorgung auch daraus resultierende bleibende Hirnschäden. Ajax räumte soeben Behandlungsfehler ein und will Nouris Familie nun als Entschädigung 7,85 Millionen Euro zahlen.

Somit liegen zwei graue Schleier über dem aktuell so strahlenden Ajax-Fußball, was den Trainer Erik ten Hag ein bisschen traurig macht. Der 52-Jährige (von 2013 bis 2015 Trainer des FC Bayern II) führte Ajax vor drei Jahren schon einmal ins Halbfinale der Champions League. Allerdings verlor sein Team dort damals nicht nur gegen Tottenham Hotspur, sondern anschließend auch fast alle Topspieler.

Den Ausverkauf seit 2019 hat Ajax bisher erstaunlich gut kompensieren können

Verlieren hieß in diesem Fall: lukrativ verkaufen. Das war ein Job für den gewieften Overmars. 2019 wechselte Frenkie de Jong für 86 Millionen Euro von Ajax nach Barcelona, Matthijs de Ligt für 85 Millionen zu Juventus Turin und Kasper Dolberg für 20 Millionen zu OGC Nizza; 2020 verkaufte man Hakim Ziyech für 40 Millionen an den FC Chelsea und Donny van de Beek für 39 Millionen an Manchester United (derzeit ausgeliehen an Everton).

Erstaunlich ist, wie glänzend Ajax diesen Ausverkauf kompensiert hat. Das liegt auch an der traditionell hervorragenden Nachwuchsarbeit. Mit Devyne Rensch, Kenneth Taylor, Jurrien Timber und Ryan Gravenberch spielen vier Eigengewächse auch in der Champions League schon relevante Rollen. Für den defensiven Mittelfeldmann Gravenberch, 19, interessiert sich derzeit auch der FC Bayern. Star der Truppe ist zurzeit aber der ivorisch-französische Mittelstürmer Sebastien Haller.

Champions League: Hat das Interesse des FC Bayern geweckt: Mittelfeldspieler Ryan Gravenberch.

Hat das Interesse des FC Bayern geweckt: Mittelfeldspieler Ryan Gravenberch.

(Foto: ANP/imago)

Der 27-Jährige (von 2017 bis 2019 bei Eintracht Frankfurt) führt mit 16 Toren die Schützenliste der Eredivisie an und mit zehn Treffern momentan sogar auch die Bestenliste der Champions League. Hier verweist Haller den Münchner Robert Lewandowski (neun Tore), Liverpools Mohamed Salah (acht), Leipzigs Christopher Nkunku (sieben) und Manchester Uniteds Cristiano Ronaldo (sechs) auf die Plätze. Selbst ohne Overmars sollte es Ajax möglich sein, Haller demnächst für sehr viel Geld zu veräußern.

Den begeisternden Ajax-Fußball hat in der Gruppenphase auch Dortmund schmerzlich zu spüren bekommen, die Borussia verlor erst in Amsterdam 0:4 und dann zu Hause 1:3. Benfica, der Achtelfinalgegner der Niederländer, hatte hingegen im Herbst zwei klare Niederlagen gegen die Bayern kassiert (0:4 und 2:5). Amsterdam geht folglich als Favorit in dieses K.o.-Duell.

Die Causa Overmars ist bei Ajax insofern noch nicht abgehakt, weil sie weitere Vorfälle und nach Zeuginnen-Aussagen eine "Kultur des Sexismus" im Klub zutage gefördert hat. Medien berichten nun auch von unangemessenem Verhalten des Co-Trainers Winston Bogarde. Die vakante Stelle des Sportdirektors könnte derweil namhaft besetzt werden. Als Kandidat gilt Jordi Cruyff, Sohn der Ajax-Legende Johan Cruyff und derzeit Berater im Management des FC Barcelona.

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