Vor dem Weserstadion wartet der Bremer Mannschaftsbus, frisch lackiert, sogar der Pokalsieg ist auf der Seite des Busses schon notiert, da, wo die größten Erfolge des Klubs stehen. Der Bus ist also fertig, alles andere wirkt noch ein bisschen unvollendet: Das Stadion wird ausgebaut, es riecht nach Mörtel und Bauarbeiterschweiß. Nebenan, auf einem etwas entlegenen Trainingsplatz, spielen die Fußballer in ihren neuen laubfroschgrünen Trikots, deren Aufschrift sehr anschaulich macht, dass Werder noch nicht komplett ist.
Der alte Sponsor Citibank gehört jetzt zur französischen Genossenschaftsbank Crédit Mutuel, deswegen steht jetzt nicht mehr Citibank auf den Hemden, sondern ein sogenannter Claim, der sich in fragwürdigem Deutsch mitteilt: "So geht Bank heute." Klingt irgendwie amputiert, kommt aber bei den Fans nicht schlecht an, weil die Formulierung "So geht Bank heute" Erinnerungen weckt an Ailton, den geliebten, dicken Stürmer aus Brasilien. Der hat auch immer solche Sätze gesagt.
Ailton ist lange weg; die Spieler, die da sind, sollten zum Teil auch bereits weg sein. Andere, die noch nicht da sind, könnten bald wieder da sein. Es geht bei Werder im Moment zu wie in einer Bahnhofshalle zur Hauptreisezeit.
Angekommen ist inzwischen der bolivianische Stürmer Marcelo Moreno, den sie aus Donezk geliehen haben. Ein ziemlich großer Mensch, Typ Batistuta, dessen schlaksig-laszive Bewegungen die am Rand stehenden weiblichen Fans zu anerkennenden Pfiffen veranlassen. Angekommen ist auch: Marko Marin, noch in zivil, der in echt noch winziger aussieht als im Fernsehen und von den weiblichen Fans glatt übersehen wird. Claudio Pizarro ist natürlich auch da, aber nur als Name auf dem Rücken einiger fleischiger Fans.
Es ist nicht klar, was Chelsea mit ihm vorhat, der Verein, dem er noch immer gehört. Die Bremer würden ihn gern ein weiteres Jahr ausleihen. Manager Allofs wird, sagt er, alsbald die Verhandlungen intensivieren. Wie auch bei Tim Borowski, den sie gern heimholen würden aus Bayern nach einem Jahr. Nur: Wie viel Ablöse wollen die Bayern, die ihn im vergangenen Sommer bekommen haben, ohne Ablöse zu zahlen? "So geht Bank heute" bedeutet sicher nicht, dass die Bremer auf einmal ausgeben würden, was sie nicht ausgeben wollen.
Für ein bisschen Aufregung unter den Fans hatte am Abend zuvor eine Meldung gesorgt: Abwehrchef Naldo sei so gut wie verkauft an den FC Arsenal. Die Nachricht wurde lanciert von einem "englischen Internetanbieter", wie das neuerdings heißt, und sie war angereichert mit einem angeblich aktuellen Zitat des Bremer Trainers Thomas Schaaf, der allerdings von diesem englischen Internetanbieter Schaff genannt wurde, was die Glaubwürdigkeit der Botschaft nicht erhöhte.
Trainer Schaff meldet sich zu Wort
Trainer Schaff also soll gesagt haben: "We expect to move him for somewhere in the region of ten million." Echte Kenner aber wissen, dass Schaaf zu möglichen Wechseln nie etwas sagt; es war ihm vor Monaten sogar gelungen, ein als halbwegs fix gemeldetes Engagement seiner selbst in Wolfsburg komplett unkommentiert zu lassen. Außerdem hat noch nie jemand in Bremen den Trainer englisch reden hören. Und zehn Millionen? Die Summe wäre lächerlich für einen wie Naldo, dessen Vertrag noch bis 2012 läuft.
Noch ist er also da, Naldo, man sieht ihn vom Rand des Platzes, wie man einen Leuchtturm schon vom Meer aus erkennt. Bei Tim Wiese kann man sich da nicht so sicher sein, er scheint noch dünner, und weil die neuen Trikots nicht mehr figurbetont von Kappa geschneidert werden, sondern eher großzügig von Nike, wirkt es manchmal, als versinke er in seinem Hemd. Gesagt hat er trotzdem was, als einer der wenigen schweigsamen Bremer: "Wir wollen unter die ersten Fünf. Wenn du sagst `Meister`, bist du am Ende der Doofe."
Es ist heiß in Bremen, der Bus wartet, er bringt die Mannschaft vollklimatisiert zum Anleger nach Norddeich, von da geht es in Trainingslager nach Norderney. Dusco Tosic wird dabei sein, Ivica Vranjes, Boubacar Sanogo, vielleicht kommt auch noch Carlos Alberto zurück. Werder braucht noch den einen oder anderen, vor allem muss Werder noch den einen oder anderen loswerden, aber interessierte Vereine stehen nicht gerade Schlange. Es wird also wohl so sein, dass "So geht Bank heute" auf den Trikots auch derjenigen steht, die dauernd auf dieser Bank sitzen werden und spüren, wie das nervt, gestern schon, aber heute natürlich besonders.