Fußball-Bundesliga:Wer gewinnt, hat recht

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Der Kulturkampf beim FC Bayern hält an: Nach einer unruhigen Woche muss Trainer Klinsmann mehr denn je auf die Tabelle achten.

Andreas Burkert

Jürgen Klinsmann macht das wirklich gut, "ich sehe kein Problem darin", sagt er freundlich, "wir haben die Dinge miteinander abgesprochen." Klinsmann, 44, ist lange genug im Fußballgeschäft, um einer Pressekonferenz nicht unnötig Brisanz zu verleihen. Doch in ihm, das ist verbrieft, sieht es etwas anders aus. Denn eine seltsame Woche hat er da gerade hinter sich, und obwohl er früher schon einmal der Mannschaft dieses mit reichlich Eigenleben gesegneten Klubs angehörte, dringt abseits von Presserunden und Interviews aus seinem engsten Umfeld zu den aktuellen Vorgänge vor allem ein Wort: "überraschend".

"Es kommen jetzt spannende Wochen auf uns zu", sagt Bayern-Trainer Jürgen Klinsmann. Das befürchtet auch sein Manager Uli Hoeneß. (Foto: Foto: Getty)

Eine Situation wie die jetzige hat der neue Bayern-Trainer in der Hinrunde bereits ein-, zweimal erlebt, und die Aufgabe war damals so gar nicht zugeschnitten auf seinen Fokus; Nachhaltigkeit und ganzheitliches Wirken, diese Dinge sollen doch für Klinsmann stehen, aber am achten Spieltag, nach dem 2:5 gegen Bremen, einem 0:1 in Hannover und dem 3:3 gegen Bochum, lautete sein schlichter Auftrag vor dem Gastspiel in Karlsruhe: gewinnen, irgendwie.

So siegten die Bayern damals auch, Klose traf spät zum 0:1. "Das war schon sehr ein heikler Moment", räumte vor ein paar Wochen Vorstandschef Karl-Heinz Rummenigge ein, "und das Spiel war auch nicht gut - doch als ich aus Karlsruhe wegfuhr, da wusste ich irgendwie: Jetzt läuft's."

Vier Monate nach Karlsruhe läuft es erneut mittelprächtig, zwei der drei Rückrundenspiele haben die Münchner verloren. Samstag gegen den 1.FC Köln müssen sie gewinnen. Irgendwie. "Es kommen jetzt spannende Wochen auf uns zu", sagt Klinsmann dennoch mit einer beneidenswerten Gelassenheit, "die Champions League beginnt wieder, dann spielen wir im Pokal gegen Leverkusen." Den Erwartungsdruck schiebt er lächelnd von sich, einfach so. Erstaunlich.

Rummenigge avisiert Donovans Abschied

Weitaus impulsiver wird er am Dienstag geklungen haben, als Klinsmann doch mal hochgegangen war in den zweiten Stock der Geschäftsstelle; dorthin, wo "die Chefs" sitzen. Karl-Heinz Rummenigge, Uli Hoeneß und Karl Hopfner werden sich mit ihm wohl auch über die Außendarstellung des Vereins besprochen haben. Für sie zeichnete zuletzt vor allem Rummenigge verantwortlich.

Am Montag, nach dem 1:2 in Berlin, nutzte der Vorstandschef die vereinseigene Homepage, um den Abschied von Klinsmanns Wunschspieler Landon Donovan für den 8. März zu avisieren; so lange gilt das bisherige Leihgeschäft mit der US-Profiliga. Auch die Rückkehr von Klinsmanns Problemspieler Lukas Podolski in den Kader wurde als Forderung formuliert ("Es wäre unser aller Wunsch beim FC Bayern...").

Tags darauf unternahm Klinsmann über die Presse zwar noch einen Vorstoß zugunsten Donovans ("Ich habe ihn noch nicht abgeschrieben"), aber Rummenigge konterte umgehend: Man brauche Donovan nicht, beschied er im Sportfernsehen und beendete am Donnerstag seine mediale Offensive, die den am Offensivspiel interessierten Trainer eher ratlos hinterlässt. "Wir sind jetzt im ersten Jahr der Ära Jürgen Klinsmann und ich bin durchaus optimistisch, dass wir unsere Ziele erreichen", sagte Rummenigge. Er ergänzte: "Die müssen wir auch erreichen, da mache ich natürlich keinen Hehl daraus."

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Dass Bayern-Trainer die Meisterschaft zu gewinnen haben, ist seit der Vereinsgründung Gesetz an der Säbener Straße. Doch dass die Klubführung ein ohnehin fragiles Projekt so kurz nach Wiederbeginn der Serie gezielt belastet, ist zumindest bemerkenswert. Der Vorgang symbolisiert einen Kulturkampf, der anhält im Verein.

Klinsmann öffnete die Tür

Auf der eine Seite kämpft ein Trainer für moderne Ansätze, dafür wagt er bisweilen riskante Experimente; und auf der anderen Seite hat ein stolzer Verein stets auch die Tabelle im Blick und pocht in Krisenzeiten auf seine 30-jährige Erfahrung im Dauergewinnen. Als es in der Hinrunde hakte, empfahl man Klinsmann die Rückbesinnung auf Althergebrachtes; auch von der Idee, den jungen Torwart Michael Rensing nach einigen unglücklichen Szenen mal aussetzen zu lassen und das noch jüngere Talent Thomas Kraft zu testen, riet man ihm ab. Doch das alles geschah intern.

Klinsmann öffnete sich für Ratschläge, er ließ sich hineinreden und öffnete damit eine Tür. Ihn ärgert das jetzt. Denn Rummenigge ist nun durch diese Tür in das Heiligste eines eigentlich meinungsfesten Trainers hineingetreten.

Die Chefs, das ist der Eindruck, haben wieder die Meinungshoheit übernommen. Donovans unehrenhaft angeordneter Abschied - sachlich findet Klinsmann die Argumentation angesichts einer Ablöse von acht Millionen Euro "sogar verständlich" - ist ein Detail; ein weiteres ist die Offerte an Kapitän Mark van Bommel.

Lahms Kritik

Der niederländische Mittelfeldspieler passt erwiesenermaßen nicht zu Klinsmanns Vorstellungen. Doch die Bayern möchten ihn halten, wenn auch nur für ein Jahr - trotz des Zugangs von Anatoli Timoschtschuk (St. Petersburg) und des Verbleibs von Zé Roberto (Hoeneß: "Zu 99 Prozent bleibt er"). Ein Reizthema nähme Klinsmann mit ins nächste Jahr, bliebe van Bommel (wonach es trotz Offerten des HSV, aus Schalke und Holland aussehen soll). Als Stärkung eines Coachs, dem an anderer Stelle kostspielige Transfers untersagt werden, ist das nicht zu werten.

Und Fußball spielen sie ja auch noch - ein Thema, das diese Woche ebenfalls nicht im Sinne Klinsmanns diskutiert wurde. Nationalspieler Philipp Lahm hat den von vielen Gegentoren begleiteten Offensivstil Klinsmanns kritisch durchleuchtet. "So viele Gegentore bekommt man nur, wenn man defensiv taktisch nicht gut geordnet ist." Lahm empfiehlt mehr Besonnenheit: "Es kommt doch darauf an, wo man das Risiko eingeht." Besser nicht so weit vorn, findet er.

Gegen Köln, sagt Klinsmann trotzig, spiele man daheim, drei Punkte müssten her. "Da kannst du nicht hinten den Ball hin- und herschieben, das kannst du den Zuschauern und der Mannschaft nicht zumuten." Mit etwas Glück ist der FC Bayern nach dem Spiel Erster. Und wer gewinnt, hat Recht.

© SZ vom 21.02.2009 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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