Abschiedsschmerz lag in der Stimme von Niko Kovac. Es tue ihm "wahnsinnig leid für den FC, er hat alles getan, um Punkte mitzunehmen", sagte der Trainer von Eintracht Frankfurt, und das hörte sich beinahe so an, als sei die Saison nicht erst in ihren Anfängen, sondern schon in ihren späten Ausläufern angelangt. Es schien Kovac geradezu unangenehm zu sein, dass seine Mannschaft diese Partie 1:0 gewonnen hatte, eher unverdient, wie der Coach zu verstehen gab ("Wir hatten gefühlt zwei, drei Halbchancen"). Dann wandte sich Kovac seinem Kölner Kollegen zu und umarmte ihn mitfühlend und ausdauernd, als ob Peter Stöger jetzt auf eine lange Reise gehen müsste, von der er womöglich nicht wiederkehren würde.
Ja, es lag ein Hauch des Morbiden und des Endgültigen über diesem herbstlichen Abend. Die meisten Menschen, wenn sie nicht gerade aus Frankfurt stammten, trotteten nach dem Schlusspfiff still und leise in die Nacht davon, traurig, enttäuscht, resignierend. Dabei ist der 1. FC Köln nach dieser Niederlage keineswegs in die zweite Bundesliga abgestiegen, das hat nach dem fünften Spieltag noch keiner geschafft. Doch die spezifische Unbeholfenheit, die dieser fünften Niederlage hintereinander zugrunde lag, ließ bei vielen Augenzeugen die Frage aufkommen, wann und wo und wie dieser FC wieder ein Spiel im Bundesligageschäft gewinnen sollte.
Der Zorn der Zuschauer richtet sich auf den Schiedsrichter
Der Kapitän Matthias Lehmann hatte während des Spiels alles versucht, um das Unglück abzuwenden, und auch nach dem Spiel lief er nicht davon, sondern vertrat verantwortungsbewusst seine Mannschaft vor der Öffentlichkeit. Im Moment fiel aber auch ihm kein Rezept ein, wie es besser werden sollte, er wusste lediglich, was man jetzt nicht tun sollte: "Keine achtfachen Übersteiger, keine Fallrückzieher, keine Überdinge." Die "einfachen Tugenden" seien jetzt gefordert: "sich in die Zweikämpfe schmeißen, den Ball von A nach B bringen".
Diese Sätze dürften kaum geeignet sein, die Sorgen der Kölner zu lindern, denn das hatten sie ja während des 90-minütigen Trauerspiels gegen Frankfurt schon reichlich gesehen: Einsatzwille, Kampfgeist und Aktionsdrang, achtfache oder auch nur zweifache Übersteiger dagegen gar nicht. Den Ball auf simple Art von A nach B zu passen, das war zudem öfter misslungen, als es einer Bundesliga-Elf passieren darf. Immerhin: Die Fans, die am Wochenende beim 0:5 noch hämische Chöre angestimmt hatten, untersagten sich jetzt Pfiffe und jegliches Buhgeschrei, wenn Konstantin Rausch wieder eine Flanke ins Nirgendwo schlug oder Marcel Risse in die Beine des nächsten Gegners passte.
Ihren Zorn richteten die Kölner Zuschauer stattdessen auf den Schiedsrichter Martin Petersen, der seine Premiere in der Bundesliga erlebte und diesen Abend garantiert nicht vergessen wird - obwohl er es gern täte. Für schlechte Erinnerungen sorgte unter anderem der Fernsehkollege Markus Merk, der Petersen den Vorwurf nicht ersparen konnte, während der ersten Halbzeit drei schwerwiegende Fehlentscheidungen getroffen zu haben.
Cordoba tritt vor Erschöpfung am Ball vorbei
Die folgenschwerste, als er einen Foulelfmeter gab, der selbst nach Ansicht des vermeintlichen Opfers keiner war. Mijat Gacinovic war nach einem krassen Fehlpass von Dominic Maroh allein aufs Kölner Tor zugesteuert, verlor dann aber das Duell mit dem Kölner Torwart Timo Horn, der den Ball rechtzeitig abblockte. Nachdem Schiedsrichter Petersen Strafstoß verhängt hatte, habe Gacinovic zu ihm gesagt: "Jetzt kommt der Videobeweis, und dann gibt's Eckball", berichtete später der Kölner Leonardo Bittencourt. Doch der Videorichter Wolfgang Stark beließ es bei dem Entscheid, und so erzielte Sebastien Haller das Tor des Tages.
Dass der Schiedsrichter später die elfmeterreifen Fouls am Frankfurter Haller und am Kölner Bittencourt übersah, wollte der Kölner Manager Jörg Schmadtke nicht mehr kommentieren. Er sei es müde, sich "jede Woche hinzustellen und als Oberschiedsrichter und Schlauberger zu agieren".
Der FC hat mit sich selbst genug zu tun
Ein Blick in die Statistik verrät, dass der FC mit sich selbst genug zu tun hat: Ein einziger Treffer gelang in fünf Punktspielen, und es befindet sich auch kein Mann im Aufbautraining, dem Beihilfe zur Besserung zuzutrauen wäre. Der bedauernswerte Jhon Cordoba, 23, wird wohl auch am Wochenende beim Spiel in Hannover mehr oder weniger allein im Sturmzentrum zurechtkommen müssen. Cordoba habe es "in den Genen, dass er diesem Verein und dieser Mannschaft sehr viel zurückgeben will", sagte Stöger. In seinem Drang, den Kollegen jederzeit und überall zu helfen, beraubt sich Cordoba allerdings der Kapazitäten für die Angriffsarbeit. So tritt er dann vor lauter Eifer und Erschöpfung am Ball vorbei, wenn ihn dieser (zufällig) mal im Strafraum erreicht. Dies wäre der richtige Zeitpunkt, Cordoba wegen Überlastung und seelischer Überhitzung zu schonen. Aber wer sollte dann an seine Stelle rücken?
Es zeigt sich nun zum wiederholten Mal, dass der FC zu viele der chinesischen Modeste-Millionen in Perspektivspieler gesteckt hat statt in gestandene Leute, die den Bundesligaalltag kennen. "Wir werden wahrscheinlich noch länger da unten drinbleiben", erklärte Bittencourt und teilte damit keine Neuigkeit mit.
