Fußball-Bundesliga:Spiel um Platz zwei

Meister wird in dieser Saison natürlich der übermächtige FC Bayern, aber wer kommt in der Liga dann? Hinter den Münchnern gibt es ein dichtes Verfolgerfeld, das riskante Personalien wagt.

Christof Kneer

Das Problem ist erkannt, die Frage ist nur: Was kann man dagegen tun? Könnte man Louis van Gaal die Trainerlizenz entziehen, vielleicht, weil sie nicht in Deutschland erworben wurde? Könnte man eine Schutzsperre gegen Thomas Müller verhängen, der seit einem Jahr fast pausenlos durchspielt und bestimmt eine Pause braucht? Könnte man dem FC Bayern das Festgeldkonto leerräumen, aus Gründen, die man sich noch überlegen müsste? Oder könnte man die Bayern zu einem Punktabzug von, sagen wir, 10 Zählern verurteilen - wegen statutenwidriger Überlegenheit?

09.05.2010,  Fussball 1.Liga: Bayern Meisterfeier auf dem Marienplatz

Vieles spricht dafür, dass Louis van Gaal und die Spieler des FC Bayern auch nach dieser Saison wieder auf dem Balkon des Münchner Rathauses feiern werden.

(Foto: MIS)

Bayern wird Meister, Bayern wird Meister, Bayern wird Meister - auf diese drei Kernthesen lässt sich die 48. Bundesliga-Saison reduzieren, die am Freitag mit dem Heimspiel des amtierenden und offenbar künftigen Meisters beginnt. Auf die Münchner zu setzen, ist guter Brauch in der Liga, aber diesmal ist es der Liga mit ihrem kollektiven Meistertipp ernst wie selten zuvor. Normalerweise gelten Nach-WM-Jahre als tückisch für Bayern, es sind die Jahre, die Rudi Völler meint. Er vertritt ja die These, dass man als Trainer bei Bayern in fünf Jahren mindestens dreimal Meister wird - in den Jahren, in denen man's nicht wird, muss man als FC Bayern aber schon ein paar Fehler machen. Sonst wird man's trotzdem.

Mit beachtlichem Fatalismus scheint sich die Liga darauf einzustellen, dass sie den FC Bayern in der kommenden Saison bei keinem Fehler erwischt. Die Münchner WM-Spieler sind gesund und mit einem weiter angewachsenen Überlegenheitsgefühl aus Südafrika heimgekehrt, und dass der FC Bayern über den besten Trainer der Welt verfügt (van Gaal), wird vom kompetentesten Experten der Welt bestätigt (van Gaal). Wenn also nichts Unvorhergesehenes geschieht (Kreuzbandrisse, Formkrisen oder erhebliche Startprobleme), dann wird sich die 48.Bundesliga-Saison ein neues Spannungsfeld suchen müssen.

Von zwei auf sieben

Das Praktische am FC Bayern ist immerhin, dass die Spannung direkt hinter ihm beginnt. "Wir stehen in Konkurrenz zu sieben anderen Klubs, die dasselbe wollen wie wir, nämlich in die Champions League", sagt Schalkes Multifunktionsträger Felix Magath (der in zweieinhalb Jahren Bayern zweimal Meister war) in nur minimaler Übertreibung. Neben den Bayern und seinen Schalkern spekulieren auch Bremen, Leverkusen, Wolfsburg und der HSV mehr oder weniger offen auf einen der ersten drei Plätze. "Um die gefährlichen Qualifikationsspiele zur Champions League zu vermeiden, sollte man am besten Zweiter werden", sagt Leverkusens Michael Ballack, "aber von den besten Plätzen ist ja einer von den Bayern blockiert." Ballack war in vier Jahren München dreimal Meister.

Scharfe Demarkationslinie bei Platz acht

Es wird eng hinter Bayern, und das ist genau die Versuchsanordnung, aus der die Liga ihre Anziehungskraft bezieht. Denn natürlich hätten auch die Dortmunder nichts dagegen, ihren Aufwärtstrend unter Trainer Klopp mit einem Platz unter den ersten Drei zu illustrieren, und dann sind da ja noch die wilden Stuttgarter, deren Hobby es ist, das Feld von hinten aufzurollen. Und Hoffenheim - was ist eigentlich mit Hoffenheim?

Skibbe legt nach: ´Es geht um ein Umdenken"

Heribert Bruchhagen (rechts neben Trainer Michael Skibbe), Vortstandschef von Eintracht Frankfurt, sagt: "Acht, neun Vereine spielen um die ersten Plätze." Nämlich die mit den hohen Etats.

(Foto: dpa)

"Hoffenheim, Leverkusen und Wolfsburg entscheiden selbst, wie hoch sie kommen", sagt Eintracht Frankfurts Vorstandschef Heribert Bruchhagen, der als profundester Ligakenner gilt. Er will damit sagen, dass die von ihren Werken oder Mäzenen freundlich alimentierten Klubs bei der Erstellung ihrer Etats etwas weniger auf so lästige Posten wie Eintrittsgelder, Transfereinnahmen oder verkaufte Business Seats angewiesen sind.

Klassengesellschaft

Vor allem Wolfsburg und Hoffenheim haben die Architektur der Liga verändert, "sie haben Traditionsklubs wie Köln, Gladbach oder Frankfurt zwei, drei Plätze nach hinten geschoben", sagt Bruchhagen, der "eine scharfe Demarkationslinie bei Platz acht oder neun" erkennt. "Acht, neun Vereine spielen um die ersten Plätze", sagt er, "die haben deutlich höhere Etats und deutlich mehr Möglichkeiten als die Klubs dahinter."

Einstweilen ist aus der Bundesliga ein Spiel um Platz zwei geworden. Im Ballungszentrum hinter Bayern ist alles möglich, "drei, vier Spieltage können reichen, um von Platz zwei auf sieben zu rutschen", sagt Stuttgarts Manager Fredi Bobic. Dieser Klumpen an Teams, die hinter Bayern, aber vor Frankfurt und Gladbach liegen, ist in sich durchlässig, nach außen aber zäh und undurchdringlich. Diese Teams bilden ein weitgehend geschlossenes Verfolgerfeld, sie gehören zusammen, weil sie in der Summe über ähnliches Potential verfügen. Was die einen (Werksklubs) an Geld voraus haben, gleichen die anderen durch gewachsene Fußballkultur aus (Schalke, Dortmund). Die einen kaufen listig ein (Bremen), die anderen verkaufen clever (HSV).

Riskante Personalien

"Die Konstellation bleibt so spannend, weil sich der eindeutige Kronprinz hinter Bayern eben nicht herauskristallisiert", sagt Bruchhagen. Selbst die Champions League garantiert keine Absetzbewegung aus dem Verfolgerfeld, denn mit den schönen Einnahmen steigen automatisch die unschönen Ausgaben. Die Kader werden teurer, die Einkaufspolitik riskanter. Den Bremern ist ein Carlos Alberto unterlaufen, den Schalkern ein Engelaar, den Stuttgartern ein Boulahrouz - teure Personalien, die die Klubs eher zurückwarfen als voranbrachten.

"50 plus x Punkte" seien das Saisonziel von Eintracht Frankfurt, sagte Trainer Michael Skibbe kürzlich. Damit wären sie drin in diesem Verfolgerfeld, dran an den Klubs hinter Bayern. Heribert Bruchhagen, sein Chef, freut sich über so viel Optimismus, "aber mir fehlt die schlüssige Erklärung, gegen wen wir die 50 Punkte holen sollen".

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