Fußball-Bundesliga:Schweinsteiger verschenkt Sieg

Vier Mal Aluminium, zwei verschossene Elfmeter: In einem turbulenten Spiel in Wolfsburg verliert Bayern nach einem krassen Fehler des Nationalspielers zwei Punkte. Weil Mainz unterliegt, ist der Weg für Dortmund frei.

Johannes Aumüller

Es hätte der Nachmittag des Thomas Kraft werden können. Umstritten war seine Nominierung für das Spiel gegen Wolfsburg, beachtlich seine Leistung: Er hielt einen Elfmeter, parierte etliche andere gute Chancen. Doch die Erkenntnis, dass Louis van Gaal mit der Entscheidung im Tor richtig gelegen hatte, blieb nur eine Randnotitz - an einem Nachmittag, an dem die Bayern nach einem 1:1 in Wolfsburg endgültig aus dem Meisterschaftsrennen ausschieden.

VfL Wolfsburg's Riether scores against Bayern Munich during German Bundesliga soccer match in Wolfsburg

Schock für Bayern: das 1:1 von Sascha Riether kurz vor Schluss.

(Foto: REUTERS)

Wolfsburg sah an diesem Nachmittag eine enorm turbulente Partie: zwei verschossene Elfmeter, vier Aluminiumtreffer, viele Chancen, viele Zweikämpfe, hohes Tempo. Phasenweise dominierten die Bayern drückend die Partie, phasenweise kamen die Gastgeber gut ins Spiel. Am Ende reichte es für die Münchner nur zu einem Remis, weil Bastian Schweinsteiger kurz vor Schluss den Ball vertändelte. "Wenn man so einen Fehler macht, kann man nicht gewinnen", tadelte van Gaal.

Zunächst hatte es so ausgesehen, als solle Kraft einen eher gemütlichen Nachmittag verleben. Seine Mannschaft hielt den Ball weit weg vom eigenen Tor, begann offensiv und dominant. Und weil sich der VfL Wolfsburg im Zweikampf- und Abwehrverhalten zudem eklatante Aussetzer leistete, dauerte es dann auch nicht lange, bis die Münchner zu ihrer ersten Chance kamen - doch Mario Gomez traf nur die Latte (5.).

Nur kurz darauf stand Thomas Kraft erstmals im Blickpunkt, allerdings in einer Funktion, in der ihn die allerwenigsten Fans erwartet haben dürften: als Torvorbereiter. Kraft schlug einen Freistoß weit nach vorne, Thomas Müller setzte den gegnerischen Torwart Diego Benaglio unter Druck. Und der Schweizer Nationalkeeper schoss den WM-Torschützenkönig so an, dass der Ball von dessen Körper zum 1:0 ins Netz prallte (7.). Allerdings: Als Kraft den Freistoß ausführte, ruhte der Ball nicht, strenggenommen hätte das Tor also nicht zählen dürfen.

Doch als gerade alles darauf hindeutete, als würden sich die Bayern so richtig für die Aufholjagd in Richtung Tabellenspitze einrollen, als van Bommel und Gomez zu weiteren Chancen kamen und als Kraft lediglich bei einer wuchtigen Rückgabe seines Mitspielers Holger Badstuber gefordert war, mussten sie binnen kürzester Zeit zwei Negativmomente wegstecken.

Erst verletzte sich Franck Ribéry im Zweikampf mit Josue so schwer am Sprunggelenk, dass er gegen Arjen Robben ausgewechselt werden musste und womöglich wieder wochenlang ausfällt; dann schoss Philipp Lahm einen Elfmeter (Foul von Ashkan Dejagah an Danijel Pranjic) an den Pfosten (21.). "Ich denke, dass wir in der Halbzeit 0:3 vorstehen müssen", kommentierte van Gaal in seinem unnachahmlichen Duktus.

Kraft hält Elfmeter

Doch die Folgezeit des Spiels lehrte vor allem eines: dass selbst eine Mannschaft wie der FC Bayern offenbar nicht in der Lage ist, solche Rückschläge ohne weiteres wegzustecken. Denn plötzlich war die Dominanz dahin und entwickelten die ohne ihren zu Manchester City gewechselten Top-Torjäger Edin Dzeko agierenden Wolfsburger mehr Gefahr. Es begann die Zeit, in der Thomas Kraft nicht als Torvorbereiter, sondern als Torverhinderer gefragt war.

VfL Wolfsburg's Grafite fails to score with a penalty against Bayern Munich's goalkeeper Kraft  during German Bundesliga soccer match in Wolfsburg

Thomas Kraft pariert den Elfmeter von Grafite.

(Foto: REUTERS)

In der 37. Minute kam Dejagah nach einem Freistoß von Marcel Schäfer frei zum Kopfball, traf aber nur die Latte; Kraft stand in der anderer Ecke und hätte keine Chance gehabt. Sechs Minuten später sah Kraft etwas unglücklich aus, als ein Freistoß von Diego unmittelbar neben ihm ins Tor flog, denn etliche eigene und gegnerische Spieler hatten ihm die Sicht verdeckt. Doch er hatte Glück, Schiedsrichter Manuel Gräfe entschied, dass ein Wolfsburger im Abseits gestanden habe.

Danach allerdings musste Kraft ohne die Unterstützung von Latte und Gräfe die Bälle halten, und das tat er überzeugend. Erst rettete er bei einer Großchance von Grafite mit seinem Körper (44.). Dann lenkte er unmittelbar vor dem Halbzeitpfiff einen zweifelhaften Elfmeter von Grafite (Dejagah hatte geschickt bei Badstuber eingefädelt) mit einer sehr starken Parade an die Latte. Und schließlich parierte er nach dem Seitenwechsel einen Kopfball von Mario Mandzukic (55.).

Ganz so turbulent wie in der ersten Hälfte ging es nach dem Wechsel nicht mehr zu. Aber mit diesen Aktionen von Kraft im Rücken fanden langsam auch die Münchner Feldspieler wieder zu ihrer Form zurück. Robben brachte gleich dreimal seine monatelang vermissten Linksschussqualitäten in Erinnerung, wenngleich er ohne Torerfolg blieb. Dann verstolperte Mario Gomez die Vorentscheidung (68.). Das zweite Tor fiel zwar nicht, doch die Bayern erlangten die alte Kontrolle zurück - bis sich Bastian Schweinsteiger kurz vor Schluss einen unglaublichen Aussetzer erlaubte.

Ausgerechnet Schweinsteiger, der in dieser Saison bisher der beständigste Bayern-Spieler gewesen war, sich gegen Wolfsburg aber schon zuvor diverse Fehlpässe geleistet hatte. Schweinsteiger vertändelte im eigenen Strafraum den Ball an Marcel Schäfer, dessen Flanke in die Mitte verwertete Sascha Riether zum 1:1.

Im Gegenzug schoss Müller den Ball ins Tor, doch Gräfe entschied zurecht auf Abseits. Eine letzte Chance hatten die Bayern noch in der dritten Minute der Nachspielzeit, doch Schweinsteiger, ausgerechnet Schweinsteiger köpfte knapp drüber. Die Titelträume der Bayern sind bei 16 Punkten Rückstand auf Tabellenführer Borussia Dortmund endgültig vorbei. "Die sind einfach zu weit weg, dass muss man akzeptieren. Und dann kann man auch gratulieren", sagte Arjen Robben.

Text: sid

Auch die anderen Partien liefen an diesem Samstag für den Spitzenreiter. Erster Verfolger der Dortmunder bleibt der FSV Mainz 05, der mit 0:1 (0:0) beim VfB Stuttgart verlor, mit jetzt 13 Punkten Rückstand. In Stuttgart stolperte Mainz ins neue Fußballjahr. Martin Harnik (79.) erlöste den VfB, es war der erste Sieg seit dem Amtsantritt von VfB-Trainer Bruno Labbadia.

Tabellensechster ist der SC Freiburg, der sich nach dem 2:2 (0:1) beim FC St. Pauli wieder einmal bei Papiss Cissé bedanken kann. Der Senegalese verschoss zwar in der elften Minute einen Handelfmeter, sorgte aber dann zweimal für den Ausgleich (61. und 75.) - es waren seine Saisontore 14 und 15. Marius Ebbers (13.) und Gerald Asamoah (68.) trafen für St. Pauli.

Keine Stars, keine Punkte: Das galt für 1899 Hoffenheim. Nach den Turbulenzen der vergangenen Wochen mit den Abgängen von Luiz Gustavo und Top-Stürmer Demba verlor 1899 1:2 (0:1) bei Werder Bremen, das Debüt des neuen Trainers Marco Pezzaiuoli misslang. Für die kriselnden Bremer war das Spiel eine willkommene Aufbauhilfe. Torsten Frings erzielte in der 90. Minute den Siegtreffer. Das 1:0 durch Claudio Pizarro (36.) hatte Boris Vukcevic (87.) kurz zuvor gekontert.

Auch Borussia Mönchengladbach schaffte die Erlösung mit dem ersten Erfolg seit dem 13. November (4:0 beim 1. FC Köln). Das Tabellenschlusslicht setzte sich dank eines Tores von Roman Neustädter (8.) mit 1:0 (1:0) beim 1. FC Nürnberg durch. Der FCN, für den Javier Pinola einen Foulelfmeter verschoss (86.), liegt weiter im Tabellenmittelfeld.

Damit wurden erst zum dritten Mal in der Liga-Geschichte an einem Spieltag vier von vier Elfmetern vergeben - erstmals seit 32 Jahren.

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