Fußball-Bundesliga:Remis im Privatduell

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Aufregung um zwei Dopingkontrollen, zwei treffsichere Angreifer und ein verschossener Elfmeter in der Schlussminute: Mit dem dramatischen 3:3 gegen Stuttgart kämpft sich Hoffenheim auf Platz eins zurück.

Johannes Aumüller

Hoffenheims Andreas Ibertsberger hat bisher eine überzeugende Saison geboten. 16 Spiele hat er absolviert, sich auf der linken Abwehrseite einen Stammplatz erarbeitet, und Tage wie am vergangenen Wochenende der gegen Leverkusen, als ihn Gegenspieler Renato Augusto in einen schwindligen Zustand versetzte, waren ziemlich selten. Natürlich war der 26-jährige Österreicher im bisherigen Saisonverlauf nicht so auffällig wie der Dauertorschütze Ibisevic, der Freistoßkünstler Salihovic oder die aufstrebenden Deutschen Compper und Weis; er war vielmehr eines der vielen Rädchen im Hoffenheimer Gesamtgefüge, die so gut und so verlässlich funktionierten und so ziemlich unauffällig ihren Teil zum Hoffenheimer Hinrunden-Höhenflug beisteuerten.

Dieses war der erste Streich: Hoffenheims Demba Ba erzielte gegen Stuttgart drei Tore. (Foto: Foto: dpa)

Bei 3:3 gegen den VfB Stuttgart aber hätte Ibertsberger so unauffällig spielen können wie ein Schneehase in den Alpen - er wäre gleichwohl ein gefragter Mann gewesen. Rund zwei Stunden vor dem Anpfiff des Derbys verbreiteten die Nachrichtenagenturen die Meldung, dass der DFB gegen die Hoffenheimer Spieler Christoph Janker und Andreas Ibertsberger wegen ihres Verhaltens bei den Doping-Kontrollen nach dem Bundesliga-Spiel in Mönchengladbach (1:1) ermittelt. Die beiden Abwehrspieler waren zehn Minuten zu spät zu den Kontrollen gekommen - und diese Verspätung ist gemäß Statuten untersagt. Im schlimmsten Fall droht den Spielern nun eine Sperre und den Hoffenheimern ein Punktabzug.

Eigentlich wollte der DFB den Vorfall erst nach dem Spiel veröffentlichen. Doch am frühen Nachmittag berichtete bild.de - und da war das DFB-Vorhaben dahin. Die Meldung war in der Welt, und das passte Hoffenheims Trainer Ralf Rangnick in den so wichtigen Vorbereitungsminuten natürlich gar nicht ins Konzept. Rangnick hatte vor dem Spieltag ohnehin schon konstatiert, dass es in den Köpfen der Spieler noch etwas anderes gebe außer Viererkette, Tempofußball und Vertikalpässen. Shoppingtouren nach London oder die Handtaschenfarbe der Spielerfrauen störten sowieso schon die mentale Konzentration aufs Spiel - und nun also noch die Aufregung um die Dopingkontrollen von Ibertsberger und Janker.

Ob es nun an den Handtaschen lag, an der Doping-Meldung oder an der Tatsache, dass Rangnick seiner Elf ein neues System mit fünf nominellen Mittelfeldspielern verordnet hatte? Jedenfalls wirkte der Hoffenheimer Spielfluss in der ersten Hälfte ziemlich gehemmt. Viele leichte Fehler unterliefen der Rangnick-Elf, schnellen Tempofußball gab es nicht, kämpferisch war der VfB Stuttgart auch einen Tick voraus, und wenn nicht der einzige verbliebene Hoffenheimer Angreifer Demba Ba einen treffsicheren Tag erwischt hätte - zur Halbzeitpause hätte nach einer Hoffenheimer Niederlage ausgesehen.

Nachdem Stuttgarts Mittelfeldspieler Jan Simak in der 21. Minute die erste Großchance der Begegnung (Linksschuss) vergeben hatte, war auf der anderen Seite Ba zum ersten Mal zur Stelle. Mit einem Schuss aus halbrechter Position überwand er Stuttgarts Keeper Jens Lehmann (24.), der dabei nicht gänzlich chancenlos aussah. Doch noch hatte die Stuttgarter Hintermannschaft nicht restlos ausdiskutiert, wer von ihnen die Schuld am Gegentreffer trug, da setzte Cacau zu einem Solo über die linke Seite an, spazierte an allen Hoffenheimer Verteidigern vorbei und vollendete aus spitzem Winkel zum 1:1 (26.).

Eine für den weiteren Spielverlauf wichtige Szene ereignete sich kurz darauf, als Hoffenheims Salihovic rüde gegen Stuttgarts Arthur Boka einstieg; der Linksverteidiger der Schwaben musste ausgewechselt werden. Und die Hoffenheimer konnte nicht nur froh sein, dass Salihovic lediglich die gelbe Karte sah, sondern auch, dass ausgerechnet Ludovic Magnin eingewechselt wurde.

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Denn nach dem zwischenzeitlichen 2:1 durch Gomez (Kopfballtor nach Tasci-Flanke) spielte Magnin im Mittelfeld einen katastrophalen Fehlpass, der den Hoffenheimer Ausgleich einleitete. Isaac Vorsah reagierte am schnellsten und bediente blitzschnell Demba Ba, zuerst seinen Gegenspielern davon lief und dann ein zweites Mal Jens Lehmann (45.) überwand.

Nach dem Wechsel steigerten sich die Hoffenheimer etwas. Der Tempofußball blieb zwar weiterhin in der Schublade, aber immerhin hielten sie jetzt in Sachen Kampfgeist mit den Schwaben mit. In einem kampfbetonten, manchmal ruppigen Spiel hatten beide Seite ihre Möglichkeiten zum Führungstreffer, doch Stuttgarts Mario Gomez bewies, warum man ihn derzeit als besten deutschen Angreifer bezeichnen darf. Eine Chance in der 55. Minute verzog er noch knapp, doch in der 63. Minute zeigte er seine ganze Klasse, als er einen Ball in einem hohen Bogen über Hoffenheims Torwart Daniel Haas lupfte.

Doch wenn die Heim-Fans nun glaubten, damit sei Widerstand der Hoffenheimer gebrochen, mussten sie wohl vergessen haben, dass dieses Spiel zwar auf dem Papier "Stuttgart gegen Hoffenheim" hieß, in der Realität aber als Privatduell "Gomez gegen Ba" ausgetragen wurde. Vier Minuten nach der Stuttgarter 3:2-Führung lief Ba ein drittes Mal in diesem Spiel auf Lehmann zu - und durfte sich ein drittes Mal in diesem Spiel über ein Tor freuen.

Beiden Seiten war anzumerken, dass sie sich mit dem Unentschieden nicht zufrieden geben wollten; beide Seiten wollten den Siegtreffer. Realistischerweise hätten die Hoffenheimer aber nach rund 75 Minuten alle Torbemühungen einstellen können: Denn zu diesem Zeitpunkt nahm Rangnick seinen Angreifer Ba aus dem Spiel. Doch auch Gomez hatte nach der Herausnahme seines Widersachers nichts mehr nachzulegen. Bei einem Konter agierte er zu eigensinnig, bei dem anderen verzog er eine Flanke auf Khedira.

Als das Spiel schon vorbei zu sein schien, bekamen die Hoffenheimer doch noch eine Chance zum Siegtreffer. Nach einem Foul von Magnin (man erinnere sich: das Foul von Salihovic an Boka und die folgende Einwechslung) an Carlos Eduardo im Strafraum erhielt die TSG einen Elfmeter. Salihovic (man erinnere sich: das Foul von Salihovic an Boka, für das es auch hätte Rot geben können) trat an - und hämmerte den Ball übers Tor.

So blieb es beim 3:3, und wenn die Verantwortlichen der TSG Hoffenheim irgendwann im Mai diese Saison bilanzieren werden, könnte es sein, dass sie mit besonderem Grimm auf diesen 21. Februar schauen. Nicht nur, weil sie nach einem schwachen Beginn und einer deutlichen Steigerung wohl mehr wollten als nur einen Punkt. Sondern auch, weil dieses Datum als der Tag in die Geschichte eingehen könnte, an dem man einen schon sicher geglaubten Punkt wieder abgeben musste. Ob Mönchengladbach wegen der Unregelmäßigkeiten bei den Doping-Kontrollen Protest einlegt, ist noch offen: "Wir wollen uns zunächst intern beraten, bevor wir dazu Stellung nehmen", sagte Pressesprecher Markus Aretz vor dem Bundesligaspiel des Tabellenletzten gegen Hannover 96.

Doch zunächst einmal können die Hoffenheimer mit besonderer Freude auf dieses Datum blicken: Denn wegen der Niederlagen von hertha und Bayern kletterte die TSG in der Tabelle wieder auf Platz eins.

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