Wenn Adi Hütter morgens aufwacht, dann schaut er der Gladbacher Fußball-Legende Allan Simonsen in die Augen. Dabei ist es keineswegs so, dass den neuen Trainern bei Borussia Mönchengladbach namhafte Paten aus der großen Historie dieses Klubs an die Seite gestellt, respektive gelegt, werden. Der neue Gladbacher Trainer wohnt allein und nur bis er eine Wohnung gefunden hat im Borussia-Fußball-Hotel direkt am Stadion. Jedes Zimmer dort ist thematisch einem Erfolg aus der Klubgeschichte gewidmet. In Hütters Suite wird an jenen Uefa-Cup-Sieg 1979 erinnert, als Simonsen im Final-Rückspiel gegen Roter Stern Belgrad per Elfmeter das Tor zum 1:0-Sieg erzielte. Darum hängt hier Simonsens Foto an der Zimmerwand. So wird Hütter auch jeden Morgen daran erinnert, wie groß die Historie seines neuen Arbeitgebers ist.
Adi Hütter, 51, aus Hohenems im österreichischen Bundesland Vorarlberg war neun Jahre alt, als Simonsen Gladbach zum Triumph im Uefa-Pokal schoss. Als Fußballprofi wurde Hütter drei Mal Meister mit dem RB-Vorgänger-Klub Casino Salzburg und ein Mal Pokalsieger mit dem Grazer AK. Als Trainer legt er eine Karriere hin, die kürzlich darin gipfelte, dass Borussia Mönchengladbach 7,5 Millionen Euro bezahlt hat, um ihn bei Eintracht Frankfurt aus seinem Vertrag herauszulösen. Das fand Hütter enorm. Kurz darauf bezahlte der FC Bayern München für den Leipziger Trainer Julian Nagelsmann dem Vernehmen nach sogar das Doppelte. Im Bundesliga-Eröffnungsspiel an diesem Freitag treffen also die beiden teuersten Trainer der Bundesliga-Geschichte aufeinander.
1. FC Köln:Der Hoffnungsträger sitzt auf der Bank
Geradlinig, authentisch, liberal: Steffen Baumgart kommt beim 1. FC Köln gut an - und erlaubt sogar das Rauchen. Während sich die herben personellen Verluste fortsetzen, glaubt der neue Trainer an unentdeckte Schätze im Kader.
An einen solchen eigenen Stellenwert hätte Hütter niemals geglaubt, als er im April 2012 beim Heimatverein und damaligen Zweitligisten SCR Altach brüsk gefeuert wurde. Die Kündigung hat ihm zugesetzt. Doch danach nahm seine Karriere erst richtig Tempo auf. Binnen zwei Jahren führte er den SV Grödig aus der zweiten österreichischen Liga in die Europa League. 2015 holte er mit RB Salzburg das österreichische Double. 2018 machte er Young Boys Bern zum Schweizer Meister. Ein Jahr später führte er Eintracht Frankfurt bis ins Halbfinale der Europa League und scheiterte dort erst im Elfmeterschießen am FC Chelsea. In der vergangenen Saison hätte er Frankfurt um ein Haar sogar in die Champions League gebracht, doch nachdem er im April seinen Wechsel nach Mönchengladbach angekündigt hatte, gewann die Eintracht nur noch zwei von sechs Spielen und verpasste die Champions League um einen Punkt.
Die Ziele in Mönchengladbach sind nun nicht einmal so hehr, als dass sie von dieser Champions League träumten, in der sie in der vergangenen Saison mit dem Trainer Marco Rose ja immerhin das Achtelfinale erreicht haben. In Roses erster Saison in Mönchengladbach hatten wagemutige Sympathisanten kurz sogar den Meistertitel für möglich gehalten, aber von solchen Visionen sind die Borussen derzeit weit entfernt. Daran ändert nicht einmal der Umstand etwas, dass Hütter als Co-Autor zweier Bücher erstens "Die elf Gesetze der Motivation im Spitzenfußball" (2006) kennt und zweitens weiß, "Wie man mit Teamgeist ein Meisterteam entwickelt" (2019).
"Wir würden gerne wieder eine Rolle im Kampf um Europa spielen", sagt Manager Eberl
Statt den neuen Trainer mit übertriebenen sportlichen Erwartungen zu malträtieren, lobt der Gladbacher Sportdirektor Max Eberl besonders gern die Charaktereigenschaften Adi Hütters. "Er hat eine gute Menschenführung, eine gute Kommunikation und große Empathie; er ist ein sehr gelassener Mensch, der aber auf den Punkt genau weiß, was er will", sagte Eberl in der "Sportschau". Letzteres deckt sich offenbar auch mit Eberls sportlichen Zielen. Der Sportdirektor sagt: "Wir würden gerne wieder eine Rolle im Kampf um Europa spielen. Die Champions League zu erreichen, wäre für Gladbach wie eine Meisterschaft."
Eberl beklagt, dass Gladbach in der vergangenen Saison zu viele Gegentreffer zugelassen habe. Da erhofft er sich unter Hütter Verbesserung. "Er legt viel Wert auf die Defensive und die Struktur, möchte aber trotzdem offensiv spielen lassen", sagt Eberl.
Der Trainer darf, wenn er Glück hat, mit einem etwa gleichstarken Kader arbeiten wie jenem, mit dem sein Vorgänger Rose in der vergangenen Saison enttäuschender Achter geworden ist. In der noch mehr als zwei Wochen dauernden Transferperiode gelten in dieser Reihenfolge allerdings der Mittelfeldspieler Denis Zakaria, der Stürmer Alassane Plea und der Innenverteidiger Matthias Ginter noch als mögliche Abgänge. In der Partie gegen den FC Bayern fehlen Hütter wegen Verletzung oder Trainingsrückstands die Spieler Zakaria, Breel Embolo und Ramy Bensebaini. Das hält den Österreicher allerdings nicht davon ab zu sagen: "Ich erwarte ein attraktives und spektakuläres Spiel."
Der Sportchef Eberl sagt über die nicht ganz günstige Verpflichtung des neuen Trainers: "Bei uns haben sich ein Kader und eine Spiel-Philosophie entwickelt, und meine wichtigste Aufgabe war, dafür einen passenden Trainer zu finden." Adi Hütter muss sich folglich in die Gladbacher Historie einreihen und dennoch versuchen, seine eigene Ära zu prägen. Diese Herausforderung wird ihm jeden Morgen bewusst, wenn er aufwacht und Simonsen in die Augen schaut.