Fußball-Bundesliga:Leipzig rätselt über die eigene Stärke

RB Leipzig Mainz Fußball Bundesliga Leipzig 06 11 2016 Red Bull Arena Fußball GER 1 BL 10

Richtig hoch hinaus: Timo Werner (re.) und Emil Forsberg (li.) freuen sich über einen weiteren Treffer.

(Foto: Picture Point/imago)

RB Leipzig steht gleichauf mit dem FC Bayern an der Tabellenspitze - und fragt sich: Sind wir wirklich schon so gut?

Von Cornelius Pollmer, Leipzig

In der gedruckten und hochgeladenen Welt da draußen wird gelegentlich noch das öde Reiseteil-Narrativ verbreitet, wonach Leipzig so etwas sei wie the better Berlin, ein besseres, jüngeres und kreativeres Berlin. In Leipzig selbst hatte man derlei Flausen übrigens nie im Kopf, und wenn sich das am Sonntag doch für einen Moment änderte, dann sind die Gründe dafür beim RB-Spieler mit der Rückennummer 10 zu suchen, dem Schweden Emil Forsberg.

Die Gastgeber hatten soeben 3:1 gewonnen, sie hatten den FSV Mainz dem äußeren Anschein nach zunächst mühelos und mit Hochdruck weggekärchert, und sie waren dann, in Hälfte zwei, nur kurz ins Schwimmen geraten. Und wenn auch hier schon wieder das Wasser in den Zeilen steht, dann nur, um den assoziativen Rahmen zu schaffen für die Poetikvorlesung, die eben jener Emil Forsberg nach Abpfiff im zugigen Keller der Arena hielt. Sie dauerte nur einen Satz lang und ging exakt so: "In Schweden sagt man Hawaii."

Vermeintlich eine offene Partie

Allerdings muss die fast enttäuschende Wahrheit angefügt werden, dass Forsberg mit dieser Ein-Satz-Schönheit eher zufällig Kunst produzierte. Hauptsächlich gelang ihm damit eine zutreffende Beschreibung der ersten Halbzeit. Denn in Schweden sagt man Hawaii, wenn ein Spiel schwappt wie die Wellen am Strand, wenn es hin und her und auf und ab und genau so weiter geht. Nach dem Duell mit Mainz, in dessen erster Hälfte RB drei Tore und der Gegner kein einziges erzielt hatte, waren neben Forsberg auch alle anderen Akteure darauf bedacht, die vermeintliche Offenheit der Partie zu betonen. Leipzigs Trainer Ralph Hasenhüttl etwa hatte nach eigener Aussage "das typische Spiel zweier Umschaltmannschaften" gesehen, "sehr hektisch, auf und ab, kaum Ruhephasen". Doppeltorschütze Timo Werner, den die Mainzer zu keinem Zeitpunkt des Spiels sicher hatten vertäuen können, mochte die Auf-und-Ab-Sicht seines Trainers zwar nicht bestätigen. Ein "Hin und Her" aber, ja, das habe auch er wahrgenommen.

Es war schließlich der Mainzer Trainer Martin Schmidt, der Hin und Her wieder trennte. Wenn er über das Spiel sprechen solle, sagte Schmidt, dann müsse er über zwei verschiedene Halbzeiten sprechen. Schmidt vermied es, coram publico über das Reisegepäck seines Vereins zu sprechen, das dieses Spiel mitentschieden hatte. Mainz hatte erst am Donnerstag in der Europa League eine 1:6-Niederlage in Anderlecht erlitten, es war mit einem deutlichen Plus an Kilometern und Spielen nach Leipzig gereist und "gegen Leipzig nicht frisch zu sein, das ist eine Sünde, die kannst du dir nicht leisten".

Der Leipziger "Hausspezialität Vollgas" hatte Schmidt im Wissen um die Müdigkeit der eigenen Leute ein verdichtetes Zentrum entgegenhalten wollen. Das war der Plan, im Rahmen dessen auch der kreative Yunus Malli zunächst auf der Bank geblieben war. Nicht zu diesem Plan gehörte das frühe Gegentor (3.) und auch nicht der Abstimmungsfehler kurz vor der Pause, der zum 3:0 führte (44.). Schmidt fasste in der Halbzeit also einen neuen Plan, er lautete, zumindest den zweiten Durchgang für sich zu entscheiden - Stefan Bell ermöglichte dies mit seinem Tor (74.). Schmidt begründete diesen Plan B hernach auch mit der zweiwöchigen Länderspielpause. Sein Team hätte nach dem 0:3 ja noch heftiger untergehen können, es habe aber stattdessen dagegen gehalten. So gehe die Mannschaft "mit dem positiven Gefühl hier raus, ein Tor erzielt zu haben. Das macht die Niederlage nicht besser, es lässt sie aber besser anfühlen". Das gab Schmidt Hoffnung: Dass sein dritter Plan aufgehen kann, nämlich jener für die kommenden zwei Wochen. Dieser Plan lautet "erholen", idealerweise sogar "durcherholen".

Kann Leipzig das bessere München sein?

Mainz suchte also Trost in der gezeigten Moral, und Leipzigs Trainer Hasenhüttl war es offenbar ein Anliegen, diesen Trost zu unterstützen. Die widerstandskräftige Mentalität der Mainzer, die könne er bestätigen, und er machte das auch fest an der Sorge, die ihn nach dem Anschlusstreffer eine Viertelstunde vor Schluss beschlichen hatte. "Ein bisschen im Hinterstübchen" sei da plötzlich wieder das Pokalspiel in Dresden gewesen, wo RB in der ersten Runde einen Zwei-Tore-Vorsprung verspielt hatte und ausgeschieden war. Aus diesem Hinterstübchen war die Sorge schon wieder entwichen, als Hasenhüttl nach dem Spiel zum Großen und Ganzen des bisherigen Saisonverlaufs befragt wurde, der für die immer noch unbesiegten Leipziger bislang einzig durch Aufs geprägt ist, nicht aber durch Abs.

"Die Frage muss jetzt kommen", entschuldigte sich ein Journalist noch vor seiner Frage, und was er dann erbat, war sinngemäß die Auskunft, ob Leipzig schon jetzt oder zumindest bald das better Munich sein könne, wo es jetzt doch schon punktgleich mit den Bayern liege. Hasenhüttl sagte richtig, die bislang erreichten Punkte seien "nichts, das uns geschenkt wurde", und er ergänzte ebenfalls richtig, dass drei der kommenden vier Spiele auswärts zu bestreiten seien; und er überließ auch ansonsten Erläuterungen zur aktuellen Leipzigkeit des Seins seinen Spielern.

Kapitän Dominik Kaiser machte als Gründe eine ausdauernde Kompromisslosigkeit in der Abwehr aus sowie Facettenreichtum in der Offensive. Zu dieser gehörte gegen Mainz wieder das Spiel von Yussuf Poulsen, der, wie er sagt "als viertletzter Fuß" vor den Toren eine neue Rolle gefunden hat. Diesen viertletzten Füßen fügten vor allem Werner, Sabitzer und Forsberg ihre eigenen bis zum Letzten begeisternd hinzu. Leider ließ Forsberg aber offen, wie man in Schweden dazu sagt.

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