Süddeutsche Zeitung

Fußball-Bundesliga:Im Bus mit dem Generalsanierer

Platt, aber irgendwie wohl wahr: Beim Revierderby Dortmund gegen Schalke trifft der alte auf den neuen Schuldenmeister.

Philipp Selldorf

Um Gottes willen, dachten die Leser des Schalker Kreisels, als sie die Seite 27 der jüngsten Ausgabe ihres Vereinsmagazins aufschlugen: Jetzt muss Felix Magath auch noch den Mannschaftsbus fahren. Aber ganz so schlimm ist es noch nicht bestellt um die Not von Schalke 04, Magath nahm nur für den Fotografen auf dem Fahrersitz Platz, ansonsten gehört er rechts daneben auf den Sitz, den gewöhnlich der Reiseführer innehat. Außerdem ist es doch eigentlich eine gute Nachricht, die da im Kreisel stand: Schalke leistet sich zwei neue Busse, einen für die Profis und einen für die Nachwuchsteams, ganz in königsblau und hochmodern ausgerüstet inklusive vier großer Monitore, Internet-Anschluss und I-Pod-Dockingstation. So pleite können die Gelsenkirchener also gar nicht sein, wie immer erzählt wird.

Wie die Farbe Königsblau

Doch nein, auch diese Betrachtung ist kurzsichtig, denn die Busse gehören nicht dem Verein, sondern einem Reiseunternehmer, der die Fahrzeuge zur Verfügung stellt. Sie gehen also nicht ins Anlage- und Umlaufvermögen des Klubs ein, das übrigens im Geschäftsjahr 2008 von 222 auf 243 Millionen Euro sprunghaft gestiegen ist. Was ein sensationeller Zugewinn wäre, wenn die Bilanzrechnung nicht auf der anderen Seite eine drastische Steigerung der Verbindlichkeiten von 106 auf 137 Millionen Euro verzeichnet hätte. Diese Zahlen hat der Verein im Mai 2009 bekannt gegeben, kaum jemand nahm damals sonderlich Notiz davon. Seit Generationen gehören Schulden zu Schalke wie die Farbe Königsblau, man hat sich daran gewöhnt, dass in dem Vereinskonzern mit seinem Geflecht aus Tochtergesellschaften das Verhältnis von Plus und Minus in den auf rätselhafte Weise variierte.

In diesem Herbst aber drängt das Thema Finanzen wieder dramatisch in den Vordergrund, und wenn Schalke 04 an diesem Samstag zum großen Derby bei Borussia Dortmund antritt, dann werden die Gelsenkirchener überall davon lesen und hören, dass der alte auf den amtierenden Schuldenmeister trifft. Das ist zwar platt, aber wohl irgendwie wahr. 60 Millionen Euro sind die Dortmunder für den Wiedererwerb des einst veräußerten Stadions noch schuldig, "wenn ich das mit den 136 Millionen von Schalke vergleiche, ist das sehr komfortabel", hat BVB-Chef Hans-Joachim Watzke unlängst schadenfroh bemerkt.

Die Lage in Schalke ist ernst, und sie ist ernster als im Mai, als die Geschäftsjahreszahlen veröffentlicht wurden. So wurde ein langfristiger Sponsorenvertrag mit Adidas vorab ausbezahlt, um damit laufende Kosten zu bestreiten, nach diesem Modell ist man früher bereits mit den Geldern von Werbepartner Gazprom verfahren.

Diese Mangelerscheinungen werden offiziell nicht bestritten, die brisante Situation auch nicht. Sportdirektor Magath genügte dafür ein Satz: "Wir haben nicht nur kein Geld, wir brauchen auch welches." Aber wie viel Geld man braucht, und wie schnell man es braucht, um liquide durch die Saison zu kommen, darüber gibt es wenig Verlässliches. Falschmeldungen und Kolportage schaffen eine hysterische Atmosphäre und treiben den Geschäftsführer Peter Peters, der vom degradierten Präsidenten Josef Schnusenberg die Verantwortung für die Finanzen geerbt hat, zur Verzweiflung. Er kündigt Gegendarstellungen an, aber Aufklärung will er nicht leisten.

Eine Glaubwürdigkeitskrise

Schalke hat als Ergebnis seiner trickreichen Finanzpolitik nicht nur eine Wirtschafts-, sondern eine Glaubwürdigkeitskrise. Auch deshalb erhalten Gerüchte und Halbwahrheiten gleich den Rang von Nachrichten. Vorige Woche hieß es zum Beispiel, dass Schalke von der bitterarmen Stadt Gelsenkirchen die Stundung der sechsstelligen Grundsteuer erbettelt habe - obwohl der fällige Betrag von 134.000 Euro längst per Lastschriftverfahren beglichen wurde. Richtig ist hingegen, dass der Verein den Oberbürgermeister über seine prekäre Lage informiert hat. Nicht zutreffend sind die Berichte, dass eine Unternehmensberatung mit der Klärung der Verhältnisse beauftragt wurde, und es stimmt auch nicht, dass der Aufsichtsrat von Peters verlangt, bis zum Jahresende 20 Millionen Euro zu beschaffen und bis zum Saisonschluss noch mal zehn Millionen. Wahr ist aber, dass er dringend die Aufgabe zur Konsolidierung erhalten hat - was wohl den gleichen Effekt hat. Peters, dessen Vertrag im nächsten Jahr ausläuft, sieht dieser Tage ziemlich gestresst aus. Er hat einen Job übernommen, an dem er scheitern kann.

Im Geschäftsjahr 2007 hat Schalke mit 147 Millionen Euro einen Rekordumsatz erzielt und einen Gewinn von 12,7 Millionen, auch im Folgejahr gab es einen kleinen Überschuss. Wieso also die plötzliche Not? Bis auf Magath und seine Helfer, die angeblich acht Millionen pro Jahr kosten, hat sich Schalke im Sommer keine großen Transfers geleistet, Einnahmen und Ausgaben hielten die Waage. Kenner sehen das Problem schlicht darin, dass der für eitle Meisterschaftsträume luxuriös ausgestattete Profikader und der Fußball-Konzern Schalke 04 ohne regelmäßige Einnahmen aus dem Europapokal zu teuer ist.

Weshalb sich die Blicke wieder auf den sportlichen Generalsanierer Felix Magath richten. "Ich habe überhaupt keine Sorgen, dass wir bis zur nächsten Saison finanziell wieder auf anderen Beinen stehen werden", versprach er zu Wochenbeginn. Ob diese Gesundung mit dem Abschied teurer Spieler wie Kuranyi, Altintop und Bordon und dem Verkauf von Anlagevermögen wie Rafinha, Neuer und Jones erzwungen werden muss, das weiß aber selbst der allgewaltige Reiseführer noch nicht.

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SZ vom 26.09.2009/sewi
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