Hertha BSC:"Jetzt ist wieder alles im Eimer"

Hertha BSC v VfL Wolfsburg - Bundesliga

Enttäuschtes Applaudieren: Berliner Spieler nach der Niederlage gegen Wolfsburg.

(Foto: Maja Hitij/Getty Images)

Ohne den abgestraften Matheus Cunha gibt Hertha BSC eine Führung gegen den VfL Wolfsburg aus der Hand - und steht nach der 1:2-Niederlage am Tabellenende.

Von Javier Cáceres, Berlin

Im Berliner Westen nichts Neues?

Nun, nicht ganz.

Auch die Hertha spielte am Samstag nach 300 Tagen ohne Zuschauer wieder vor größerem Publikum; für die Partie gegen den VfL Wolfsburg fanden sich rund 18 000 Zuschauer im großen Olympiastadion ein. Das waren einerseits knapp 7 000 Menschen weniger, als die Behörden für die Partie zugelassen hatten. Andererseits sorgten sie für ein hinreichend heimeliges Ambiente. Bis es am Ende doch ein klassisches Déjà-vu-Erlebnis im Berliner Westend gab: ein anschwellendes Grollen, das zwischendurch von Euphorie abgelöst wurde, bis am Ende doch alles in ein gellendes Pfeifkonzert mündete.

Der Grund: Die Hertha gab gegen Wolfsburg eine in der zweiten Halbzeit mühsam erstrittene Führung fahrlässig aus der Hand, verlor am Ende mit 1:2 - und ist damit als einzige punktlose Mannschaft der Liga: Tabellenletzter. Das alles wurde umrahmt von großen und kleinen Scharmützeln, in denen es um echte und vermeintliche Egoismen geht. Denn der Goldjunge Matheus Cunha, 22, sorgt noch immer für Gesprächsstoff - Trainer Pal Dardai hatte ihn nach der Auftaktpleite beim 1. FC Köln des Spaziergängertums bezichtigt und dann für das Spiel gegen Wolfsburg gestrichen -, und Davie Selke und Dodi Lukébakio stritten überaus lange über die Ausführung des Strafstoßes. "Jetzt ist wieder alles im Eimer, alles ist Kacke. Wir müssen das ganze extrem schnell abhaken", kommende Woche geht's ja zum FC Bayern nach München, erklärte Stürmer Marco Richter - nach einem Duell zweier sphinxartiger Wesen.

Sphinxartig, weil der Versuch, sich einen echten Reim auf Hertha und auf Wolfsburg zu machen, verwegen ist. Wolfsburg eröffnete die Partie mit zwei guten Chancen durch Lacroix und Weghorst, danach aber wurde es ein "langweiliges Spiel", wie Wolfsburgs Nationalspieler Ridle Baku bekannte. Sein Team wirkte nur mittelbar überzeugt von den eigenen Spielidee. Nach der Pause wurde die Partie munterer, was auch damit zu tun hatte, dass sich der stets bestimmt dirigierende Hertha-Rückkehrer Kevin Prince Boateng kurz vor der Pause abmelden musste. Er hat Rücken, wie es so schön heißt.

Hertha-Trainer Dardai freut sich darüber, drei Spieler zu haben, die sich um die Ausführung eines Elfmeters streiten

Sein Ersatzmann Stevan Jovetic weckte die Hertha - unter anderem mit einem sehenswerten Volleyschuss, also nicht nur im übertragenen Sinne. Danach fiel Lukébakio im Strafraum, weil ihn VfL-Innenverteidiger Brooks am Fuß getroffen hatte. Selke schnappte sich den Ball und legte ihn auf den Punkt. Doch das führte zu einer Debatte, die Selke in der Rückschau als fünfminütig in Erinnerung hatte. Und die Dardai für begrüßenswert hielt, weil er lieber drei Spieler hat, die sich um die Ausführung eines Elfmeters streiten, als eine Mannschaft, in der alle "Sportschoko in der Hose haben."

Das Ergebnis der Diskussion: Selke willigte am Ende in die Rolle des Klügeren ein, der nachgibt, aber weniger aus innerer Überzeugung denn aus reiner Notwendigkeit, das Spiel musste ja weitergehen. Immerhin: Lukébakio traf gegen seinen Landsmann Koen Casteels sicher, und allet schien wieder knorke zu sein.

Nur: Wolfsburg reagierte, zeigte sich aggressiver und biss per Konter zu. Xaver Schlager schlug einen präzisen Pass in den Lauf von Baku, der Dedryck Boyata entwischte und dann Herthas Torwart mit einem Flachschuss in die so genannte Torwartecke überwand (73.). Doch damit nicht genug: Der von Mark van Bommel (regelkonform) eingewechselte Lukas Nmecha sorgte in der 88. Minute noch für das 2:1 - und damit für Wolfsburgs zweiten Sieg im zweiten Bundesligaspiel der laufenden Saison. "Ich bin stolz auf die Spieler, dass sie zurückgekommen sind", sagte van Bommel.

Dass Cunha Berlin verlassen wird, zeichnet sich immer deutlicher ab

Eine andere Rückkehr, die sich abzeichnet, ließ er vorerst unkommentiert: jene von Nationalspieler Luca Waldschmidt in die Bundesliga, laut Bild sollte der aktuelle Spieler von Benfica Lissabon am Samstag schon den bei Transfers obligatorischen Medizincheck absolvieren. Womit wir wieder bei Cunha wären. Denn es zeichnet sich immer deutlicher ab, dass der Brasilianer Berlin verlassen wird und also auch bald einen dieser obligatorischen Untersuchungen absolvieren soll, die sein Sturmpartner aus dem vergangenen Jahr - der nach Krasnodar in Russland gewechselte Stürmer Jhon Córdoba - schon hinter sich hat.

Dass die Nichtberufung des brasilianischen Nationalspielers eine "pädagogische Maßnahme" war, bestätigte Herthas Trainer Pal Dardai vor und nach dem Spiel. Er habe Cunha gesagt, dass er wieder ins Team rutschen würde, wenn er wieder bereit sei, "zu kämpfen und zu laufen", "in meiner Mannschaft geht keiner spazieren", sagte er hinterher. Cunha habe ihm zwar vorgeschlagen, bereits am Samstag alles zu tun, um den Vorwurf des Flanierens zu entkräften, "aber ein bisschen wehtun" wollte er dem brasilianischen Nationalspieler doch, sagte Dardai; es sei zuletzt zu viel des Guten gewesen. Wenn die Konsequenz sei, auf Fußballer "mit weniger Qualität" zurückzugreifen, werde er das tun, sagte Dardai noch.

Manager Fredi Bobic wiederum bestätigte, dass man mit diversen Vereinen im Gespräch sei. Welche Klubs das seien, bestätigte er nicht, wohl aber betonte er, dass man Cunha nicht unter Marktwert ziehen lassen würde. Ob von Atlético Madrid wirklich 25 Millionen Euro geboten wurden, wie es in spanischen Zeitungen hieß? Die Verhandlungen liefen zäh, berichtete Bobic.

Zur SZ-Startseite
Gerrit Holtmann (VfL Bochum), re., hat soeben das Tor zum 1:0 erzielt und dreht ab, die Mainzer sind entsetzt 21.08.2021

VfL Bochum
:Solo des Jahres

Dem VfL Bochum gelingt beim ersten Bundesliga-Heimspiel seit mehr als elf Jahren ein 2:0 gegen Mainz - bei dem Gerrit Holtmann mit einem Slalom à la Messi heraussticht.

Lesen Sie mehr zum Thema

Jetzt entdecken

Gutscheine: