Fußball-Bundesliga:Heidels raffinierte Rache

Pressekonferenz 1. FSV Mainz 05

Raffinierte Rache von Christian Heidel.

(Foto: dpa)

Der Mainzer Manager Christian Heidel macht die Gespräche zwischen Thomas Tuchel und Schalke 04 öffentlich - ein geschickter Zug. Dabei ist das Schalker Werben um einen der begehrtesten Trainer der Branche weder unanständig noch ungewöhnlich.

Ein Kommentar von Philipp Selldorf

Der Mainzer Manager Christian Heidel hat nicht den Verfall der Sitten in der Bundesliga beklagt, als er dem Publikum am Sonntag den freiwilligen Rückzug des Trainers Thomas Tuchel erklärte. Das musste er auch nicht tun, weil er stattdessen auf gezielt vielsagende Weise Fakten sprechen ließ. Unter anderem trug Heidel vor, er habe im Februar seinen Schalker Kollegen Horst Heldt wissen lassen, dass Mainz 05 unter keinerlei Umständen den laufenden Vertrag mit Thomas Tuchel lösen werde, um eine Freigabe für den Wechsel nach Gelsenkirchen zu erteilen.

Er plauderte so zweierlei aus: Dass Heldt und Tuchel heimlich miteinander geredet beziehungsweise verhandelt hatten, und dass Schalke 04 Tuchel als Trainer hatte engagieren wollen.

Dass Heidel dies am Sonntag in aller Ausführlichkeit öffentlich schilderte, das lässt sich geradewegs als eine raffinierte Form der Rache verstehen. Er klagte an, ohne sich die Blöße zu geben, formell Anklage zu erheben: Einerseits den treulosen Trainer Tuchel, andererseits den Manager Heldt, der hinterrücks und hemmungslos bei der Konkurrenz wildert und dafür seinen eigenen Trainer Jens Keller verrät, obwohl dieser noch bis 2015 in Schalke unter Vertrag steht.

Das Echo auf diese Darstellung dürfte Heidel gefallen haben. Bild sieht Tuchel als "Heuchler" entlarvt, der sich zum Zweck seiner Karriere undankbar über die Abmachungen mit seinem Verein hinwegsetzt, obwohl ihm dieser doch erst die Chance gegeben hatte, in der Bundesliga zu arbeiten. Dass auch Schalke ins moralische Zwielicht gerückt wird, dürfte den Manager Heldt weniger stören als die Fragen, die er nun seinem gekränkten Trainer Jens Keller beantworten muss.

Am Montag hat Heldt erst mal erklärt, dass es keine Pläne gebe, Keller abzulösen. Außerdem wies er darauf hin, dass er zum Zeitpunkt des Gesprächs mit Heidel wegen der unsicheren sportlichen Situation verpflichtet gewesen sei, "alle Eventualitäten durchzuspielen" - Trainerwechsel inbegriffen. Kein Mensch, weder Heldt noch Keller, konnte damals ahnen, dass in Schalke auf eine in Phasen grauenvolle Hinrunde eine erfolgreiche Rückrunde folgen würde.

Tatsächlich muss man dieses vermeintliche Moralstück nicht von seinem Ende her betrachten, sondern aus seinen Anfängen. Es ist bigott, dass die Mainzer nun so tun, als seien sie an diesem 34. Spieltag von den Plänen ihres Trainers überrascht worden. Tuchel hatte seinen Verein schon im Winter darüber informiert, dass er seine Tätigkeit im Sommer nicht mehr fortsetzen wolle. Weder ist es unanständig noch ungewöhnlich, wenn ein Trainer zum Zweck der Karriere wechseln möchte, und es ist auch nicht niederträchtig, wenn sich ein Klub wie Schalke 04 um einen Mann bemüht, der aus guten Gründen zu den begehrtesten Trainern der Branche gehört. Verträge dienen in der Bundesliga als Geschäftsgrundlagen, sie sind nicht aus höheren Gründen unantastbar.

Zur SZ-Startseite

Lesen Sie mehr zum Thema

Jetzt entdecken

Gutscheine: