2. Bundesliga:Hannover 96 muss aufsteigen

Martin Kind

Hannovers Boss Martin Kind (Archivbild).

(Foto: Peter Steffen/dpa)

Klubboss Martin Kind gibt Hannover genau eine Saison Zeit, um in die erste Liga zurückzukehren - ansonsten werde man "alles in Frage stellen müssen".

Von Carsten Scheele, Hannover

Wie sehr sich das Gesicht von Hannover 96 verändert hat, das war beim Sponsorentermin im Werk des hiesigen Autobauers zu bestaunen. Vor wenigen Monaten hätte der Verein wohl noch Thomas Schaaf, Christian Schulz oder Ron-Robert Zieler entsandt - den Trainer, den Kapitän, den Nationaltorwart, um die Produktionsstätten zu besuchen, einige neue Autos zu bestaunen. Nun führte Trainer Daniel Stendel, erst seit April im Amt, die 96-Delegation an, mit kamen die frisch verpflichteten Stürmer Martin Harnik und Niclas Füllkrug. Schaaf, Schulz und Zieler haben den Klub längst verlassen.

Als Absteiger startete Hannover 96 an diesem Freitag mit einem 4:0-Erfolg beim 1. FC Kaiserslautern in die erste Zweitliga-Spielzeit seit 14 Jahren; und es entspricht dem Selbstverständnis des Klubs, der zwischenzeitlich als gestandener Erstligist mit Europacup-Erfahrung zu gelten hatte, dass man sofort zurückkehren möchte in die erste Bundesliga.

Harnik, Sobiech, Füllkrug: Ist das die beste Offensive der Liga?

So peinlich dieser Abstieg auch war, schließlich stand 96 schon viele Wochen vor dem Ende der vergangenen Spielzeit als erster Absteiger fest: Das runderneuerte Team (bislang elf Zugänge, 13 Weggänge) soll nur ein Jahr Zeit bekommen, diesen Unfall vergessen zu machen. Der Aufstieg wird zur Pflichtaufgabe - "und das möglichst deutlich und überzeugend", hat Klubboss Martin Kind gesagt. Der Hörgeräte-Unternehmer, seit Jahren Alleinherrscher im Klub, musste zuletzt arg leiden; bei der Jahreshauptversammlung im Frühjahr bangte er sogar ernsthaft um seine Vormachtstellung im Verein.

Nun macht Kind wieder Druck. Am direkten Wiederaufstieg führe sogar kein Weg vorbei, sagt er: "Sonst wird man alles in Frage stellen müssen, und das wird sich keiner wünschen."

Halberstadt 27 07 2016 Friedenstadion Fussball Testspiel FC Erzgebirge Aue vs Hannover 96 3 3

Wichtiger Mann fürs Projekt Wiederaufstieg: Stürmer Martin Harnik wechselte vom Mit-Absteiger VfB Stuttgart nach Hannover.

(Foto: Picture Point/Imago)

Die anspruchsvolle Aufgabe, 96 sofort zurück in die Eliteklasse zu führen, obliegt Trainer Stendel, 42, was ein Wagnis ist, da er kaum über nennenswerte Trainererfahrung verfügt, bislang bloß die U 17 und U 19 des Vereins coachte. Doch dem omnipräsenten Kind blieb kaum anderes übrig, als Stendel das Vertrauen auszusprechen: Schließlich hatte es Kind (der 2017 eigentlich aufhören möchte) zuvor mit geballter Erfahrung versucht - und war mit seinem Wunschtrainer Thomas Schaaf krachend gescheitert. Zudem brauste über Stendel, als der Abstieg feststand, eine ungeahnte Welle der Sympathie von Seiten der Fans hinweg, mit denen sich Kind in der Vergangenheit viel zu oft angelegt hatte.

Zwei Favoriten: Stuttgart und Hannover?

So darf nun Stendel, der als Aktiver in sieben Jahren 184 Spiele für 96 absolvierte, die Ausstiegsmission anleiten. Doch er mahnt, anstatt ebenfalls den Scharfmacher zu spielen. "Wir müssen uns schnell zurechtfinden", erklärt Stendel: "Wir haben jetzt eine andere Position in der Liga, wir werden vom Gegner und von den Zuschauern anders wahrgenommen." Für viele Beobachter gibt es zwei logische Favoriten auf den Aufstieg: einerseits der VfB Stuttgart, andererseits Hannover 96.

Um die Liga vom Anpfiff weg zu dominieren, dafür hat sich das neue Hannover in der Vorbereitung doch etwas zu anfällig präsentiert, insbesondere in der Abwehr. Beim 3:3 in Halle kassierte das Team drei Gegentore gegen einen Drittligisten, schon zuvor hatte Hannover 0:1 beim drittklassigen VfL Osnabrück verloren. Von "chronischen Wacklern in der Defensive" schreibt die Neue Presse bereits, auch Trainer Stendel moniert, es sei "zu einfach, wie man uns überspielen kann".

Was wird aus Salif Sané?

Derartige Probleme in der Offensive drohen dafür nicht, da dürfte Hannover dank Harnik, Füllkrug (der zum Auftakt in Kaiserslautern verletzt ausfällt) und Artur Sobiech über eine der stärksten Angriffsformationen der Liga verfügen. In zehn Testspielen gelangen satte 63 Tore. Defensiv könnten sich die Probleme allerdings noch verschlimmern: Dem Leistungsträger Salif Sané (Vertrag bis 2018) wird seit Wochen nachgesagt, dass er am liebsten sofort zum 1. FC Köln wechseln würde, wo sein bester Kumpel Anthony Modeste spielt. Allerdings gehen die Ablösevorstellungen - Köln bietet rund fünf Millionen, Hannover will offenbar zehn - gewaltig auseinander. Trainer Stendel sieht es einstweilen gelassen, er sagt, ihm habe Sané "nie mitgeteilt, dass er etwas anderes als 96 machen will".

Dass es zum Auftakt gegen die Lauterer und deren neuen Trainer Tayfun Korkut ging, der bis Ende 2013 selbst noch Hannover trainierte, machte die erste Partie der neuen Saison noch eine Spur brisanter. Korkut weiß natürlich um die Erwartungen in seiner alten Heimat, und er denkt nicht daran, auch nur eine Spur Druck von seinem ehemaligen Klub zu nehmen. Sicherheitshalber erklärte Korkut die Hannoveraner noch mal zum "absoluten Aufstiegsfavoriten". Das erste Spiel zeigt, er liegt damit nicht ganz falsch.

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