VfL Bochum:Ein Schwabe für das Schlusslicht

VfL Bochum: "Er ist in der Lage, eine Mannschaft mit einer klaren Spielidee zu formen": Thomas Letsch.

"Er ist in der Lage, eine Mannschaft mit einer klaren Spielidee zu formen": Thomas Letsch.

(Foto: Pro Shots/Imago)

Thomas Letsch, 54, soll den VfL Bochum vor dem Abstieg in die zweite Liga retten. Ob das klappt, mit dem Pressing-Umschalt-Fußball, den der Coach aus seiner Zeit bei RB spielen lässt?

Von Ulrich Hartmann, Bochum

Ein Schwabe aus den Niederlanden soll im Ruhrpott den VfL Bochum vor dem Abstieg in die zweite Liga bewahren. Der gebürtige Esslinger Thomas Letsch, 54, zuletzt zwei Jahre bei Vitesse Arnheim, wurde am Donnerstagabend als Nachfolger des vergangene Woche entlassenen Trainers Thomas Reis benannt.

Letsch, einst Gymnasiallehrer für Mathe und Sport sowie drei Jahre Lehrer an einer deutschen Schule in Lissabon, pflegt seit seiner Zeit in der Nachwuchsakademie von RB Salzburg den dort verimpften Pressing-Umschalt-Fußball. Wie gut sich dieser Spielstil auf die Bochumer Mannschaft anwenden lässt, werden die nächsten Wochen zeigen. Mit einem Punkt aus sieben Spielen ist der VfL derzeit Letzter in der Bundesliga. Letsch, der seinen deutschen Co-Trainer Jan Fießer mitbringt, erhält einen Vertrag bis 2024. Bochum zahlt für ihn laut Medienberichten eine Ablösesumme im mittleren sechsstelligen Bereich.

Bereits im Sommer war Letsch bei mehreren deutschen Klubs gehandelt worden, auch bei Schalke 04, das sich zunächst für den vom VfL aber nicht freigegebenen Thomas Reis interessierte und dann für Frank Kramer entschied. Nun ersetzt Bochum Reis durch Letsch, während Reis für Schalke vielleicht noch einmal interessant werden könnte. So etwas nennt man Trainerkarussell.

"Letsch ist unsere Wunschlösung", sagt Bochums neuer Sportdirektor Patrick Fabian: "Er verfügt über die nötige Erfahrung und ist in der Lage, eine Mannschaft mit einer klaren Spielidee zu formen." Was bei den klammen Bochumern außerdem gut ankommt: Letsch habe auf seinen Stationen stets die Entwicklung talentierter Spieler vorangetrieben.

Als Letsch 2008 beim Oberligisten SG Sonnenhof-Großaspach erstmals Cheftrainer wurde, arbeitete er auch noch als Gymnasiallehrer für Mathe und Sport

Erstmals als Trainer trat Letsch beim Drittligisten Stuttgarter Kickers in Erscheinung. Als dort 2003 der Cheftrainer Marcus Sorg (heute Assistent des Bundestrainers Hansi Flick) entlassen wurde, übernahm der Co-Trainer Letsch zusammen mit Robin Dutt das Amt. Später wurde Letsch beim SSV Ulm noch einmal Assistent von Sorg. Als er 2008 beim Oberligisten SG Sonnenhof-Großaspach erstmals Cheftrainer wurde, arbeitete er auch noch als Gymnasiallehrer für Mathe und Sport. "Mathe ist logisches Denken, da werden Lösungen gesucht; und auch beim Fußball stellt uns der Gegner vor Aufgaben, die wir lösen müssen", hat er mal gesagt.

Im Sommer 2009 beendete Letsch nicht nur seine Zeit in Aspach, er schien sich vollends vom Fußball zu verabschieden. Er wurde in Lissabon Lehrer an einer deutschen Schule, wo sein einziger Kontakt zum Fußball die Mädchen-Fußball-AG war. Doch 2012 holte Ralf Rangnick ihn an die Jugendakademie von RB Salzburg. Dreieinhalb Jahre trainierte Letsch dort Mannschaften. Ein Jahr lang war er zudem Co-Trainer vom Chefcoach Roger Schmidt. Von 2015 bis 2017 trainierte er das RB-Farmteam FC Liefering.

Anschließend hatte Letsch zunächst nicht allzu viel Glück. Beim damaligen Zweitligisten Erzgebirge Aue folgte er im Sommer 2017 auf Domenico Tedesco, wurde nach nur drei Spielen aber schon wieder entlassen, weil, wie der Präsident Helge Leonhardt damals sagte, "das Spielsystem nicht funktioniert hat". Auch bei Austria Wien war Letsch von Februar 2018 bis März 2019 nur ein gutes Jahr im Amt, weil "die Entwicklung zu schwach war", wie der Sportdirektor Ralf Muhr damals erklärte.

Erst bei Vitesse Arnheim schien alles zu passen. Dort war Letsch seit Sommer 2020 Cheftrainer. Vitesse-Sportdirektor Johannes Spors hat ebenfalls eine RB-Vergangenheit und holte ihn in die Niederlande. Im ersten Jahr führte der Trainer den Klub ins niederländische Pokalfinale gegen Ajax Amsterdam (1:2). Mit seinem aggressiven Pressing-Spielstil à la RB sorgte der Schwabe für eine fußballerische Kulturrevolution im Gelderland. Er führte den Klub überraschend auf den vierten Platz der Ehrendivision und im zweiten Jahr auf den sechsten Platz. Im Frühjahr schaffte es Arnheim ins Achtelfinale der Conference League. Momentan rangiert Vitesse nach sieben Spieltagen als Fünftletzter auf Rang 14. Letsch sagt: "Unser Ziel ist, dass der VfL Bochum auch nächste Saison in der Bundesliga spielt, dafür werden wir sehr hart arbeiten."

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