Meisterschaften werden nur in den seltensten Fällen in Gipfeltreffen entschieden. Es sind die Spiele gegen die nominell kleineren Gegner, die das Gros der Punkte bringen. Dementsprechend hart trifft es Borussia Dortmund, schon am zweiten Spieltag der Saison entzaubert worden zu sein. Nur eine Woche nach dem berauschenden 5:2 gegen Eintracht Frankfurt (und vier Tage nach dem gar nicht mal so frustrierenden 1:3 im Supercup gegen den FC Bayern München) setzte es eine schmerzliche 1:2-Niederlage beim SC Freiburg. Das ist zugegebenermaßen einer der unbequemsten Vereine der Liga, längst nicht mehr so klein, wie sie selbst tun - aber wer Meister werden will, muss auch solche Teams besiegen. Besonders frustrierend: Fast jede Statistik sprach für die Gäste. Nur das Ergebnis tat es nicht.
Anfangs spürte man den Respekt der Einheimischen vor dem Offensivpotenzial des BVB. Als Marco Reus den offensiv aufgestellten Jude Bellingham nach zweieinhalb Minuten steil in den Strafraum schickte und die Szene nur knapp geklärt werden konnte, wurde es mucksmäuschenstill im Stadion - so als wären die Zuschauer versehentlich ins neue Freiburger Stadion gepilgert, wo erst im Herbst gespielt wird.
Leipzigs Sieg gegen Stuttgart:Der Meister der Ballistik hinterlegt seine Visitenkarte
Beim 4:0 gegen Stuttgart untermauert Leipzigs Stürmer Dominik Szoboszlai mit zwei spektakulären Toren seinen Ruf als Kunstschütze. Nach langer Leidenszeit gelingt ihm das perfekte Heimdebüt.
Aber schon bald schwärmten die schwer berechenbaren Breisgauer aus, um den Gegner mit gezielten Nadelstichen zu paralysieren - eine Fähigkeit, die die Freiburger zum Stammgast in der Liga hat werden lassen. Sehr zupass kam ihnen, dass Dortmunds Außenverteidiger Felix Passlack ein unnötiges Foul gegen Nicolas Höfler beging, das bei den meisten Bundesligisten in scheinbar unverfänglichem Territorium passiert wäre - aber nicht gegen Freiburg. Vincenzo Grifo versenkte in der 6. Minute den direkten Freistoß aus gut 28 Metern, der trotz der großen Distanz unhaltbar für Torwart Gregor Kobel war, weil der ballistische Bogenball knapp unter dem Lattenkreuz an den Innenpfosten knallte und von dort ins Tor flog.
Dortmund lässt sich von den ungemütlichen, nervigen Freiburgern in ein Kleinklein voller Zweikämpfe verstricken
Während die Fans im Dreisamstadion vor Glück tanzten, blieb Dortmund cool. Und kam zu Chancen. Bellingham drang nach einem Dribbling in den Strafraum ein, doch der agilste Borusse schob den Ball genau auf Torwart Mark Flekken statt in ein freies Toreck (11.). Sturmtank Erling Haaland, sonst oft eng und fast durchgängig effektiv gedeckt von Nico Schlotterbeck, stand drei Minuten später frei vor dem Tor, brachte aus zehn Metern aber nur einen schwächlichen Rechtsschuss zustande, wieder ganz nach dem Geschmack von Flekken.
Dortmund ließ sich in der Folgezeit von den ungemütlichen, nervigen Freiburgern in ein Kleinklein voller Zweikämpfe verstricken, viel zu oft ging es durch die Mitte, wo die Freiburger bekanntlich besonders zeckig sind. "Man hat Respekt vor den Wellen der Dortmunder", hatte Trainer Christian Streich gesagt. "Wenn wir das nicht in den Griff bekommen, werden wir überrollt." Wurden sie aber nicht. Die Welle verebbte.
Und auch wenn Dortmund die aktivere Elf stellte und Bellingham mit einem Kopfball den Innenpfosten traf (32.), versteckte sich der Außenseiter keineswegs. Im direkten Gegenzug passte Freiburgs neuer Rekordspieler Christian Günter (237 Partien für den SC) noch in derselben Minute im richtigen Moment in die Mitte, aber sein Kollege Woo-Yeong Jeong hatte offenbar seine Füße falsch eingehängt, so dass er den Ball zentral vor dem Tor aus fünf Metern gut zehn Meter neben das Tor schob.
Die Gäste verzetteln sich oft und machen es sich selbst schwer
Nach der Pause wartete man auf Dortmunder Ideen, sah stattdessen aber feine Freiburger Füße. Nach einem Ballgewinn gegen Bellingham in der eigenen Hälfte inszenierte der SC einen blitzsauberen Konter, bei dem die BVB-Deckung ausgespielt wurde, als wären Reus und Haaland am Angriff beteiligt gewesen - es waren aber Jeong, Lucas Höler und Roland Sallai, die mit Übersicht kombinierten und als Lohn das 2:0 bejubeln durften. "Das haben wir gut gemacht", lobte Streich, das habe er auch schon seinen Spielern gesagt - "ich kann ja nicht nur immer motzen, sondern muss die Jungs auch mal loben".
Die Gäste verzettelten sich oft und machten es sich selbst schwer, so wie Donyell Malen, der Flekken umkurvte, den Abschluss aber verweigerte (57.). War der BVB geschlagen? Das nicht. Passlacks erste gute Flanke des sonnigen Nachmittags verpasste Bellingham zwar, das passte zum Spiel, doch hinter dem Dortmunder stand Yannik Keitel, der den Ball ins eigene Tor bugsierte (59.) und die Borussia zurück ins Spiel brachte.
Trotz der hohen Temperaturen blieb das Geschehen intensiv, aber Dortmund mangelte es in der letzten Zone an Tempo und Esprit. Freiburg igelte sich zunehmend ein, musste freilich selten zittern. Nur einmal mussten die Gastgeber mit ansehen, wie ein langer Pass dann doch Haaland erreichte (68.). Der Norweger legte sich den Ball mit der Brust perfekt in den Lauf, er drang in den Strafraum ein und zog ab. Doch sein Abschluss mit links war bloß hart, aber viel zu ungenau. War der BVB geschlagen? Jetzt schon, denn in den letzten 25 Minuten geschah nichts mehr, das Dortmund diesen bitteren Nachmittag gerettet hätte.