Fußball-Bundesliga:Flusspferd-Fund im Valznerweiher

Der FC Bayern hat Defensivprobleme, Nürnberg einen zu braven Angriff, und Lukas Podolski ist auf Identitätssuche. Das Bundesliga-Vorspiel zum 5. Spieltag.

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Salihovic rtr

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1899 Hoffenheim - VfL Bochum (Samstag, 15:30 Uhr)

Dass beim VfL Bochum um Spielmacher Mimoun Azaouagh (Muskelprobleme) gleich fünf Spieler für das Spiel gegen Hoffenheim ausfallen, könnte sich extrem ungünstig auswirken. Besonders die Verletzungen von "Hubschrauber" Vahid Hashemian (Knie) und 1,91-Meter-Hüne Diego Klimowicz (Rückenprobleme) wiegen schwer, hätte ihnen doch die entscheidende Rolle des Tor-Verhinderers zukommen können. Ja, richtig gehört, sie sollen keine Tore schießen (tun sie ohnehin kaum). Es würde durch die Abdeckung des jeweiligen Außenpfostens schon reichen, jene von Freistoßschütze Sejad Salihovic (re., nach Traumtor gegen die Türkei) zu verhindern.

Trainer Marcel Koller sollte sich also überlegen, die beiden Profis trotz körperlicher Malaise zumindest als Unterstützung des Gebälks aufzubieten - die Planstelle im Sturm besetzt in Bochum ohnehin eher Stanislav Sestak. Der erzielte alle drei Treffer beim 3:0 des VfL im April und traf bereits sechs Mal für die Slowakei in der WM-Qualfikation. "Natürlich wird Hoffenheim Revanche nehmen wollen", sagt Marcel Koller. Sehr wahrscheinlich ist das aber nicht: Seit 203 Minuten ohne Gegentor, haben die Kraichgauer erst zwei Treffer erzielt - Liga-Tiefstwert. Einen solchen hat auch Bochum zu bieten: Kein Team kassierte mehr Gegentreffer in Hälfte eins (sechs von acht). Mit vier Pfosten und einem Torwart könnte das sich nun ändern.

Texte: Andreas Thieme und Jonas Beckenkamp

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Kießling dpa

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VfL Wolfsburg - Bayer 04 Leverkusen (Samstag, 15.30 Uhr)

Im Duell der Werksklubs gibt es zwei Angestellte, die kürzlich äußerst positiv haben von sich reden machen. Da wäre im Bayer-Werk etwa der angriffslustige Stefan Kießling, der bislang an allen seinen vier Arbeitstagen eine erfolgreiche Quote erzielte (insgesamt vier Treffer) und auch beim nächsten Einsatz nach einem Erfolgserlebnis dürstet, was ihm neben der Verleihung des Titels "Mitarbeiter des Monats" womöglich auch eine zeitnahe Beförderung in die nationale Konzernelite bescheren wird.

Dort erfolgreich eingesetzt wurde bereits Kompagnon Edin Dzeko, Angestellter des Volkswagen-Werkes in Wolfsburg. Der verschaffte seiner Abteilung im vergangenen Jahr zusammen mit Kollege Grafite den Status einer Torfabrik und erreicht das, was Kießling womöglich als nächstes Karriereziel plant: Den Aufstieg in die europäische Spitzenklasse. Verantwortlich für dieses Unternehmensziel zeichnet Jupp Heynckes, der schon über so viel Berufserfahrung verfügt, dass er getrost als graue Eminenz gelten und bei Bayer eine neue Ära einleiten darf. Ein kurzfristiger Erfolg im Werksduell erscheint da nicht abwegig, zumal die Expansion der letztjährige Torfabrik aus der VW-Stadt stagniert: In dieser Geschäftsperiode produzierte sie noch keinen Treffer in der ersten Halbzeit.

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Caio getty

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SC Freiburg - Eintracht Frankfurt (Samstag, 15:30 Uhr)

Achtung, hier eine Hammermeldung: Eintracht Frankfurt ist nach vier Spieltagen noch ungeschlagen und derzeit nur einen Punkt vom internationalen Geschäft entfernt. In Städten wie Freiburg wäre so etwas womöglich Grund für ein spontan einberufenes Volksfest. In Frankfurt aber, ganz im Gegensatz zum genügsamen Freiburg, weckt eine solche Platzierung Erwartungen. Man erkennt das leicht daran, dass Eintracht-Trainer Michael Skibbe unbedingt den Ex-Schalker Lincoln verpflichten wollte, da dieser die Offensive der Hessen "schlagartig um 20 Prozent verbessert" hätte. Und vielleicht auch den Tabellenplatz.

"Der Verein hat einen großen Fehler gemacht", sagte Skibbe, immer noch enttäuscht über den geplatzten Wechsel. Und so muss der Eintracht-Trainer wieder auf Spielmacher Caio (links im Bild) setzen, der zuletzt enttäuschte. Nach Spielen in Freiburg ist der Frankfurter Anhang meist ganz und gar nicht enttäuscht: Mit einem 3:2 sicherten sich die Hessen etwa am zweiten Spieltag der Saison 1999/2000 die Tabellenführung. Am Ende der Hinrunde standen sie aber mit mageren elf Punkten am Tabellenende (weitere zwei wurden im Nachhinein wegen Lizenzvergehen abgezogen). Am Tabellenende könnte bei einer neuerlichen Niederlage auch der SC Freiburg stehen, haben sie doch mit 10 Gegentoren die löchrigste Abwehr der Liga.

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1. FC Nürnberg - Borussia Mönchengladbach (Samstag, 15.30 Uhr)

In Nürnberg ist mit dem vor der Saison zurückgetretenen Klubchef Michael A. Roth der Posten der grauen Eminenz vakant. Doch Trainer Michael Oenning passt mit seinem Jugendstil und seiner Modernität so gar nicht ins Raster eines alten Weisheiten-Dauerbrenners. Nach dem Fehlstart mit nur zwei Punkten aus vier Spielen muss aber auch er tief in die Trickkiste greifen. Sein Kapitän Andreas Wolf fehlt wegen einer Rotsperre, die er sich im Freundschaftsspiel gegen Bohemians Prag mit dem Kopf "erstoßen" hat. Und dass der unerfahrene HSV-Leihstürmer Maxim Choupo-Moting die bisher kreuzbrave Club-Offensive in eine gefürchtete Gala-Sturmreihe verwandelt, ist in etwa so ungewiss wie ein Flusspferd-Fund im Valznerweiher.

Die Nürnberger lechzen also bereits leicht geplagt nach ihrem ersten Saisonsieg - die Borussia kann die Dinge dagegen ruhig angehen lassen. Die neue Leichtigkeit des Gladbach-Seins manifestiert sich nicht nur im überraschenden Platz fünf, sondern auch durch die Gewissheit, endlich einmal gut eingekauft zu haben. Der Venezuelaner Juan Arango (fraglich wegen später Länderspiel-Rückkehr) sowie der Argentinier Raul Bobadilla lassen bisher all die gescheiterten Wesley Soncks (links im Bild), Federico Insuas oder Thomas Helvegs vergessen.

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Borussia Dortmund - FC Bayern München (Samstag, 15.30 Uhr)

Wie gut, dass es Franz Beckenbauer gibt, der stets die Dinge beim Namen nennt. "Unser Problem ist die Defensive. Ich hoffe, dass Louis van Gaal das bald in den Griff bekommt", hatte der weise Kaiser bei der Präsentation der Fußballsendung ran unter der Woche gefachsimpelt. Wie recht der doch hat, der Franz, und doch dürften die Defensivprobleme der Bayern ohnehin niemandem entgangen sein, was Beckenbauers Kommentar ungefähr so erkenntnisreich macht wie die Feststellung: Oha, die Afghanistan-Frage wird zum Wahlkampfthema.

Die Münchner müssen also nach Dortmund, wo sie, und insbesondere Mark van Bommel, zuletzt weniger erheiternde Erfahrungen gemacht haben. Der Bayern-Kapitän sah die rote Karte und das Spiel endete mit einem glücklichen 1:1. Doch dieses Mal kommt der Rekordmeister ohne den weiterhin verletzten van Bommel, dafür aber mit den Flügelrasern Ribéry und Robben - wer mag da noch an die Defensive denken? Nein, lieber nicht, denn dann würden einem die Auftritte der Bayern-Abwehrspieler Van Buyten (mit Belgien 0:5 in Spanien und 1:2 in Armenien) und Pranijc (mit Kroatien 1:5 in England) in der WM-Qualifikation graue Haare wachsen lassen - und das sollte der grauen Eminenz des Kaisers überlassen werden.

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Müller dpa

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FSV Mainz 05 - Hertha BSC Berlin (Samstag, 15:30 Uhr)

Drei Neuzugänge, aber auch nur drei Punkte - so sieht die aktuelle Situation bei der Berliner Hertha aus, deren Fans sich nach zuletzt drei Niederlagen in Folge den ersehnten Schub nach vorne erhoffen. Trainer Lucien Favre bremst aber die Euphorie: Der kolumbianische Stürmer Ramos kehrte erst spät von seinem Länderspiel aus Uruguay zurück, auch ein Einsatz des Brasilianers Cesar käme "noch zu früh". Einzig Kringe habe Chancen auf einen Einsatz. In Mainz hat Trainer Thomas Tuchel derweil mit der "T-Frage" zu kämpfen - seine Torhüter leiden an diversen Wehwehchen.

Ersatzmann Christian Wetklo zwickt die Wade, Stammtorwart Heinz Müller dagegen der Bauchmuskel, und da Mainz von einer Verpflichtung des vereinslosen Torhüters Thorsten Kirschbaum absah, könnte es nun zum Debüt des 19-Jährigen Nachwuchsmannes Pierre Kleinheider kommen. Tuchel erklärte diese Vorgehensweise im Interview mit dem Onlineportal der Berliner wie folgt: "Wir wollen uns erlauben, quer zu denken und in bestimmten Bereichen auch mal neue Wege zu beschreiten, um dort Wettbewerbsvorteile zu erzielen, wo nicht in erster Linie der monetäre Einsatz entscheidet." Dem Mainzer Anhang sagte der sympathische Trainernovize hingegen: "Irgendwer wird schon im Tor stehen".

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Hamburger SV - VfB Stuttgart (Samstag, 18.30 Uhr)

Die alte Fußballerfloskel "es kommt knüppeldick" ist zwar so platt wie Mürbeteig nach einer innigen Nudelholzbehandlung, doch die jüngste Kreuzbandmisere beim HSV rechtfertigt mittlerweile jegliche Beschreibung. Erst traf es in der Saisonvorbereitung den Brasilianer Alex Silva, dann erwischte es Collin Benjamin und nun ereilte den Peruaner Paulo Guerrero (Bildmitte) eine schwere Knieverletzung mit Verdacht auf, na klar, Kreuzbandriss. Seine hervorragende Form hatte der Unglücksrabe mit bisher vier Toren in vier Spielen unterstrichen - doch dass die Hamburger mittlweile ihren Kader nachhaltiger zusammenstellen, zeigt die Tatsache, dass mit dem Holländer Eljero Elia (re., traf im Länderspiel gegen Schottland) und dem Schweden Marcus Berg zwei ebenso formstarke Offensivleute bereit stehen.

Beim VfB Stuttgart wäre es langsam an der Zeit, sich zu fragen, was man in dieser Spielzeit noch so vor hat. Bisher bewegen sich die Schwaben irgendwo zwischen Niemandsland und Langeweilezone der Bundesliga - gemessen an ihren Ansprüchen ist das eindeutig zu wenig. Bis auf den Langzeitmaladen Martin Lanig (ebenfalls trauriges Mitglied der Kreuzband-Clique) stehen Trainer Markus Babbel alle Profis zur Verfügung. Kein Grund also, nervös zu werden, zumal ja auch noch das Debüt des hochgelobten Neuzugangs Zdravko Kuzmanovic bevorsteht.

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Enke getty

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Werder Bremen - Hannover 96 (Sonntag, 15.30 Uhr)

Zur grauen Eminenz bei Werder Bremen könnte einmal der Brasilianer Naldo werden. Kürzlich verlängerte der seinen Vertrag bis zum Jahr 2013 und ist mit den Norddeutschen inzwischen still und heimlich wieder nach oben geklettert. Zur grauen Eminenz bei Hannover 96 wird Robert Enke wohl nie werden. Zwar ist er dort unumstrittene Nummer eins, wäre das aber wohl auch bei besseren Vereinen geworden. Zurzeit ist das für ihn kein Thema, kann er sich doch nicht einmal in der Nationalelf zur grauen Eminenz entwickeln.

Eine mysteriöse Viruserkrankung setzt ihn derzeit außer Gefecht. Statt auf dem Trainingsplatz weilt er im Hamburger Tropeninstitut. "Wir wissen noch nicht, was es ist", sagt Sportdirektor Jörg Schmadtke. Gegen Bremen wird derweil U21-Europameister Florian Fromlowitz im Tor stehen. Ob er sich auf seinen Einsatz freut, bleibt aber abzuwarten. Fünf Heimsiege in Folge feierte Werder zuletzt gegen Hannover - und das mit 21:2 Toren. Nur in zwei der letzten zehn Duelle trafen die Bremer dabei weniger als dreimal ins Netz.

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Poldi ap

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1. FC Köln - FC Schalke 04 (Sonntag, 17.30 Uhr)

Die Suche nach der eigenen Identität umtreibt die Menschen der Moderne, wusste schon Sigmund Freud zu berichten. Und ja, es gibt hier tatsächlich einen Bezug zum Fußball. Nach vier Spieltagen hat sich die Tabelle mittlerweile ein wenig formiert und die Vereine verfallen wieder in ihre gewohnten Rollen. Und so ist Köln nun wieder Köln (Letzter) und Schalke wieder Schalke (Skandalnudel). "Köln steht aber mehr unter Druck als wir", sagte Schalke-Trainer Felix Magath selbstbewusst vor dem Gastspiel am Rhein.

Es ist fraglich, ob er damit Recht hat, denn nach dem Ärger um die Suspendierung von Albert Streit und die publik gewordenen Finanznöte steht man bei Schalke wieder ganz bei sich selbst: im gefühlten Chaos. Ins Bild passen da auch die zwei Ausfälle am Wochenende: Mineiro, gerade erst verpflichtet worden, wird am Meniskus operiert und Rafinha, gerade erst nicht verpflichtet worden, weilt zur Selbstfindung in Brasilien. "Er wird seine Familie nach Deutschland holen und ich glaube, dass es ihm ernst ist, hier neu anzufangen", sagte Magath väterlich, der seinen Schützling "mit klarem Kopf" zurückerwartet. Zwischen den Welten pendelt indes Lukas Podolski: Mit der Nationalelf souveräner Spitzenreiter, mit Köln souveräner Letzter. Das Duell gegen Schalke dient somit für ihn zur Identitätssuche.

Foto: ap

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