Fußball-Bundesliga:Fehde mit dem Weißen Ritter

Wem gehört der Fußball? Der Streit zwischen Emporkömmling Hoffenheim und Traditionsklub Dortmund symbolisiert die Verteilungskämpfe in der Bundesliga.

Freddie Röckenhaus

Christian Heidel, der Manager von Mainz 05, kann sich gut erinnern, wie es ist, wenn man sich mit Dietmar Hopp anlegt, dem Milliardär von 1899 Hoffenheim. Heidel hatte es vor gut zwei Jahren gewagt, öffentlich zu bedauern, "dass so ein Klub wie Hoffenheim, nur mit dem Geld eines einzelnen Mannes, einen der 36 Plätze im deutschen Profifußball besetzt".

Fußball-Bundesliga: Pöbeleien und Spruchplakate gegen den Hoffenheimer Mäzen Dietmar Hopp sind in der Bundesliga an der Tagesordnung. Zuletzt bei Dortmunder Fans.

Pöbeleien und Spruchplakate gegen den Hoffenheimer Mäzen Dietmar Hopp sind in der Bundesliga an der Tagesordnung. Zuletzt bei Dortmunder Fans.

(Foto: Foto: Getty)

Über den wackeren Heidel, dessen Mainzer es in der Bundesliga zur Zeit auf genauso viele Punkte bringen wie der finanzstarke Konkurrent Hoffenheim, brach sofort eine Lawine herein. Frappierend ähnlich geht es derzeit mit dem nächsten Kritiker des "Modells Hoffenheim". Nur, dass Hans-Joachim Watzke als starker Mann von Borussia Dortmund ein anderes Gewicht auf die Waage bringen kann. Watzke scheint zudem mit gutem Instinkt für den Zeitgeist den Punkt erwischt zu haben, an dem sich der harte Kern der Fußball-Fans die Frage stellt: Wem gehört der Fußball eigentlich?

Gegen Heidel schlug Hopp, Mäzen der damals in der zweiten Liga spielenden Hoffenheimer, der aber gerade mit einem Federstrich 19 Millionen Euro in Spielertransfers investiert hatte, mit seltsam wirkender Wucht zurück. Heidels Klub-Präsident Harald Strutz wurde brieflich von Hopp aufgefordert, Heidel zur Räson zu bringen. Sein Protestschreiben schickte Hopp in Kopie gleich an Würdenträger des Deutschen Fußball-Bundes (DFB) und die Deutsche Fußball Liga (DFL), von Zwanziger bis Bierhoff, von Sammer bis Rauball und Seifert.

Als wenige Tage später Anhänger des 1. FC Kaiserslautern beim Spiel in Hoffenheim die Tornetze abrissen und Hopp mit üblen Beschimpfungen verunglimpften, beklagte Hoffenheim, Heidel sei der "Brandstifter" für solche Taten. Soviel Wirbel - nur, weil einer bekennt, dass er das Modell Hoffenheim nicht mag?

"Lass es Geld regnen!"

Dortmunds Watzke erlebt seit der vergangenen Woche die Dünnhäutigkeit und den subtilen Einfluss des Hoffenheimer Mäzens. Dortmunder Fans hatten am 29. November zum Spiel in Hoffenheim jede Menge Protestbänder mitgebracht. Vom deftigen "Fahr zur Hölle, Hopp" bis zum nachdenklichen "Fußball wie wir ihn leben, kann euch Hopp mit seinem Geld nicht geben". Dazu gab es die in Stadien scheinbar unvermeidlichen Pöbeleien. Während der Hoffenheimer Fanblock hinter Dortmunds Torwart Roman Weidenfeller "Hurensohn" skandierte, schleuderten die 3000 mitgereisten Dortmunder in Richtung VIP-Logen, wo Hopp das Spiel verfolgte, dieselben Beleidigungs-Salven.

Watzke hatte wenige Tage vorher auf der Aktionärsversammlung des BVB die populistische Frage gestellt: "Wo wäre Hoffenheim, wenn sie ihren Weißen Ritter nicht hätten? Wir haben eben keinen Dietmar Hopp, dem wir sagen können: Lass es Geld regnen!" Watzke bekam deshalb von Hoffenheims Manager Jan Schindelmeiser gesagt, er sei der "Brandstifter" für die Beleidigungen am Rande des 2:1-Sieges der Borussia als Gast von Hopps Hoffenheimern gewesen.

Es scheint in den Fankurven ein Überbietungswettbewerb im Gange, wer sich am lautstärksten an Hoffenheims Geldgeber auslässt. Hoffenheims Trainer Ralf Rangnick plädiert bereits für bundesweite, lebenslange Stadionverbote für Fans, die Hopp beleidigen und für Punktabzüge für Klubs, die die beleidigende Sprechchöre zulassen. Er sagt: "Das alles hat mit freier Meinungsäußerung nichts mehr zu tun." Hopp meinte unter der Woche im Sponsorenblatt Sponsors: "Manche Vereine glauben, über andere richten zu dürfen, und haben in ihrem eigenen Verein nicht einmal das Tagesgeschäft im Griff." Gemeint sind damit Traditionsklubs wie die finanziell angeschlagenen Schalker - oder eben Dortmund.

Watzke sieht es anders herum: "Es gibt in der Liga vor allem zwei Klubs, die dramatische Verluste machen, die dann von Großinvestoren aber ausgeglichen werden. Das sind Hoffenheim und Wolfsburg." Hoffenheim würde - ohne Zuschüsse von Hopp - nach Meinung mehrerer Manager "etwa 20 bis 30 Millionen" Jahresverlust machen. Watzke will deshalb "in den nächsten Monaten" in der DFL handfeste Maßnahmen gegen Klubs vorschlagen, die "durch einseitige Unterstützung von einem Großsponsor oder Investor den Wettbewerb außer Kraft setzen". Watzke meint damit neben Hoffenheim auch "Werksklubs" wie Wolfsburg und mit Abstrichen Bayer Leverkusen.

Welcher Verein lockt TV-Zuschauer?

Watzke sieht gute Chancen, in der DFL zwei neue Modelle durchzubringen: Die für die Liga lebenswichtigen Gelder aus dem Pay TV (Sky und "Liga Total" der Telekom) sollen nicht mehr, wie bisher, überwiegend nach Tabellenplatzierung auf die Klubs verteilt werden, sondern auch nach den tatsächlichen Einschaltquoten der Spiele der verschiedenen Klubs. Das soll Dortmund pro Saison fünf Millionen mehr einbringen. Außerdem will Watzke die neue Kontrollregel einbringen, dass - ähnlich wie im amerikanischen Profisport - ein "salary cap" (Gehaltsobergrenze) eingeführt wird. Klubs sollen nur noch einen festgelegten Prozentsatz ihres Unternehmens-Umsatzes in die Kosten für Mannschaft und Spieler investieren dürfen.

Ernüchternde Pay-TV-Zahlen

Peter Peters, Finanzchef von Schalke04, schlägt als "salary cap" bereits 70 Prozent des Umsatzes vor. Dortmund gibt derzeit nur etwa 45 Prozent vom Umsatz für seine Mannschaft aus, um daneben beispielsweise das vereinseigene Stadion abzahlen zu können. "Klubs wie Leverkusen, Wolfsburg oder Hoffenheim haben solche Belastungen nicht, weil deren Investoren auch noch das Stadion zur Verfügung stellen", sagt Watzke.

Das Geld von "dominanten Investoren" wie VW in Wolfsburg oder Hopp in Hoffenheim, die mehr als zehn Prozent der Betriebs-Gesellschaften der Klubs besitzen, sollen bei der "Umsatzrechnung" nur zu etwa 25 Prozent anrechenbar sein. Der VW-Konzern mit seinem fußballbegeisterten Vorstandschef Martin Winterkorn soll derzeit 50 bis 60 Millionen pro Saison in den amtierenden Deutschen Meister schießen. Wolfsburg würde davon nur zwölf bis 15 Millionen "anrechnen" dürfen.

Sowohl Pay-TV-Betreiber Sky als auch die DFL hüten derzeit eifersüchtig die tatsächlichen Zuschauerzahlen für die Spiele im Pay-TV. Nur anonym wollen Pay-TV-Manager deshalb konkrete Zahlen herausgeben: Demnach schauen am Samstag Nachmittag zwischen 60 bis 80 Prozent der Pay-TV-Abonnenten die "Bundesliga-Konferenzschaltung". Das sind, wenn der Spieltag interessant ist, rund eine Million Zuschauer. Vom Rest sehen "vierzig bis fünfzig Prozent" den FC Bayern. Dann folgen Schalke, Dortmund und der Hamburger SV als Einzel-Magneten. "Wenn es sich ein Pay-TV-Betreiber aussuchen könnte", sagt ein Bezahlfernsehen-Macher, "würde er von den 270 Millionen, die es pro Jahr gibt, über 80 Millionen den Bayern geben, dann vielleicht 50 Millionen Schalke, weil die in letzter Zeit so viel international gespielt haben und noch einmal 20 oder 25 Millionen an Hamburg und Dortmund." Wolfsburg sei maximal fünf bis sieben Millionen wert.

Die absoluten Zahlen der Pay-TV-Einschaltungen sind dabei offenbar ernüchternd. Paarungen wie Wolfsburg gegen Leverkusen sollen bisweilen nur "unter tausend" Abonnenten eingeschaltet haben. Vierstellige Zahlen seien Durchschnitt, und selbst den FC Bayern wollen in der Regel nur Zuschauer "im fünfstelligen Bereich" über 90 Minuten sehen. "Wenn man so will", so ein Pay-TV-Mann, "dann kann man sagen: Ein Klub wie Hoffenheim hat vier Heimspiele pro Saison, die eine Wertigkeit für das Bezahl-Fernsehen besitzen: Gegen Bayern, Schalke, den BVB und den HSV."

Ausstieg aus der Solidarität

Allerdings: Nicht nur die drei Investoren-Klubs Hoffenheim, Wolfsburg und Leverkusen sind nicht begeistert von Watzkes Plänen. Mainz-Manager Heidel findet: "Watzkes Vorschlag ist der Einstieg zum Ausstieg aus der solidarischen, zentralen Vermarktung der Bundesliga-Rechte. Und wieviel Prozent unseres Umsatzes wir für die Mannschaft investieren, sollte uns überlassen werden." Trotzdem glaubt Watzke, "sehr gute Chancen" für seine Anträge zu haben: "Wir müssen zu einer größeren Verursachungsgerechtigkeit kommen. Wenn unsere Fans oder die von Bayern oder Hamburg massenhaft Abos bezahlen, dann ist es nicht in Ordnung, dass ein Klub wie Hoffenheim, der keine nennenswerte Fanbasis hat, von diesem Geld am Ende mehr herausbekommt als der BVB selbst." Es scheint, als entwickle sich da eine Debatte mit hohem Spaltungspotential für die Bundesliga.

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