Fußball-Bundesliga:FC Bayern: Geht's raus und spielt's unentschieden

FC Bayern  TSG Hoffenheim Bundesliga

Genau, David Alaba (l.): Nur ein Tor gelang dem FC Bayern am Wochenende.

(Foto: REUTERS)

Auch gegen Hoffenheim wirkt der Fußball der Bayern arg herkömmlich. Noch ist nicht erkennbar, welche Idee der neue Trainer Carlo Ancelotti seiner Elf vermitteln will.

Von Christof Kneer

Von oben sah es ein bisschen so aus, als habe Michael Ballack wieder angefangen. Die Trikotfarbe irritierte etwas, aber die legendäre "13" prangte klar erkennbar auf dem Rücken, und der Laufstil ließ dann endgültig keine Zweifel mehr zu. In der eigenen Hälfte kam der Dreizehner also an den Ball, er spielte ihn quer rüber zu einem Kollegen, und dann setzte er sich allmählich in Gang und beschleunigte, und als der Ball am gegnerischen Sechzehner über Umwege wieder beim Dreizehner ankam, schoss er ihn trocken unters Tordach.

Es war ein kleines Ballack-Gedächtnistor, das da in der Münchner Arena zur Aufführung kam, nur eines hatte man offenbar aus der Erinnerung verdrängt: dass dieser Ballack auch so ein Sprinter war. Den gegnerischen Dreiundzwanziger hatte der Dreizehner jedenfalls lässig abgehängt, und auch sonst hatte sich beim Gegner keiner gefunden, der ihn aufhalten konnte.

Um die Wahrheit zu sagen: Kerem Demirbay, der Hoffenheimer Mittelfeldspieler, der in guten Momenten ein wenig an Ballack erinnert, ist gar nicht überragend schnell. Aber an diesem Nachmittag war er schnell genug - zum Beispiel für Arturo Vidal, den Dreiundzwanziger des FC Bayern, der Demirbay beim Hoffenheimer Führungstor nicht hinterher kam. Wobei sich schon auch diese Frage aufdrängte: wie dringend Vidal in diesem Moment überhaupt hinterher kommen wollte.

Ob den Bayern im Moment die Körperspannung fehle, ist Vorstandschef Karl-Heinz Rummenigge nach dem 1:1 (1:1) gegen die TSG Hoffenheim gefragt worden, und man hat förmlich sehen können, wie es in Rummenigge arbeitete. Mit "ja" konnte er unmöglich antworten, andernfalls hätte er sofort eine Debatte angestoßen, an der die Bayern und ihr immer noch neuer Trainer keinesfalls interessiert sein können. Aber ein empörtes "Nein" wäre auch keine Option gewesen, denn nicht mal ein Vorstandschef kann ein Spiel, das außer ihm noch mehrere andere Leute gesehen haben, komplett neu erfinden. Jeder hatte das ja gesehen: dass diesem FC Bayern zurzeit etwas fehlt, was man unter anderem auch "Körperspannung" nennen könnte.

Vorstandschef Rummenigge sagt, dieses 1:1 sei "nicht leistungsungerecht" gewesen

Rummenigge hat dann aber dank seiner jahrhundertelangen Branchenzugehörigkeit ein paar sehr ordentliche Floskeln gefunden, mit denen er sich seriös aus der Affäre ziehen konnte. Er murmelte etwas von einem "schweren Champions-League-Spiel am Dienstag" und dass die Hoffenheimer diese Belastung nicht hatten, sondern stattdessen "auf der Couch" saßen.

Die Liga muss sich an dieses neue Hör-Erlebnis erst noch gewöhnen. Im Moment staunt die Liga noch über die längst nicht mehr so siegesprallen Sätze aus München - und über gegnerische Trainer, die wie der kesse Julian Nagelsmann nach einem Teilerfolg in München demonstrativ ihre Teil-Unzufriedenheit zur Schau stellen. In den letzten drei, vier Jahren haben gegnerische Trainer ihre 0:4-Niederlagen meist vergnügt zur Kenntnis genommen, und manche haben sich sogar bedankt, dass der FC Bayern für 90 Minuten in ihrem Leben vorkam. Wieder andere haben in München extra Spieler geschont oder es ebenfalls vergnügt zur Kenntnis genommen, wenn sich ein Profi pünktlich zum Bayern-Spiel eine Gelbsperre organisiert hatte.

Bayern: Höchstleistungen erst im April und Mai?

Die Prognose sei gewagt: Zumindest in den nächsten Wochen wird kein Trainer ein Spiel gegen Bayern vorzeitig abschreiben, außer vielleicht, er kommt vom HSV.

"Nicht leistungs-ungerecht" sei dieses 1:1, meinte Rummenigge später, ein schönes Adjektiv, mit dem er das Spiel durchaus traf. Natürlich hätten die Bayern nach dem Ausgleich durch Zubers Eigentor (34.) am Ende gewinnen können/müssen, weil die Hoffenheimer mit ihrem Ballack-Double im Mittelfeld minütlich müder wurden und am Ende noch einen vermutlich von Dietmar Hopp finanzierten Deal mit dem Torpfosten eingingen, der Schüsse von Hummels (87.) und Müller (90.) abwehrte. Aber gerecht im Sinne des Spiels wäre ein Bayern-Sieg trotz strafferer zweiter Hälfte nicht gewesen. "Einen leicht pomadigen Auftakt", räumte Mats Hummels später ein, und Jérôme Boateng ergänzte, man müsse "natürlich sehr kritisch mit unserer Leistung in der ersten Halbzeit umgehen".

Der FC Bayern gewinnt immer noch ganz schön viel, aber seine Siege haben nicht mehr viel Souveränes und schon gar nichts Diktatorisches mehr an sich: Das ist das zunehmend klare Muster des ersten Saisondrittels, und allmählich scheint dieser Trend die Bayern selbst zu nerven, wie ihre wortkargen Beiträge nach dem Spiel belegten. Im Moment kann ja keiner sicher sein, ob der Plan, den sie sich so schön ausgedacht hatten, auch aufgeht: dass da nach den zehrenden Jahren mit Pep Guardiola einfach der Menschenfänger Carlo Ancelotti kommt und mit ein paar lässigen Handgriffen jenen ganz großen Erfolg herbeimoderiert, der dem Hyperaktivisten aus Katalonien am Ende versagt geblieben ist.

Im Moment jedenfalls wirkt das, was nach Pep eigentlich erholsam wirken sollte, eher irritierend: Manche mögen es begrüßen, dass der neue Coach nicht wöchentlich das System und siebenmal pro Spiel die Taktik wechselt, aber die Eingriffe ins Spiel sind so sparsam, dass sich allmählich die Frage aufdrängt, ob Ancelotti dem Reichtum und der Varianten-Vielfalt dieses Kaders immer gerecht wird. Ungerührt lässt er die Elf in seinem 4-3-3-System von Real Madrid auflaufen, das den Bayern im Vergleich zu den Vorjahren eine wichtige offensive Planstelle raubt.

Aktuell wirkt Bayerns Fußball arg herkömmlich und ein wenig banalisiert, was gegen Hoffenheim wie ein ideologischer Nachteil wirkte. Die Hoffenheimer glauben an eine Idee und eine Spielweise, während die Bayern aktuell eher den Geht's-raus-und-spielt's-Fußball-Fußball pflegen. Aber noch hat der Trainer ja genügend Zeit zu beweisen, dass er Carlo Ancelotti ist: jener Coach, der seine Teams gerne im April und Mai zu Höchstleistungen coacht.

Der FC Bayern sei "eines der besten Teams in Europa, vielleicht das beste", hat Kerem Demirbay, Hoffenheims Ballack, später gesagt. Was zu beweisen wäre.

Zur SZ-Startseite

Lesen Sie mehr zum Thema

Jetzt entdecken

Gutscheine: