FC Augsburg:Weinzierl geht ins Risiko

Tor zum 2:1 durch Jeffrey Gouweleeuw (FC Augsburg 06), Fabian Bredlow (VfB Stuttgart 33), GER, FC Augburg vs. VfB Stutt

Da hatte Augsburg die Partie endgültig gedreht: Jeffrey Gouweleeuw (Nummer 6) trifft zum 2:1 für den FC Augsburg, danach wird Stuttgarts Keeper Fabian Bredlow noch zwei weitere Male hinter sich greifen.

(Foto: Sascha Walther/Eibner-Pressefoto/imago)

Beim 4:1 gegen Stuttgart findet der FC Augsburg seine alte Identität wieder. Die neue alte Entschlossenheit hängt mit mehreren mutigen Entscheidungen des Trainers zusammen - und mit Stürmer Finnbogason.

Von Maik Rosner, Augsburg

Geschlossen drehte die Mannschaft eine Ehrenrunde, die sich nicht nur auf die Fankurve beschränkte, sondern durch die gesamte Augsburger Arena erstreckte. Danach zogen einige Spieler mit ihrem Nachwuchs auf dem Arm vergnügt weiter zu den TV-Interviews. Die Stürmer Alfred Finnbogason und Florian Niederlechner standen sogar regelrecht Schlange, um ihrer Freude über das 4:1 (1:1) gegen den VfB Stuttgart vor der Kamera Ausdruck verleihen zu dürfen.

Es waren Bilder und Szenen, die beim FCA so schon lange nicht mehr zu beobachten waren. Und doch wirkte vieles am späten Sonntagnachmittag vertraut, beinahe so, als habe die Regie einfach mal zurückgespult in jene Zeiten, in denen stolze Augsburger Familienväter in kurzen Hosen durchaus regelmäßig Ehrenrunden durch die heimische Arena drehten. Nun aber blickten sie beim FCA nach dem zehnten Spieltag erleichtert auf ihren erst zweiten Sieg dieser Bundesliga-Saison zurück, durch den sie immerhin den Anschluss ans untere Mittelfeld der Tabelle wieder hergestellt und zugleich den VfB mit in den Abstiegskampf gezogen haben. Auf Relegationsplatz 16 verharren die Augsburger zwar weiterhin, nun jedoch mit dem guten Gefühl, wieder zu sich selbst gefunden zu haben.

"Das ist eine Messlatte, das wollen wir jedes Wochenende so", sagte Niederlechner bei Dazn. "Genauso musst du als FC Augsburg auftreten, dann sind wir erfolgreich." Gemeint war die Rückkehr zur alten Identität, zum körperbetonten und aggressiven Stil, mit dem sie sich schon in der ersten Amtszeit des Trainers Markus Weinzierl zwischen 2012 und 2016 in der Bundesliga etabliert hatten und 2015 sogar in die Europa League eingezogen waren.

Gegen den VfB zeigen die Augsburger Angriffszüge, die an den schnellen, geradlinigen Stil von früher erinnern

Von derartigen Höhenflügen sind sie beim FCA gerade sehr weit entfernt. Ganz abgesehen davon, dass die Agenda sie am kommenden Samstag zum VfL Wolfsburg führt, ehe der FC Bayern nach der Länderspielpause zu Besuch kommt. Aber immerhin scheinen die Augsburger nun jene Aktivität mit dem Ball und in den Zweikämpfen wiederentdeckt zu haben, die nötig ist, um im Abstiegskampf bestehen zu können.

Schon bei der Pokal-Niederlage im Elfmeterschießen in Bochum am vergangenen Mittwoch hatten sie sich nach dem 0:2-Rückstand aufgerafft und in 120 Minuten beinahe die Wende herbeigeführt. Diesmal gelang es ihnen tatsächlich, das frühe 0:1 durch Chris Führich (7. Minute) in einen befreienden Sieg zu verwandeln. Die beiden Innenverteidiger Reece Oxford (30.) und Jeffrey Gouweleeuw (53.) hatten sich zunächst des Toreschießens angenommen und mit ihren Kopfbällen nach Eckbällen von Arne Maier die Partie gedreht.

Später klappten auch die Kombinationen immer besser. Gleich mehrere Angriffszüge waren zu bestaunen, die an die Augsburger aus der ersten Amtszeit von Weinzierl erinnerten, an den schnellen, geradlinigen Stil mit großer Entschlossenheit. Und als Niederlechner (72.) und Finnbogason (81.) sogar aus dem Spiel heraus trafen, schien sich auch die Blockade der bisher so torarmen Offensive gelöst zu haben. "Wir haben in der zweiten Halbzeit befreit gewirkt", sagte Weinzierl und freute sich über die neue Wehrhaftigkeit seiner Mannschaft.

31.10.2021, xemx, Fussball 1.Bundesliga, FC Augsburg - VfB Stuttgart emspor, v.l. Alfred Finnbogason (FC Augsburg) cele

"Die letzten 18 Monate waren die schwierigsten meiner Karriere": Alfred Finnbogason gibt dem FC Augsburg wieder Stabilität - und trifft gegen den VfB Stuttgart erstmals seit Februar 2020.

(Foto: Eduard Martin/Jan Huebner/imago)

Maßgeblich beigetragen zu dem Erfolgserlebnis hatte Finnbogason nach der Rückkehr aus seiner gefühlt 47. Verletzungspause. Erstmals in dieser Saison war der 32 Jahre alte Isländer von Beginn an dabei gewesen und hatte die Mannschaft mit seinem Spielverständnis bereichert. Mit zunehmender Dauer der Partie trat er immer prägender auf, setzte die Kollegen in Szene oder schloss selbst ab. "Er kapiert das Spiel und weiß, wie es funktioniert, offensiv wie defensiv", lobte Weinzierl. "Er ist unheimlich spielintelligent, bringt seine Mitspieler in Position und weiß, wann er auslösen muss. Und er ist extrem torgefährlich", sagte Geschäftsführer Stefan Reuter.

Gekrönt hatte Finnbogason seine Leistung mit seinem ersten Tor seit Februar 2020. "Die letzten 18 Monate waren die schwierigsten meiner Karriere", sagte er und bekannte, nach seinen insgesamt 165 Minuten in Bochum und gegen Stuttgart völlig erschöpft zu sein. Er müsse sich "zwei Tage in die Badewanne legen", scherzte Finnbogason.

Beim VfB haben sie inzwischen deutlich mehr Spieler im Krankenstand als Punkte

Den verletzungsanfälligen Angreifer gegen den VfB durchspielen zu lassen, war eine von gleich mehreren mindestens mutigen Entscheidungen gewesen. Schon unter der Woche war Weinzierl mit einer sehr scharfen Ansprache an seine Spieler ins Risiko gegangen. "Das kann in beide Richtungen gehen: Dass sie den Mut verlieren oder dass sie so eine Reaktion zeigen", räumte der Trainer ein. Im Spiel beließ er zudem Gouweleeuw auf dem Feld, obwohl dieser vor einer Ampelkarte stand. Weinzierls Begründung: "Er hat versprochen, dass er a) den Mund hält und b) kein Foul mehr macht."

Die Augsburger wussten durchaus, dass sich manches günstig gefügt hatte für sie. Dazu zählte auch der Bruch im Spiel der zunächst klar überlegenen Stuttgarter nach den Verletzungen von Führich und Marc Oliver Kempf. Beim VfB haben sie inzwischen deutlich mehr Spieler im Krankenstand als Punkte. Und es sorgte nicht für Beruhigung vor dem Spiel gegen Bielefeld am Samstag, dass Daniel Didavi und Waldemar Anton in Augsburg eine mangelnde Einstellung beklagten. "Wir führen 1:0 und dominieren Augsburg. Wenn wir dann weitermachen, ist der Gegner tot. Und wir hören auf, Fußball zu spielen", schimpfte Didavi. Trainer Pellegrino Matarazzo bestätigte diesen Befund und vermisste sogar die Basisarbeit in der Defensive.

Es scheint, als müsse der VfB auch erst wieder zu sich selbst finden. Nur am Saisonziel hat sich laut Matarazzo nichts geändert. "Wir sind seit Spieltag eins im Abstiegskampf", sagte er. Hinzudenken ließ sich: Jetzt müssen sie ihn auch annehmen.

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