Süddeutsche Zeitung

Fußball-Bundesliga:Fan-Aufstand gegen die neue Ticketbörse

Zahlreiche Bundesligaklubs kooperieren mit der Online-Ticketbörse Viagogo - zum Unmut der Fans. Sie schimpfen über erhöhte Preise und beklagen Zustände wie auf dem Schwarzmarkt. Der Ticketanbieter versteht die Aufregung nicht.

Von Carsten Eberts

"Viagogo? No go!" prangt auf Plakaten im Stuttgarter Fanblock. Und als wäre die Botschaft nicht deutlich genug, werden auch noch Hunderte rote Karten in die Luft gereckt. Wenn der VfB Stuttgart am Mittwochabend im DFB-Pokal gegen Bochum antritt, dürfte es kaum anders sein. Die Fans wehren sich gegen die Kooperation ihres Klubs mit dem Internet-Zwischenhändler Viagogo.

Der Vorwurf: Tickets werden dort - ganz offiziell - zu überhöhten Preisen verkauft. Und die Vereine verdienen sogar noch mit.

Viagogo betreibt eine Ticketplattform mit Sitz in der Schweiz und ist mittlerweile der größte Tickethändler der Welt. In 28 Ländern ist Viagogo vertreten und drängt nun auch in die Fußball-Bundesliga. Fans können ihre Eintrittskarten bei Viagogo einstellen, um sie gegen Gebühr weiterzuverkaufen. Die Idee dahinter klingt für die Klubs verlockend: Sie hoffen auf das Ende des geheimen Schwarzmarkts. Kein Gemauschel in dunklen Ecken vor den Stadien. Bei Viagogo wird ersichtlich, wer Käufer und wer Verkäufer ist. Die Fans erhalten sogar eine Garantie, dass sie Originaltickets erwerben. Unkontrollierbare Ticketverkäufe von A nach B, bei denen letztlich nur zwei Menschen wissen, welcher Preis am Ende ausgehandelt wurde, soll es nicht mehr geben.

"Legalisierter Schwarzmarkt"

Viele Fans haben trotzdem ein Problem mit Viagogo, insbesondere mit den Preisen. Privatverkäufer dürfen dort völlig legal das Doppelte des normalen Ticketpreises verlangen. Pro Heimspiel stellt der VfB seinem Partner zudem 1000 Tickets zur Verfügung. Die muss Viagogo zwar zum Originalpreis anbieten, hinzu kommen jedoch Mehrwertsteuer, Versandkosten und eine Bearbeitungsgebühr: immerhin 15 Prozent auf den Ticketpreis für den Käufer. Die Tickets werden verteuert weiterverkauft, egal was passiert. Auch der Verein bekommt eine Provision.

Teile der Fans nutzen das Angebot bereitwillig. Andere fühlen sich abgezockt. Ende März empfängt der VfB Stuttgart den Meister Dortmund, das Spiel ist offiziell ausverkauft - nur bei Viagogo gibt es noch Tickets: aktuell zwischen 84 und 147 Euro. Vom "legalisierten Schwarzmarkt" ist in Fankreisen die Rede. Ticket-Verkäufe zu überzogenen Preisen, wie sie zuvor in dunklen Ecken außerhalb der Stadien stattfanden, würden nun in aller Öffentlichkeit abgewickelt. Das wollen die Fans nicht hinnehmen. Die Protestaktionen in der Stuttgarter Kurve sollen weitergehen.

Der VfB Stuttgart verteidigt die Partnerschaft. Es geht schließlich um ein hübsches Sümmchen: 300.000 Euro soll der Klub pro Saison von Viagogo für die Kooperation erhalten. Der VfB entschloss sich zu einer seltenen Aktion, veröffentlichte auf seiner Homepage einen offenen Brief, unterzeichnet von Präsident Gerd Mäuser und Finanzvorstand Ulrich Ruf. Darin werben die Bosse um Verständnis. Nur ein vergleichsweise geringes Kontingent der Karten werde über Viagogo zum Verkauf angeboten. Im Brief steht weiter: "Die Behauptung, Fans würden über Viagogo systematisch vom eigenen Verein oder von anderen Kartenbesitzern abgezockt, weist der VfB entschieden zurück."

Auch Viagogo glaubt an das eigene Geschäftsmodell. "Viagogo ist eine gute Sache. Wir helfen sogar, die Lage der Fans weltweit zu verbessern", sagt Deutschland-Sprecher Steve Roest. So könnten etwa Dauerkarten-Inhaber, die bei einzelnen Spielen verhindert sind, ihre Tickets über die Seite weiterverkaufen. Die Hälfte aller Tickets werde zum Normalpreis oder darunter verkauft, erklärt Roest, hohe Summen bei Spitzenspielen seien die Ausnahme.

Auch garantiere der Anbieter - anders als etwa bei Ebay - die Echtheit der Tickets und gibt eine Garantie, dass die Ware beim Käufer ankommt. "Immer mehr Leute verstehen unseren Service", sagt Roest. Die Proteste sieht er gelassen.

Doch die Unmutsbekundungen ziehen sich quer durch die Republik. Kooperationen gibt es in Deutschland mit dem FC Bayern, Hannover, Augsburg oder Nürnberg. Kürzlich wurde sich Viagogo auch mit Schalke 04 einig. Laut einem Bericht des Wall Street Journal Deutschland soll Viagogo dem Revierklub pro Jahr zwischen 1,2 und 1,5 Millionen Euro zahlen. "Pakt mit dem Teufel", heißt es dazu auf der Schalker Protest-Homepage: "Der Kumpel zockt den Malocher nicht ab."

Aktuell läuft eine Unterschriftenkampagne, um eine außerordentliche Mitgliederversammlung einzuberufen und den Deal doch noch zu verhindern. Für die Fans ist es ein weiterer Schritt der Entfremdung ihres Klubs.

Andernorts haben die Fanproteste gewirkt, etwa beim Hamburger SV. Der Klub beugte sich dem Druck der Mitglieder gegen den ungeliebten Partner. "Wir haben den Vertrag mit Viagogo fristgerecht zum Ende der Saison gekündigt", heißt es beim HSV. Viagogo wertet die Sache anders, sieht selbst Vertragsinhalte verletzt. Der Fall geht nun vor Gericht.

Auch der FC Bayern hat seine Kooperation mit Viagogo zum Ende der Saison 2013/14 aufgekündigt. Bis dahin will der Klub ein eigenes Ticketportal aufziehen.

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