Süddeutsche Zeitung

Fußball-Bundesliga:Der Prophet auf Schalke

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Muslime finden das Vereinslied des Klubs gar nicht lustig. Eine Strophe verhöhne ihren Propheten Mohammed. Manche muslimische Schalke-Fans drohen nun mit Konsequenzen.

Johannes Nitschmann

Die Drohungen kommen per E-Mail und klingen massiv. "Ihr verdammten Hurensöhne werdet euer beschissenes Lied sofort ändern! Was hat unser Prophet mit eurem ungläubigen Lied zu tun? Löscht diesen Teil oder ihr müsst die Konsequenzen tragen!" In solchen Brandbriefen gipfeln die Proteste, mit denen empörte Muslime seit einigen Tagen die Führung des Fußball-Bundesligisten FC Schalke 04 traktieren. Um die Schalker Vereinshymne "Blau und Weiß wie lieb' ich dich" ist ein heftiger Glaubensstreit entbrannt.

Mitten im Sommerloch sind türkische Medien auf das Vereinslied des Gelsenkirchener Traditionsklubs gestoßen und haben in dem Text "eine Verhöhnung des Propheten Mohammed" ausgemacht. In der dritten Strophe des im Jahre 1924 getexteten Schalke-Liedes, das noch heute vor dem Anpfiff jedes Heimspiels von den Fans inbrünstig gesungen wird, heißt es: "Mohammed war ein Prophet, der vom Fußballspielen nichts versteht. Doch aus all der schönen Farbenpracht hat er sich das Blau und Weiße ausgedacht." Strenggläubige Muslime, die sich zugleich als Schalke-Fans bekennen, bedrängen jetzt den Revierklub, die dritte Strophe seiner Vereinshymne zu streichen und drohen sogar mit Boykott der kommenden Bundesligaspiele.

Muslime fühlen sich verletzt und beleidigt, wenn man sich über den Propheten lustig macht oder ihn sogar verspottet. Esra Demicran, die sich als Anhängerin des Gelsenkirchener Bundesligisten outet, findet die Mohammed-Strophe "einfach geschmacklos". In verschiedenen Internetforen muslimischer Organisationen wird derzeit - zum Teil mit vorformulierten Schreiben - zu Protestbriefen und Boykottdrohungen gegen den FC Schalke 04 aufgerufen.

Der Vorsitzende des Schalker Ehrenrates, Hans-Joachim Dohm, ein pensionierter Pfarrer, will die Proteste wegen der Mohammed-Strophe in der Vereinshymne nicht einfach ignorieren. "Zunächst müssen wir aber klären, ob es sich hier um künstliche Empörung oder ehrliche Überzeugung handelt", sagte Dohm.

Womöglich wird der Verein jetzt erst einmal anerkannte Islamwissenschaftler konsultieren. Wenn sich Gläubige des Islam durch das Schalke-Lied verletzt fühlten, sei dies aber durchaus ernst zu nehmen, erklärt Dohm. "Deshalb sollten wir das Gespräch suchen." Mit einem Streichen der Mohammed-Strophe ist der Glaubensstreit nach Einschätzung des Schalke-Pfarrers aber kaum beizulegen: "Das würde vermutlich starke emotionale Gegenreaktionen hervorrufen."

Auf Schalke gilt Fußball von jeher als Religion. Ihren einstigen Rechtsaußen Rüdiger Abramczik riefen die Fans "Flankengott", ihre Fan-Zeitschrift heißt Schalke unser und Papst Johannes Paul II. drückten Klubfunktionäre 1987 nach einem Gottesdienst im Gelsenkirchener Parkstadion ratzfatz eine Urkunde als "Ehrenmitglied" des FC Schalke 04 in die Hand. Das Katholiken-Oberhaupt nahm "gerne und dankend" an.

Als die "Zeugen Jehovas" Ende der Sechziger für ihre Zeltmission warben, plakatierten sie in Gelsenkirchen: "An Jesus kommt keiner vorbei." "Außer Stan Libuda!", krakelten Schalke-Anhänger darauf. Dem legendären Flügelflitzer Reinhard Libuda huldigten die Fans als Heilsbringer auf dem grünen Rasen. Inzwischen werden religiöse Themen nicht mehr so locker gesehen. Zu den jüngsten Protesten erklärte ein Schalke-Sprecher staubtrocken: "Das Thema ist uns bekannt, weswegen wir diesen Sachverhalt derzeit prüfen."

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SZ vom 03.08.2009
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