Süddeutsche Zeitung

Corona-Fälle im Fußball:Was, wenn eine halbe Stammelf fehlt?

Der Fußball muss sich überlegen, wie lange der Wettbewerb fair ist, wenn in einem Team viele Corona-Fälle zusammenkommen. Den Spielern wird viel Disziplin abverlangt.

Kommentar von Benedikt Warmbrunn

Am Donnerstagabend steigt Paris Saint-Germain, der unterlegene Finalist beim Finalturnier der Champions League in Lissabon, in die neue Liga-Saison ein, nach einer Woche Sonderurlaub. Und anders als in Deutschland ist die Frage geklärt, wie viele Zuschauer zum Spiel bei RC Lens zugelassen sind: maximal 5000. Ungeklärt ist dagegen, mit wie vielen Spielern Paris antreten wird. Vermutlich wird die Startelf am Ende tatsächlich aus elf Spielern gebildet werden, aber sicher sagen kann das ein paar Tage vorher noch niemand.

Der europäische Profifußball startet in diesen Tagen in seine erste komplette Saison unter Corona-Auflagen. Gerade in Deutschland dreht sich die Diskussion noch vorrangig darum, wie viele Zuschauer in die Stadien dürfen, und welche Folgen das haben wird. So haben zahlreiche unterklassige Klubs vor der ersten Runde im DFB-Pokal an diesem Wochenende ihr Heimspielrecht abgegeben, weil für sie eine Partie ohne Zuschauer ein Verlustgeschäft wäre; die Bundesligisten mit ihren größeren Arenen dürfen meist zumindest ein paar Hundertschaften reinlassen. Erst langsam kommt auch im deutschen Fußball aber eine Fragestellung an, die Klubs in anderen Ligen schon etwas länger beschäftigt: Wie sollen Klubs und Verbände damit umgehen, wenn mehrere Spieler einer Mannschaft nach positiven Tests fehlen?

Am Montagabend reiste Kylian Mbappé aus dem Quartier der französischen Nationalelf ab, er war positiv getestet worden. Als siebter Spieler des Champions-League-Finalisten Paris. PSG-Trainer Thomas Tuchel wird vorerst also nur einen Rumpfkader zur Verfügung haben, und doch müssen die ersten Partien noch nicht verlegt werden: Laut des Reglements der Ligue 1 finden die Spiele selbst nach zehn positiven Tests noch statt.

Viel Disziplin wird von den Spielern verlangt - vielleicht zu viel

Den Profifußball holen gerade - wie die Gesellschaft insgesamt - ein paar Folgen der Maßnahmen aus dem Frühjahr ein. Hertha BSC muss im Pokal auf Angreifer Krzystof Piatek verzichten, weil dieser mit der polnischen Nationalmannschaft ins bosnische Risikogebiet gereist war - er muss in Quarantäne. Und die Spieler von Paris, aber nicht nur diese, haben offenbar nach Wochen und Monaten in der Einkasernierung ihre persönlichen Vorsichtsmaßnahmen gelockert, im konkreten Fall im Urlaub auf Ibiza.

Vereine und Verbände müssen sich nun überlegen, wie lange der Wettbewerbscharakter bestehen bleibt, wenn wie im Falle von Paris mehr als eine halbe Stammelf fehlt. Oder wenn der tschechische Verband die Nationalmannschaft komplett austauscht - und dann 1:2 gegen Schottland verliert. Der enge Terminplan der nächsten Monate lässt Verschiebungen kaum zu. Das erfordert von den Spielern viel Disziplin in einem Leben, das sich laut der Auflagen fast nur zwischen Trainingsgelände, Stadion und eigenem Zuhause abspielen darf. Vielleicht verlangt das zu viel von ihnen.

Bestens informiert mit SZ Plus – 4 Wochen kostenlos zur Probe lesen. Jetzt bestellen unter: www.sz.de/szplus-testen

URL:
www.sz.de/1.5024982
Copyright:
Süddeutsche Zeitung Digitale Medien GmbH / Süddeutsche Zeitung GmbH
Quelle:
SZ vom 09.09.2020/ska
Jegliche Veröffentlichung und nicht-private Nutzung exklusiv über Süddeutsche Zeitung Content. Bitte senden Sie Ihre Nutzungsanfrage an syndication@sueddeutsche.de.