Fußball-Bundesliga:Charakter-Köpfe

Schräge Vögel, tapfere Kämpfer, stolze Egomanen - die Bundesliga hat im Sommer nicht nur Kahn und Hitzfeld verloren.

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Sergej Barbarez, 36

Sergej Barbarez, sagt sein langjähriger Berater Jörg Neubauer, "wird eines Tages ein sehr, sehr guter Trainer werden". Dieser Tag liegt aber noch fern. Bis dahin begnügt sich Barbarez daheim in Hamburg damit, ein guter Vater zu sein. Morgens bringt er seine Kinder in die Schule, nachmittags macht er mit ihnen Hausaufgaben. "Endlich habe ich ein normales Leben", sagt er, als ob er aus der Festungshaft entlassen worden wäre. 16 Jahre hat er das unnormale Leben eines Profis geführt, er war ein schlauer Spieler, dem man gerne zusah. Bei seinen Klubs erlebte man ihn als loyal, aber auch als stolz und eigensinnig, was dazu führte, dass er vor zwei Jahren seinen Lieblingsklub Hamburger SV im Groll verließ. In Leverkusen, seiner finalen Station, hätte er gern noch ein drittes letztes Jahr gespielt, aber daraus wurde nichts. Und jetzt? Hallenfußball mit Freunden - und keine Angst vorm wahren Leben.

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Christian Wörns, 36

1888 schrieb Jules Verne den Roman "Zwei Jahre Ferien", und diesen vielversprechenden Titel hat Christian Wörns zur Devise seines weiteren Lebens erhoben. Wörns, der 17 Jahre in der deutschen und ein Jahr in der französischen Liga Härte gegen sich und andere exerziert hat, und der gewiss nicht beleidigt ist, wenn man ihm die Berufsbezeichnung "Vorstopper" zuteilt, will in den nächsten beiden Jahren all die Ferien nachholen, die er als Fußballer versäumt hat. Damit hat er bereits begonnen, seit er sich zum Saisonende in Dortmund in den Ruhestand verabschiedete. Kenner wissen, dass er sein großes Urlaubsprojekt auf Sardinien gestartet hat. Bei Borussia heißt es, er sei verschollen, der Zeitpunkt der Rückkehr sei ungewiss. Eines Tages aber wird er wohl wieder aufkreuzen, denn seine nächste Beschäftigung soll er in Borussias Jugendarbeit erhalten: Irgendwann in zwei Jahren. pse

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Carsten Ramelow, 34 (rechts)

Leverkusens Masseur Dieter Trzolek hat es wohl nicht verkraftet, dass "Calle" nicht mehr auf seiner Pritsche liegen würde - nach 32 Jahren räumte er seine Druidenhöhle in der BayArena und lief zum FC nach Köln über. Nicht mal Trzoleks Lieblingspatient Carsten Ramelow, sein "Calle", hat den Affront verhindern können. Das Knie. Dreimal wurde er 2007 operiert. Es half nichts. Nach 333 Spielen fehlt nun also jener Blondschopf, den man wegen eines rustikalen Stils zu gering schätzte. Experten hingegen gefiel der Mittelfeldmann, und hat jemand vergessen, dass Ramelow 2002 im WM-Finale stand? Zudem hat er, neben einer schaurig-schönen Schlager-CD, das hinbekommen, was einem Matthäus nicht glückte: Er beendete zeitig seine DFB-Karriere. Von sich aus, freiwillig. Im Gegensatz zu Trzolek will Ramelow Leverkusener bleiben. Nicht auf der Pritsche, aber irgendwo im Management.

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Stefan Beinlich, 36

Jetzt ist Stefan Beinlich nicht mehr für alle der "Paule". Sondern der Papa. "Mit drei Töchtern habe ich genug zu tun", sagt er, "auch ohne Fußball." 1995 stieg Beinlich das erste Mal mit Hansa Rostock in die Bundesliga auf, 2007 - fünf Länderspiele und Engagements bei Leverkusen, Hertha und dem HSV später - zum zweiten Mal. Für Hansa verkörperte der Stratege stets die Hoffnung auf besseren Fußball. Aber zuletzt war es so, dass sich Beinlich jeweils im ersten Spiel nach einer Verletzung eine noch schwerere Verletzung zuzog. Viel Reha, wenig Hoffnung. "Ich bin derzeit krank geschrieben", sagt er: "Knorpelschaden im Knie." Und danach? Tja. Lange hieß es, Beinlich könne sich seinen Job bei Hansa aussuchen. Aber das war nur ein Spruch. Man bot ihm eine Stelle ohne Kompetenzen an, er lehnte ab. Dabei hatte er sich extra weitergebildet: per Ein-Tages-Praktikum beim HSV.

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Bernd Dreher, 41 (hinten rechts)

Mittwoch spielte Bernd Dreher noch mal für den FCBayern: Golf, beim Benefizturnier des Klubs. "Was soll ich sonst tun?", sagt der langjährige Ersatzkeeper und lacht. 22 Jahre als Profi und zwölf bei Bayern hat er hinter sich, 13 Ligaeinsätze dort und weit mehr Titelpartys, und dazu diese ungezählten Testschüsse auf Oliver Kahn. Doch dann kam Jürgen Klinsmann, der auch das Torwarttraining neu sortierte. Da kündigte er, Dreher, der unprätentiöse Jeck aus Opladen, dessen rheinischer Humor dem Gefüge gut tat, wie stets all die Stars lobten. Und nun? "Arbeitslos", sagt Dreher, der im Winter Wolfsburgs Torwarttrainer-Offerte von Felix Magath ablehnte und zuletzt bei Blackburn vorsprach. "Aber da kommt schon was." So lange spielt er Golf, mit Sepp Maier, leider nicht mit Kahn, der sei "beim Golfen überall in Europa". Am 2.9. sieht man sich aber, bei Kahns Abschiedsspiel. Und Dreher ist eingeladen.

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Jörg Böhme, 34 (rechts)

Womöglich müssen sich Bielefelder Eltern jetzt sorgen. Die Arminia lässt Jörg Böhme auf die Zehnjährigen los. Böhme hat seine Karriere nach 233 Bundesliga- und zehn Länderspielen mit marodem Knie beendet und besitzt nun zwei Trainerjobs: als Assistent bei der U23 und als Chef bei den U11-Buben. Der Fußballer Böhme war als "bekloppt" (Rudi Assauer) und "latent platzverweisgefährdet" (Bernd Hölzenbein) kategorisiert, aber auch als "bester Linksbeiner Deutschlands" (Hans Meyer). Vielleicht ist dies tröstlich für die Eltern, obwohl sich Böhme auf Schalke mal mit dem Torwart Rost prügelte. "Auf dem Platz habe ich das Weiße in den Augen", hat der gelernte Gas-Wasser-Installateur mal gesagt. Darauf freut sich der Gelsenkirchener Bezirksligist SV Horst08. Für den will Böhme demnächst auflaufen. Aber nur einmal. Ein Abschiedsspiel ist nicht terminiert.

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