Süddeutsche Zeitung

FC Bayern in der Bundesliga:Am Ende biegt eben Sané ums Eck - oder Gnabry oder Musiala

Die Grübeleien von Bayern-Trainer Nagelsmann sind für die Liga nahezu folgenlos - das Personal ist einfach zu gut. Muss man den Münchnern also vorzeitig den Titel zusprechen? Vielleicht nicht.

Kommentar von Christof Kneer

Alles, was man wissen muss über diese Liga, wurde in der letzten Minute dieser Pressekonferenz gesagt. Nach dem als Wettbewerbsspiel ausgeschriebenen 7:0 des FC Bayern gegen den VfL Bochum sagte Bochums Trainer Thomas Reis: "Wir spielen mit den Bayern zwar in derselben Liga, aber heute war mehr als eine Klasse dazwischen." Anschließend sagte Julian Nagelsmann, mal sinngemäß zitiert: Klar, er sei zufrieden mit Vortrag und Ergebnis, aber der Versuch, ins Altbewährte seine neuen Impulse zu mischen, sei immer noch "eine Gratwanderung". Es gehe bei dieser Wanderung allerdings "eher darum, wie attraktiv und souverän es am Ende ist".

Mit anderen Worten: Ums Gewinnen geht's dabei nicht. Gewinnen tun wir sowieso.

Ist Christian Seifert, der Chef der Deutschen Fußball Liga (DFL), in der letzten Saison vor seinem Rücktritt noch stark genug, um ein Machtwort zu sprechen? Müsste er die Saison nach diesem Wochenende nicht abbrechen und dem FC Bayern den zehnten Meistertitel in Serie vorzeitig überreichen? Wobei, wenn man sich's nochmal überlegt: Ein bisschen Spannung bleibt ja doch noch bis zum Saisonende im kommenden Mai. Man will ja zum Beispiel auch wissen, wer Fünfter oder Neunter wird. Oder Spiele angucken wie das von Köln und Leipzig am Samstagabend.

Der FC Bayern hat eine Woche hinter sich, die es sinnvoll erscheinen lässt, sich weitere Ziele zu suchen

4:1 in Leipzig, 3:0 in Barcelona, 7:0 gegen Bochum: Der FC Bayern hat eine Woche hinter sich, die es sinnvoll erscheinen lässt, sich ein paar weitere Ziele zu suchen. Um den Anhängern dieses schrecklich unersättlichen Klubs ein wenig Neugier auf die restliche Saison zu erhalten, könnte man zum Beispiel darüber spekulieren, in welcher März-Woche Bayerns Meistertitel rechnerisch feststehen wird, an welchem Spieltag Robert Lewandowski die 50-Tore-Marke knackt und ob Alphonso Davies und Leroy Sané vielleicht mal die flinkeste linke Seite des Weltfußballs werden können.

Es ist vor allem der Blick hinüber zum vermeintlichen Herausforderer RB Leipzig, der die Konkurrenz erschaudern lässt. Während die Sachsen nachvollziehbarerweise mit ihrem Umbruch zu kämpfen haben, sind die kleinen Grübeleien der Münchner in der Tabelle nicht wahrnehmbar. Nagelsmanns Überlegungen, wie genau und wann er den Autopiloten des Vorgängers Hansi Flick umprogrammiert, bleiben für die Lage der Liga nahezu folgenlos: Bayerns Personal ist einfach viel zu gut. Ja mei, dann sind die Positionen für ein paar Momente halt mal nicht optimal besetzt, dann stehen im Mittelfeld halt mal vier Mann ungeplant auf einer Linie, dann fremdelt Thomas Müller halt mal ein bisschen mit den neuen Wegen - am Ende biegt dann eben Leroy Sané ums Eck oder Serge Gnabry oder Jamal Musiala. Irgendeiner findet sich immer.

Längst ist der FC Bayern eine Art Staatspartei unter den Fußballklubs

Im September 2021 profitieren die Bayern weiterhin von den vergangenen Jahrzehnten. Anders als ihre (zum großen Teil ehemaligen) Rivalen aus Mönchengladbach, Köln, Hamburg, Bremen oder Dortmund haben sich die Münchner nie eine längere Schwächephase geleistet und sich dadurch einen finanziellen Vorsprung erwirtschaftet, der es ihnen erlaubt, ab und zu mal einen Fehler zu machen oder sogar ein Spiel zu verlieren. Längst ist der FC Bayern eine Art Staatspartei unter den Fußballklubs, bei dem wie selbstverständlich die besten Spieler landen - und, siehe Nagelsmann, offenbar auch die besten Trainer.

Wozu das führen kann, sieht man jetzt. Die Münchner Verantwortlichen haben es zwar nicht geschafft, den in der Kabine so beliebten Flick zu halten - aber nach nur fünf Bundesligaspielen unter seinem Nachfolger hat die Mannschaft schon wieder ein Torverhältnis von 20:4 - plus sechzehn.

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